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Independent-Trip zum American Film Market

Abenteuer AFM

Der American Film Market AFM, der jedes Jahr in Los Angeles abgehalten wird, ist einer der größten Märkte für den Kauf und Verkauf von Filmen. Tausende Besucher aus zahlreichen Ländern kommen hierher, um Finanzierungen aufzustellen, Rechte zu erwerben oder ihre Lizenzen zu verkaufen. Unser Autor Christian Genzel war mit seinem Independent-Dokumentarfilm dort und hat für unsere Ausgabe 5.2024 Tagebuch geführt.

Poster des American Film Markets AFM 2023

„Fnding Planet Porno: The Wild Journey of American Cinema’s First Outlaw“ lautet der schöne Titel meines Dokumentarfilms. Es ist die Geschichte des Porno-Pioniers Howard Ziehm, der in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren in Los Angeles einer der Ersten war, die explizite Filme gedreht haben – als das noch illegal war und entsprechend drakonische Strafen mit sich ziehen konnte. Mit kleinem Budget und Förderungen von Land und Stadt Salzburg habe ich über die letzten Jahre an diesem ungewöhnlichen Zeitporträt gearbeitet und jetzt soll der fertige Film einen Vertrieb finden. Ein befreundeter Filmemacher, Jean-Luc Julien, wies mich auf den anstehenden American Film Market in Los Angeles hin, der vom 31. Oktober bis zum 5. November stattfand – und weil er selber dort auch mit einem Projekt hinreisen würde, haben wir uns zusammengetan.

Aber was bringt der AFM einem Independent-Filmemacher? Billig ist die Angelegenheit ja wahrlich nicht: Für fünf Tage mitsamt Zugang zu den sogenannten AFM Sessions zahlt man schon 1.000 US-Dollar, dazu kommen die Reisekosten und das generell nicht günstige Pflaster Los Angeles.­ Immerhin konnte ich die Unterbringung durch Jean-Luc einsparen, der Wohnmöglichkeit dort hat – und so habe ich mich nach einigen Recherchen und Kostenplänen auf die Reise gemacht.

Neben einem Online-Screener des Films und einem Trailer hatte ich auch ein „Highlight Reel“ mit vier repräsentativen Szenen erstellt – und dann auch schnell begonnen, die verschiedenen Firmen anzuschreiben, die beim AFM vertreten sein würden. Im Gegensatz zur Berlinale oder zu Cannes ist der AFM ein reiner Markt, ohne Festival: Es gibt interne Filmaufführungen, für die man Kinosäle buchen kann, aber es ist ansonsten ein reines Business-Event.

Auch, wenn man viele Kontakte vor Ort per Zufall und per Empfehlung knüpft, ist es ratsam, möglichst vorab die richtigen Personen bei den Firmen anzuschreiben und einen Termin auszumachen. Dabei merkt man auch prompt, dass beim AFM niemand auf einen einzelnen Filmemacher wartet: Sehr viele dieser Nachrichten bleiben unbeantwortet, und deswegen sendet man auch während des Events in freien Minuten weitere Anfragen aus.

Tag 1: Andere sind wichtiger

Da ich nicht weiß, was genau mich bei der AFM erwartet, habe ich mir für den ersten Tag gar nichts vorgenommen – außer Orientierung zu gewinnen und ein Gespür für die Leute und die Abläufe zu kriegen. Nach schnellem Check-in, bei dem auch gleich ein Foto für den Besucherausweis gemacht wird, irre ich kurz durch die Gänge des Hotels und lande schließlich in der Lobby des Le Méridien Delfina, dem Zentrum des AFM. Wie eine Messe mit verschiedenen Ständen darf man sich die Veranstaltung nicht vorstellen: Stattdessen sind die verschiedenen Firmen auf neun Stockwerken in den Zimmern des Hotels untergebracht, die zu Büros umfunktioniert wurden. Ein Plan, auf den mich ein hilfsbereiter Besucher hinweist, listet genau, welche Firmen bei welcher Zimmernummer zu finden sind.

Besucherausweis für AFM 2023
Der Besucherausweis: offiziell, doch grün wäre besser. (Foto: Christian Genzel)

Der hilfreiche Mann namens Dana Dane erzählt, dass er zum ersten Mal hier ist und seine Fühler ausstreckt, weil er in der Filmproduktion tätig ist, und wir tauschen Kontakte aus. Später erfahre ich, dass Dana in den Achtzigern ein durchaus erfolgreicher Rapper in New York war. Ich lerne schnell, dass beim AFM spannende Kontakte ganz zufällig entstehen.

Aber zum Verkauf des Films sind gezielte Treffen doch zielführender. Ein befreundeter Regisseur aus Los Angeles hat mir den Kontakt zu seinem Sales Agent gegeben, mit dem ich mich gleich als Erstes treffe. Wir plaudern ein wenig über meinen Film, dessen Thema ihn sehr interessiert, und über unseren gemeinsamen Bekannten. Er bittet mich, ihm meinen Film zukommen zu lassen, aber weist gleich darauf hin, dass er erst irgendwann nach dem AFM dazu kommen wird, ihn anzusehen.

Bei einem späteren Treffen mit einem australischen Vertriebler merke ich aber auch schnell wieder, dass man als Indie-Filmemacher relativ weit unten in der Hackordnung steht: Als ich ihm vom Film erzähle, schweift seine Aufmerksamkeit plötzlich zu Besuchern ab, die einen grünen Ausweis tragen – der kennzeichnet die „Buyers“, die Filme für ihre Firmen einkaufen. „They are more important“, lässt mich mein Gegenüber auch ganz nüchtern wissen. Erst, alsdie Buyers wortlos und unbeeindruckt sein Büro wieder verlassen, widmet er sich wieder meinem Film.

Tag 2: Pitch Fever

„Hey Christian, hast du schon den Millionendeal?“ Mit lässiger Ghetto-Faust begrüßt mich Dana Dane, den ich zufällig auf der Straße auf dem Weg Richtung La Méridien treffe. „Fast,“ grinse ich. Er fragt mich zu meiner Doku aus und findet die Geschichte spannend – dann bietet er an, den Trailer an einen Freund weiterzuleiten, der Produzent der Kardashian-Show ist. „We are here to win“, schreibt er mir später – „und wenn ich helfen kann, kein Problem“.

Der größte Lerneffekt des AFM betrifft den Pitch für sein Projekt, den man hoffentlich ohnehin schon parat hat und hier zigfach am Tag verfeinern kann. Man nennt das gern den „Elevator Pitch“ – falls man einem wichtigen Menschen im Fahrstuhl begegnen sollte und nur eine Minute Zeit hat, sein Projekt schmackhaft zu machen. Beim AFM pitcht man ständig sein Projekt, beschreibt es immer wieder in jeder Konversation, auch mit denen, die zufällig neben einem sitzen oder Smalltalk im Gang machen. Man lernt dabei wunderbar, auf welche Erzählung die Leute reagieren, welche Infos sie neugierig machen, wo vielleicht Unklarheiten herrschen und wie man die Sache am besten in einen Satz packen kann. Gelegenheiten, mit jemandem lange Gespräche über seine Arbeit zu führen, ergeben sich ohnehin nur sehr wenige.

Aber mit Zufallsbekanntschaften führe ich immer wieder interessante Gespräche. Einmal treffe ich einen Post-Production-Mann, der sich um die Delivery für verschiedene DVD- und VOD-Formate kümmert, zu anderer Gelegenheit sitzt eine nette Dame am Tisch, die für den Independent-Distributor Indie Rights arbeitet – Bingo, aber leider ist mein Thema für sie zu gewagt.

Ständig werden Kontakte ausgetauscht und digitale Visitenkarten gescannt. Um hinterher bei so vielen Leuten noch Überblick zu haben, fange ich eine Liste an, auf der ich mir zu jedem ein paar Infohäppchen aufschreibe, um später­ gegebenenfalls gezielter in Kontakt bleiben zu können.

AFM Session über neue Vertriebstrends
AFM Session über neue Vertriebstrends: links auf der Bühne Moderator Jeremy Kay, danach Kent Sanderson (Bleecker Street), Scott Shooman (AMC) und Produzent Jere Hausfater (Foto: Christian Genzel)

Tag 3: Spaß mit Steuern

Am dritten Tag beginnen die AFM Sessions im nahegelegenen Hilton Hotel – Panels und Industriegespräche, in denen sich Brancheninsider zu verschiedenen Themen austauschen. „Are you ready to have some fun?“, fragt einer der Vortragenden zu Beginn, und nachdem der Saal ein lautes „Yeah!“ gebrüllt hat, witzelt er: „Dann sind Sie im falschen Vortrag. Hier geht es um Steueranreize bei der Filmproduktion.“

Besonders beliebt sind natürlich Vorträge und Diskussionen, bei denen es um Filmfinanzierung geht, und ganz generell solche, bei denen erfolgreiche Produzenten als Experten eingeladen sind – die hinterher dann von der halben Zuschauerschaft belagert werden und in ein Gespräch verwickelt werden sollen. Bei einem Talk zum Thema Indie-Film-Distribution schaffe ich es auch, dem umtriebigen Vertriebs-Experten kurz die Hand zu schütteln und mich für den Vortrag zu bedanken. Dann kommt in 30 Sekunden der „Elevator Pitch“ zur Geltung: Er lädt mich ein, später zu ihm ins Büro zu kommen und Genaueres zu erzählen.

Mit den AFM Sessions gewinnt man viele Einsichten aus Produzenten- und Vertriebssicht. Aber nach ein paar Sitzungen freut man sich als Kreativschaffender dann auch wieder auf Gespräche, in denen Filme und Geschichten nicht nur als „Content“ bezeichnet werden. [15445]


Möchten Sie erfahren, was Christian Genzel an Tag 4 und 5 auf dem American Film Market erlebt hat? Hier geht es zum Artikel!


 

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