Die Grundlage eines jeden guten Bildes ist – neben der korrekten Einstellung des Fokus – die Einstellung der Blende und Belichtungszeit. Diese hängt im Allgemeinen von der umgebenden Lichtsituation ab. Doch wie lässt sich diese einschätzen und vielleicht sogar in greifbare Zahlen umwandeln?
Die Retter in der Not: Beleuchtungsmesser
Geräte zur Messung der Beleuchtungssituation oder der Helligkeit der zu fotografierenden Motive, kurz: Belichtungsmesser (englisch: »exposure meter«), sind kleine, aber wichtige Werkzeuge der Kameraleute. Sie sind übrigens meist die einzigen Ausrüstungsgegenstände, die Kameraleute selber besitzen und regelmäßig zum Dreh mitbringen, die also nicht wie anderes Equipment von der Produktionsfirma angemietet werden. Ihr Mietpreis wäre im Vergleich zu anderem zwar gering (und man kann sie auch mieten), aber normalerweise ist man an seine Belichtungsmesser gewöhnt und arbeitet lieber mit ihnen.
Die Theorie
Zunächst einmal muss man zwischen Belichtung (»exposure«) und Beleuchtung (»lighting«) unterscheiden. Die – natürliche oder vom Filmteam eingerichtete – Beleuchtung am Drehort definiert, unabhängig von künstlerischen Aspekten, maßgeblich den Grad der Belichtung des Filmmaterials oder, bei elektronischer Aufnahme, des Sensors (Chips). Das heißt, eine korrekte Belichtung muss, ausgehend von der Lichtempfindlichkeit des Bildträgers, entsprechend der Beleuchtung sein und umgekehrt.
Dieser Zusammenhang besteht seit den Anfängen der Fotografie vor über 150 Jahren und gilt für Video gleichermaßen. Das einzige, was sich bis heute geändert hat, ist die Empfindlichkeit der Aufnahmematerialien. Somit heißt Belichten nichts anderes als: Wie lange lasse ich bei welchem Öffnungsgrad der Blende Licht auf den Film oder den Chip.
Ein weiterer Parameter ist der Kontrastumfang, den das Material verarbeiten kann, in Bezug zum Helligkeitskontrast des Motivs (hellste und dunkelste Stellen). Keine Filmemulsion und kein Chip kann derart hohe Helligkeitskontraste wiedergeben, wie sie in natürlichen Beleuchtungssituationen vorkommen können. Hier muss man mit zusätzlichem Licht – oder, genauso häufig, durch Abhalten und Dämpfen von Licht – nachhelfen oder aber bewusst auf die korrekte Wiedergabe entweder der helleren oder der dunkleren Bildpartien verzichten. Ein solcher Verzicht kann auch eine gewollte künstlerische Entscheidung sein. Das extremste Beispiel sind Silhouettenaufnahmen, bei denen man die Belichtung nach dem helleren Hintergrund bemisst und sorgfältig darauf achtet, dass die Bilddetails im Vordergrund vom Aufnahmematerial nicht mehr erfasst werden, damit sie als schwarzer, zeichnungsloser Schattenriss erscheinen.
Messungsarten
Es gibt zwei sich ergänzende Arten, das Licht zu messen. Die Messung des einfallenden Lichts (»incident light«) oder Lichtmessung geschieht am Motiv. Man hält das Gerät, das etwas größer als ein Mobiltelefon und ähnlich wie eine Videokamera mit einer lichtempfindlichen Zelle ausgestattet ist, an bildwichtigen Teilen des Motivs in Richtung Kamera.
Vor der Messzelle haben diese Belichtungsmesser eine halbkugelförmige Kalotte aus Milchglas, die nicht nur das Licht von vorne, sondern auch das von den Seiten und von oben und unten einfängt und mitberücksichtigt. Die Messzelle wandelt die empfangene Lichtintensität in Strom um (Belichtungsmesser mit einer Silicium-Zelle wie etwa der Sekonic brauchen hierfür noch nicht einmal eine Batterie!), der einen Zeiger auf einer Skala ausschlagen lässt oder in Zahlenwerten auf einem Anzeigefeld erscheint.
Es können Footcandles, Lux und meist auch direkte Blendenwerte bei einer gegebenen Belichtungszeit angegeben werden, alle drei stehen rechnerisch in einem direkten Verhältnis zueinander. Lichtmesser messen die Beleuchtungsstärke (Maßeinheit ist Lux – lx), in der Praxis rechnet man meist in Footcandles (fc), es gilt: 1 fc = 10,764 lx. Man erhält bei dieser Messart die Belichtung, die notwendig ist, um ein durchschnittliches Motiv korrekt gezeichnet wiederzugeben.
Als durchschnittlich gilt eine Reflektionsfähigkeit der Oberfläche von 18 Prozent; darauf basieren auch die Standard-Graukarten. Erstaunlicherweise trifft diese Annahme für einen Großteil der Motive, mit denen man zu tun hat, zu.
Wenn man sich kurz die Messung des reflektierten Lichts (»reflected light«), die zweite Messart, klarmacht, versteht man den Zusammenhang. Hierauf spezialisierte Belichtungsmesser messen die Leuchtdichte von Oberflächen oder Selbstleuchtern, Maßeinheit ist Candela pro Quadrat meter oder Quadratfuß (cd/m2 oder cd/ft2). Da die meisten Dinge auf der Welt nicht von selber leuchten, ist ihre Leuchtdichte Ausdruck des auf sie fallenden Lichts, daher spricht man etwas verkürzend von der Messung des »reflektierten Lichts«. Die gemessene Leuchtdichte eines durchschnittlichen Motivs – ideell ersetzt durch die 18-Prozent-Graukarte – ist genauso wie die oben beschriebene Messung des einfallenden Lichts Ausgangspunkt für einer korrekte Belichtung.
Das Besondere der bei Film und Fernsehen und in der Berufsfotografie verwendeten Belichtungsmesser für die Messung des reflektierten Lichts ist nicht ihre Messart – die haben sie mit vielen Amateur- und in Kameras eingebauten Belichtungsmessern gemein –, sondern ihr Messwinkel. Während Amateurbelichtungsmesser und Kameraautomatiken das ganze Bildfeld oder einen Durchschnitt aus mehreren größeren Feldern als Messbasis nehmen, kann man mit einem Spotmeter dank eines Messwinkels von meist nur einem Winkelgrad die Leuchtdichte eng definierter Bildteile (»spots«) einzeln erfassen.
Die meisten Spotmeter zeigen die Leuchtdichte in ganzzahligen Lichtwerten (»exposure values«) an, die einer logarhythmischen Reihe von Leuchtdichtewerten entsprechen, wie das auch bei der fotografischen Blendenreihe der Fall ist. Das heißt, ein um 1 höherer Lichtwert bedeutet eine Verdopplung der für die Belichtung relevanten Leucht dichte, ein um 2 höherer Wert eine Vervierfachung und so weiter.
Achtung: Der enge Messwinkel (weshalb die nicht einfach zu bauenden Geräte auch recht teuer sind) und die Möglichkeit, messen zu können, ohne ans Motiv nah herangehen zu müssen, ist der Segen der Spotmeter, aber ebenso eine Falle. Die Punktmessung kann nämlich leicht zu Fehlinterpretationen führen, wenn man schnell vom Kamerastandpunkt aus gemessene Lichtwerte – etwa eines Gesichts oder einer Wand – zur Grundlage seiner Belichtung macht.
Die Praxis
Die meisten Kameraleute und Oberbeleuchter haben immer beide Belichtungsmesserarten dabei. Die Vorgehensweisen sind individuell und je nach Situation unterschiedlich. Wie auch sonst beim Film zählt das Ergebnis, das technisch verwertbar sein und künstlerisch gefallen muss. Viele messen eine Szene zunächst mit einem Belichtungsmesser für das einfallende Licht durch und arrangieren die Beleuchtung entsprechend.
Mit dem Lichtmesser kann man auch ein größeres Set förmlich »durchschreiten« und so auf Stärken und Schwächen der Lichtsituationen aufmerksam werden. Auch kann man damit gut einzelne Lichtquellen (Scheinwerfer, Reflektoren, Licht vom Fenster, Sonnenlicht, auf Schattenareale fallendes Himmelslicht und so weiter) ausmessen und aufeinander abstimmen – entweder, in dem man mit der Hand das auch aus anderen Richtungen auf die halbrunde Kalotte fallende Licht abhält, oder indem man statt der Kalotte die als Zubehör vorhandene flache Milchglasscheibe einsetzt.
Spotmeter hingegen sind wichtig, um die Extreme und Helligkeitsverteilung einer Szene abschätzen zu können. Spitz- und Glanzlichter, helle und dunkle Gesichtspartien, verschieden helle oder ganz dunkle Bild areale am unteren Rand oder sehr helle am oberen Rand des Belichtungsumfangs des verwendeten Filmmaterials oder Videosystems können so gut erfasst werden. Der Einfachheit halber haben manche Kameraleute auch nur einen Spotmeter dabei. Ihre Arbeitsblende ermitteln sie dann, indem sie eine in die Szene gehaltene Graukarte messen.
Tipps
- ?Bei Szenen, die weit entfernt in der Landschaft spielen, kann man mit dem Lichtmesser auch in Kameranähe messen, wenn die Beleuchtungssituation hier die gleiche ist.
- Um bei dokumentarischen oder improvisierten szenischen Drehs schnell auf veränderte Lichtsituationen reagieren zu können, kann man »Vorratsmessungen« machen, etwa für »in der Sonne«, »im Schatten«, »Wolke vor Sonne«, um dann nur schnell die Blende an der Kamera zu ändern.
- Schnee und Drehs auf dem Meer oder am Strand sind typische Situationen für Fehlmessungen mit dem Spotmeter – aber auch mit dem Lichtmesser: möglicherweise fängt die Kalotte hier zuviel reflektiertes Licht von unten ein, Licht, das das eigentliche Motiv, etwa ein Gesicht, gar nicht abkriegt. Man kann bei der Messung probeweise das von unten reflektierte Licht mit der Hand abhalten.
- Aufnahmesituationen am Abend, in der Nacht und in der Dämmerung brauchen unbedingt einen Spotmeter, damit man die zarten und heiklen Abstufungen erkennen und die Selbstleuchter (Dekorationslampen, Abendsonne, Straßenbeleuchtung et cetera) einordnen kann.
- In Ermangelung einer Graukarte hilft auch die eigene Hand: Man muss nur wissen, wieviele Lichtwerte die Handinnen- oder -außenseite über 18-Prozent-Grau (Neutralgrau) liegt. Bei den gleichen – und gleich geschminkten – Schauspielern wird man stets auf den gleichen relativen Helligkeitswert des Gesichts stoßen. Als Daumenregel: die Haut von weißhäutigen Menschen liegt einen bis anderthalb Lichtwerte (= Blendenstufen) über Neutralgrau, die von Schwarzen bei oder leicht unter Neutralgrau.
- Vorsicht bei Farben: Der psychologische Farbeindruck lenkt unser Auge schnell vom Helligkeitswert der Farbe ab. Der Stoff eines Kostüms kann in der fertigen Aufnahme viel heller oder dunkler wiedergegeben werden, als man dachte und einem lieb ist. Gelb und Orange liegen zum Beispiel deutlich über Neutralgrau, Blau und Lila deutlich darunter. Blattgrün kommt in die Nähe von Neutralgrau, ist aber sehr heikel, je nachdem, wie Licht oder Schatten darauf fällt. So manche Außen-Tag-Aufnahme im Stadtpark ist da schon zu ungewolltem Day-for-Night geworden, gerade bei Sonnenschein.
- Bei Flugaufnahmen und Aufnahmen vom Boot aus ist ein Lichtmesser wenig hilfreich. Um schnell und flexibel reagieren zu können, peilt man mit dem Spotmeter Hilfsobjekte an, die gar nicht im Bild sein müssen, aber in etwa Neutralgrau entsprechen (schätzen!), zum Beispiel Felsen, Straßenoberflächen, Holz und ähnliches.
- Geübte Augen können Lichtveränderungen etwa ab 1/3 Lichtwert wahrnehmen. Die absolute Einschätzung der Helligkeit einer Szene ist aber eingeschränkt durch die Anpassungsfähigkeit des Sehorgans und die psychologische »Postproduktion« im Gehirn.