Am Samstag ging mit einer gut besuchten Gala an der HFF München das Filmschoolfest Munich zuende. In einer vollen Woche zeigte das Team von #FSFMUC einmal mehr, dass die bayerische Hauptstadt in puncto interessanter Festivalprogramme der Berlinale längst den Rang abgelaufen hat.
Sommerzeit, Freibadzeit. Mädels baggern Jungs an und Jungs die Mädels, beäugen sich. Die einen kichern, die andern machen auf supercool. Alle spielen mit dem Handy, zusammen kommen sie nicht. Sinje Köhler von der Filmakademie Ludwigsburg wirft einen Blick auf den Mikrokosmos eines bunten Völkchens. Darunter der typische Besserwisser, der Papa, dessen Filius sich trotz Erdbeereis langweilt, die fröhliche Frau, die über ihre Fettröllchen lacht, die Schauspielerin, die mit einem Blind Date versucht, das Glück zu erhaschen, der über alle wachende Bademeister. „Freibadsinfonie“ ist eine kleine „comédie humaine“ in brillantem Schwarz-Weiß gefilmt von DoP Fabian Camper und gewann verdient den VFF Young Talent Award. Ein Film von 44 Beiträgen aus 17 Ländern, die das 37. Internationale Festival der Filmhochschulen (19. – 25. November) unter dem Motto „Watch Me If You Can“ in zehn Programmblöcken präsentierte.
Die 25 Spielfilme, 11 Dokumentarfilme, 7 Animationsfilme und ein Experimentalfilm sind mehr als Fingerübungen von Filmstudenten, sind oft Sprungbrett für eine Karriere. Gilt München doch als wichtiger Treffpunkt der Regie-Stars von Morgen. So zeigten Maren Ade, Caroline Link, Lars von Trier, Thomas Vinterberg, Susanne Bier oder Sönke Wortmann hier ihre ersten Kurzfilme. Das diesjährige Themenspektrum reichte von Familie, Liebesbeziehungen mit und ohne Happy End bis hin zu Flucht und Migration. Sehr berührend „Borderless“ von Aria Azizi (Kunsthochschule Kassel).Die Flüchtlingskinder, die ihre neue Heimat neugierig erkunden und trotz Elend das Lachen nicht verlernt haben, lassen Hoffnung keimen.
Auffallend, dass sich die Geschichten nicht mehr im Experimentellen verlieren, sondern auf eine mehr konventionelle und klar umrissene Erzählkunst setzen. Entspannung nach vielen Dramen bot die mit dem Panther-Preis für die Beste Produktion ausgezeichnete witzige Komödie „About the Bird and the Bees“ aus Finnland, der Kauf einer „Pille danach“ nach einer heißen Liebesnacht entpuppt sich als Parcours voller Hindernisse (Kamera: Arttu Järvisalo). Regisseur Janne J. Vanhanen freute sich, war das Preisgeld, eine Panther Dolly Ausstattung für 4 Wochen im Wert von 5000 Euro, doch zweimal so hoch wie die Produktionskosten. Stark vertreten neben Gastgeber Deutschland war Israel mit sieben und Polen mit vier Beiträgen (was sich in den Preisen nicht niederschlug).
Zwei Preise heimste Julia Lindströms „Mamma“ (Kamera: Kristian Jaran Engelsen) aus Norwegen ein, den Prix Interculturel für Verdienste um den interkulturellen Dialog und den 3. Platz beim Reformationspreis. Der wurde in diesem Jahr einmalig anläßlich des Luther-Jahres von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vergeben. Der mit 7500 Euro hochdotierte 1. Platz ging an Joren Molter aus den Niederlanden für „Greetings from Kropsdam“ (Kamera: Tijn Sikken) über das Mobbing eines einsiedlerischen Taubenzüchters durch die Dorfbewohner. Für Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler ein Drama „gegen Bigotterie“ und ein Plädoyer, sich nicht gleichmachen zu lassen, sich der sozialen und mentalen Kontrolle zu widersetzen und den eigenen Weg zu gehen.
Zweimal ausgezeichnet wurde auch Tizian Büchis “The Sound of Winter“: mit dem ARRI-Preis als Bester Dokumentarfilm und Camille Sultan mit dem vom Film & TV Kameramann gestifteten „Student Camera Award“. Die Jury lobte die atmosphärische Kamera und deren Nähe zum Protagonisten, einem Milchbauern im Schweizer Jura. Sultan, die mit kleinem Team im Schnee arbeitete, empfand die Dreharbeiten als ein „großes Abenteuer“. Wie sie die Schneeflocken im Lampen- oder Scheinwerferlicht einfängt, im Dunkeln des Stalls die Konturen verschwimmen lässt, sich zerteilenden Rauchwolken, Nebelschwaden und Schneeböen einen filigranen Charakter verleiht oder sich im Close-up auf winzige Eisstückchen in den Augenbrauen des „Yeti“ fokussiert, das entwickelt eine visuelle Magie, die sich im Originaltitel „La saison du silence“ besser wiederfindet, schluckt der Schnee doch die Geräusche bis zum Jodelchor am Ende, der die Heimatverbundenheit besingt.
Die Festival-Jury unter Vorsitz von Bond-Bösewicht Götz Otto hatte jedenfalls keinen leichten Job bei der Auswahl und 13 Preisen im Wert von rund 70 000 Euro. Aber für Festival-Chefin Diana Iljine lockt nicht nur schnöder Mammon an die Isar. Die Attraktivität des Filmschoolfestes liege auch in der guten Organisation, den Firmenkontakten, dem Networking untereinander und der Verzahnung mit dem Filmfest München, eine begehrte Plattform für zweite oder dritte Werke.
Interessant waren auch die „Filmschool Lectures“. Vor allem die Diskussion über die Frage „Student Oscar – and what now?“ bewegte die Gemüter des Nachwuchses. Florian Gallenberger („Oscar“ für den Kurzfilm „Quiero Ser“ 2001), HFF-Student Alex Schaad (Studenten-Oscar 2016 für „Invention of Trust“) und die Niederländerin Saar Ponsionen (schrieb das Drehbuch für „When Grey is a Colour“, Studenten-Oscar 2017) diskutierten mit den Produzenten Martin Moszkowicz (Constantin) und Max Wiedemann (Wiedemann & Berg), Professor Filip Bajon von der Film School in Lodz, und Peter Hegedus, Chef der Dokumentarfilmabteilung der australischen Griffith Film School. Natürlich zeigten die Oscar-Preisträger Stolz über Anerkennung. Aber die Reaktionen darauf waren doch sehr individuell, vom „Familiengefühl“ bei Ponsionen bis Gallenbergs Gefühl des Einzelkämpfers, der nicht vorbereitet war auf das Ereignis und lieber von Partnern spricht, wie bei seinem späteren Produzenten und Verleiher Benjamin Herrmann. Je größer das Budget, um so mehr steige Druck, Angst und Konflikt.
Einigkeit herrschte darüber, dass ein „Oscar“ kein Garant für Erfolg sei, er öffne Türen und erleichtere Kontakte, bis zum Erfolg bleibe dennoch ein langes und schwieriges Prozedere. Wichtig seien Hartnäckigkeit und Wille, die Integrität nicht zu verlieren. Sich nur etwas beweisen zu wollen, erweise sich schnell als falsch. Gewarnt wurde davor, nur an Preise zu denken, die Qualität einer Hochschule (wie die von Lodz) sei oft die beste Referenz. Es komme auch nicht auf das beste Equipment an, sondern auf die Story (Hegedus), die Imagination und Fantasie, auf die eigenen Ideen, „don’t stay in line“. Für Moszkowicz befinden wir uns im „Goldenen Zeitalter“ für audiovisuelle Produktionen. Er beklagte die Schwierigkeit, mangels guter Fachkräften, ein Team zusammen zu stellen. Es scheint sich da eine Lücke aufzutun, zwischen den wenigen, die sich vor Aufträgen nicht retten können und denjenigen, die einen Job suchen.