Dreharbeiten in den Bergen bringen einige Herausforderungen und Widrigkeiten mit sich. In unserer Ausgabe 10/2016 holten wir uns Infos bei der Crew des Films “Monte”, die bereits einige Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln konnte. Hier der zweite Teil unseres Berichts.
BERGFÜHRER & SICHERHEIT
Die Sicherheit am Set liegt in der Verantwortung der Bergführer. Ihre Anweisungen sind nicht verhandelbar. Sie entscheiden, wo Gerät aufgestellt werden kann und wo sich Crew und Schauspieler gefahrlos bewegen und aufhalten dürfen, um zu verhindern, dass Mensch oder Gerät abrutschen oder gar abstürzen. Auch sind sie es, die entscheiden, ob die Wetterbedingungen es erlauben einen Dreh zu beginnen oder fortzusetzen.
Motive müssen nach ihrem jeweiligen Risiko bewertet werden und es muss ein Notfallplan für sie erstellt werden. Vor Drehbeginn gibt es durch die Profi-Bergführer eine Einführung für das allgemeine Verhalten am Berg. Aber auch ganz simple Ratschläge sind nicht zu unterschätzen, sagt Arnold Kuntner: “Wer keine Ahnung vom Berg hat, dem sollte man schon besser sagen, dass sie festes Schuhwerk, warme Sachen gegen Kälte sowie Hut und Sonnencreme gegen Sonne mitbringen sollen.”
Die Anweisungen der Bergführer spielen insbesondere dann eine Rolle, wenn die Produktion spektakuläre Aufnahmen wünscht, die nicht ohne ein gewisses Risiko zu bekommen sind. Dazu gehören etwa Aufnahmen in der Wand, wie sie für “Der Sommer der Gaukler” von Marcus H. Rosenmüller entstanden. Dafür wurde eine Dreh-Plattform in die Bergwand gebaut, die neben Kamera und Kameramann noch drei Menschen tragen musste. Oder bei “Wie Brüder im Wind” von Gerardo Olivares, in dem Jean Reno und ein Junge an einer Felskante stehen. Die Schauspieler wollten sich dafür nicht sichern lassen. Die Versicherung ließ es nicht zu und der Bergführer musste die Anweisung letztendlich umsetzen.
Bei besonders großen Produktionen oder Produktionen in entlegenen Gebieten ist neben den in erster Hilfe ausgebildeten Bergführern immer auch ein Arzt dabei, weil man nicht wissen kann, ob im Fall der Fälle auch Flugwetter herrscht. Außerdem muss es ein Zähl-System geben, damit am Ende des Drehtages sicher gestellt ist, dass auch alle gesund vom Drehort zurück gekommen sind.
Den Bergführern kommt aber auch noch aus einem anderen Grund ein ganz spezieller Anteil am Gelingen eines Berg-Films zu: da sie ständig in den Bergen – auch in den entlegensten Regionen – unterwegs sind, kennen sie die spektakulären Stellen und Szenerien, die dem Film die entscheidende Visualität verleihen.
SCHLÜSSELFUNKTION: KEY GRIP
Key Grip bei “Monte” war der bergerfahrene Italiener Paolo Forti. In Italien ist der Key Grip für die Sicherheit von Crew und Technik verantwortlich. “Wetter, Regen, Schnee. Alles, was hier passiert, hat größere Auswirkungen als auf dem flachen Land”, betont er. “Und: in den Bergen ist nichts flach.” Selbst dann, wenn es so aussieht, was erhebliche Auswirkungen auf den Aufbau der Technik hat. “Alles muss so aufgebaut werden, dass es nicht abrutschen kann”, sagt er.
Das hört sich selbstverständlich an, doch um das zu garantieren, muss der Untergrund geprüft und Hilfsmittel gebaut werden, die so stabil sind, dass sie nicht untereinander wegrutschen. Beim Lichtsetzen muss darauf geachtet werden, dass plötzlich aufkommende Böen weder die Lampen noch die Bouncer um – wehen können. Bei “Monte” wurde eine Kamera so an einer Kante angebracht, dass sie über den Abgrund hinüber schwenken konnte. Um das zu ermöglichen, arbeitete Forti eng mit dem Bergführer zusammen.
Bei solchen Aktionen muss neben der Sicherung von Technik und Crew auch das Gestein gesichert werden, damit es nicht abbricht und womöglich einen Steinschlag auslöst. Grundsätzlich gilt am Berg: ist das Gefälle größer als 30 Grad, können bei entsprechenden Bedingungen, in der Regel Regen und Schneeschmelze, Felsen und Steine in Bewegung geraten.
DIE HÖHE
Kommt man aus dem Tiefland in höhere Lagen, muss man sich zuerst akklimatisieren. Um sich an die dünne Luft zu gewöhnen, die jede Anstrengung zu einer kaum ausführbaren Tätigkeit macht, braucht man etwa eine Woche. “Die Akklimatisierung darf man keinesfalls unterschätzen”, mahnt Florian Mohn. Die dünne Luft hat aber auch noch andere Nachteile: Aufnahmen mit Drohnen sind nur mit etwas Geduld möglich. Entweder stehen die Drohnen nicht stabil in der Luft oder können nicht aufsteigen. “Hinzu kommt die Mikro-Meterologie, die starke Auswirkungen auf den Drohnenflug hat”, sagt Paolo Forti, der einen Flugschein besitzt und Produktionen auch Drohnenflüge anbietet.
Mit Hilfe spezieller Propeller für dünne Luft konnte Forti mit einigen Mühen jedoch überzeugende Drohnenaufnahmen für “Monte” machen. Ohne genügend Sauerstoff können auch Verbrennungsmotoren keine volle Leistung bringen. “Ab einer bestimmten Höhe verlieren Verbrennungsaggregate pro 1.000 Meter rund zehn Prozent an Leistung und müssen entsprechend angepasst werden”, erklärt Arnold Kuntner.
Die Höhe verändert auch Ton und Geräusche. Darüber muss man sich keine Gedanken machen, wenn man auf Originalhöhe mit Originalton arbeitet. Spielt die Handlung jedoch in höherer Lage, wie in “Everest”, muss das genauso berücksichtigt werden wie bei Nachvertonungen und Drehs im Studio.
LICHT
Dreht man in den Bergen mit natürlichem Licht, muss man schnell sein. Die Lichtsituation ändert sich dort sehr viel radikaler und schneller, als im Flachland – insbesondere im September, Oktober, wenn die Tage kürzer sind und die Sonne nicht mehr so hoch steht. Analog gilt dies natürlich auch für das Frühjahr. “Wenn man mit natürlichem Licht dreht, muss man dem Licht folgen”, sagt Roberto Giamoti, DoP bei “Monte” und ebenfalls erfahren bei Bergdrehs. Daher wurde trotz des engen Budgets mit drei Kameras gedreht, um drei verschiedene Einstellungen mit denselben Lichtverhältnissen zu bekommen, mit denen im Schnitt gearbeitet werden kann.
Allerdings ist es nicht immer einfach, die Kameras gut aufzustellen. “Manche Position kann entweder durch einen Felsen oder Abhang belegt sein oder aber es ist etwas aufwändiger ein stabiles Podest zu bauen”, erzählt Giamoti. “Wenn die Positionen versetzt werden sollen, braucht das jedes Mal einiges an Zeit, da alles neu gesichert und eingerichtet werden muss. Einfach das Stativ zur Seite schieben, gibt es in den Bergen nicht.”
Für “Monte” hatte sich Giamoti für ARRI Alexas, Zeiss Prime Lenses und Zooms von Angieux entschieden. Dies einerseits, weil die ARRI eine große Farbpalette und weniger Körnung hat sowie mit wenig Licht gut zurecht kommt, was von den sehr präzisen Zeiss-Objektiven unterstützt wird. Die ARRI ist laut Giamoti aber auch sehr robust und kommt gut mit extremeren Wettersituationen zurecht. Der Zoom beschleunigte die Umbauphasen, da ein Objektivwechsel entfiel.
Die Beobachtung am Set bestätigte dies jedoch nur bedingt. Wenn Regisseur Amir Naderi nach langen Vorbereitungen Inszenierung und Kameraposition festgelegt hatte und es in Folge immer dunkler geworden war, stellte sich bei der Frage „Ready?“ oft heraus, dass ein Schwenker erst das Objektiv tauschen musste, weil ein lichtstärkeres benötigt wurde.