“Hohe Auflösungsdichte” bei knapper Drehzeit – DoP Henning Jessel drehte für “SOKO Köln” mit der Canon EOS C700 und der Zoomoptik Canon CN-E 30-300 mm. Wie diese mit dem SOKO-Standard RED Dragon harmonierte und für was sich die C700 besonders gut eignete, erzählte uns Henning Jessel in der Ausgabe 4.2018.
Mit “SOKO 5113” fing es an. Die erste Sonderkommission lief Anfang der 1980er Jahre noch im ZDF-Vorabendprogramm. Heute haben Werner Kreindl und seine Kollegen von damals reichlich Unterstützung erhalten. Sonderkommissionen in mehr als einem halben Dutzend deutscher Metropolen gehören zum Abendprogramm. Die Länge von einer guten Dreiviertelstunde ist gleich geblieben. DoP Henning Jessel als “SOKO-Veteranen” zu bezeichnen, ist angesichts seines Jahrgangs vielleicht ein wenig zu hoch gegriffen.
Aber seine Expertise für Kriminalfilme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen reicht mehr als zehn Jahre zurück. Für die SOKO-Familie ist er seit 1998 tätig und war dafür verantwortlich, die “SOKO Leipzig”, “SOKO München” und “SOKO Köln” von analoger auf digitale Produktion umzustellen.
Bei den Dreharbeiten zum aktuellen Episodenblock von “SOKO Köln” setzte er neben einer RED Dragon, dem Standard bei SOKO-Köln-Produktionen, die Canon EOS C700 in der Global-Shutter-Variante ein. Dabei gab es zwar eine A- und B-Bezeichnung der Geräte, es konnte jedoch vorkommen, dass die Aufteilung wechselte.
Welche Optiken haben Sie bei “SOKO Köln” mit der Canon EOS C700 verwendet?
Neben einem Satz Festbrennweiten von ZEISS hatte ich zwei Zoom-Objektive für die C700, einmal das Canon CNE14,5-60 mm und dazu das CN-E 30-300 mm.
Lassen sich denn Zoom-Optiken mit einem so großen Brennweitenumfang beim szenischen Serien-Dreh gut einsetzen?
Unbedingt. Ich benutze sie gern in Formaten, bei denen man zwar wenig Drehzeit hat, aber am Ende doch dynamisch erzählen und eine hohe Auflösungsdichte haben muss. Und da ist jeder Objektivwechsel ein Zeitfaktor. Wenn man zwanzig- oder dreißigmal am Tag das Objektiv wechselt, und das zwei oder drei Minuten dauert, dann sind dann schon anderthalb Stunden weg, nur für Objektivwechsel!
Deshalb fühle ich mich dabei mit einer Zoom-Optik sehr gut aufgestellt. Bei den Festbrennweiten gibt es ja dann auch Sprünge, wie zwischen 50 und 85 mm. Und wenn ich etwas dazwischen brauche, muss ich die Kamera verrücken und das kostet alles Zeit. Beim Zoom habe ich sofort die Kadrage, die ich haben möchte. Bei einem Serienformat, das dynamisch ist und jung sein will, gibt mir ein Zoom einfach größere Möglichkeiten, effizienter und auch schneller zu sein als mit Fix-Objektiven.
Was ich auch gern mache: Wenn man sich mit dem Dolly bewegt, dann hat man dabei die Möglichkeit, sozusagen einen unsichtbaren Zoom in der Fahrt zu machen. Man kann ja in den Räumen nicht immer so fahren, wie man will. Es stehen Tische und Schränke im Weg, und dann muss man vielleicht im Bogen fahren, und wenn man sich so bewegt, hilft manchmal ein Zoom sehr viel weiter, um durchgehend drehen zu können. Das ist sehr nützlich für ein hohes Drehtempo.
Wie viele Drehtage sind denn derzeit für eine SOKOFolge von 45 Minuten angesetzt?
Für eine SOKO-Folge sind 7,5 Drehtage angesetzt. Dabei wird aber in verschiedenen Blöcken gedreht. Ein “Regelblock” besteht dabei aus vier Folgen, das sind dann insgesamt 30 Drehtage. Es gibt aber auch Blöcke mit zwei Folgen, wenn ein neuer Regisseur ausprobiert wird, und dann gibt es auch Blöcke mit drei Folgen, wenn jemand zum Beispiel nur für drei Folgen am Stück Zeit hat.
Gab es Probleme, den Testlauf der Canon C700 bei der Produktionsfirma Network Movie durchzusetzen?
Nein, gar nicht. Dadurch, dass wir die Canon EOS C700 zur Verfügung hatten, konnten wir mit zwei Kameras drehen, was dem Regisseur Jörg Mielich und mir – wir drehen seit acht Jahren zusammen – sehr in die Karten gespielt hat, vor allem, wenn man Szenen wie Verhöre dreht. So ein Verhör dauert oft drei oder vier Minuten und dann kann man da wunderbar mit zwei Kameras arbeiten. Man hat ein schönes Dreiviertel-Profil und eine Kamera von vorne, das ist auch mit dem Licht relativ einfach zu gestalten.
Dabei gewinnt man unheimlich viel Zeit, und für die Schauspieler ist es auch angenehm, nicht jeden Take in jeder Einstellungsgröße durchspielen zu müssen. Das entspannt solche Aufnahmen ungemein, vor allem, wenn man viel auf dem Zettel hat. Bei der Produktionsfirma war man sehr offen und man hat uns auch gut unterstützt, auch weil man wissen wollte, ob die Canon C700 denn auch wirklich gut ist und wie es ist, einen ganzen Block mit zwei Kameras zu drehen.
Was war die zweite Kamera?
Das war die RED Dragon 6K, die sonst immer auf dem Projekt ist. Da war es aber manchmal ein bisschen schwierig, weil wir oft die Auflösung verändern mussten, um in bestimmte Brennweitenbereiche zu kommen. Der Nachteil ist dann, gegebenenfalls Tiefenschärfe zu verlieren, da in den Sensor gezoomt wird. Insofern war es schon angenehm, mit der C700 eine Kamera zu haben, bei der man wusste, dass mit den Brennweiten alles funktioniert. Bei der RED muss man viel mit verschiedenen Auflösungen experimentieren, und das war für die Postproduktion auch nicht immer schön.
Mit welchen Codecs haben Sie gedreht?
Auf der RED haben wir mit RED-RAW aufgezeichnet und auf der C700 mit ProRes 4:4:4 12 bit C-log. Die Postproduktion Schnittwerk Köln hat uns dabei auch schon im Vorfeld unfassbar gut dabei unterstützt, als es um die Frage ging, wie bekommen wir die zwei Kameras unter einen Hut? Wir haben Tests gemacht, und es stellte sich heraus, dass beide Kameras relativ leicht auf ein Level zu bringen waren.
Sonst hätten wir das wohl auch nicht gemacht, denn niemand wollte hier im Grading beziehungsweise in der Postproduktion ein großes Fass aufmachen. Später im fertigen Film konnte keiner mehr einen Unterschied sehen. Dabei war die C700 übrigens einfacher zu graden, weil sie im Farbraum klarer war und bei Hauttönen schneller zu greifen.
Gab es Lichtsituationen, die für beide Kameras eine Herausforderung waren?
Es gibt einen Verhörraum, den wir nur mit einer frei hängenden Neonröhre geleuchtet haben. Die Leuchte war im Bild und hing längs neben dem Verhörtisch, also nicht mittig darüber, und so entstand eine dramaturgisch schöne Licht- und Schattenseite. Das hätte man auf Film nicht einfach mal machen können, und so haben wir beide Kameras schon an ihre Grenzen gebracht. Aber beide haben das gut bewältigt, das kann man schon sagen.
Was ist Ihnen im Umgang mit der C700 besonders aufgefallen?
Nachdem wir die Canon bekommen hatten, haben wir sie erst einmal gemeinsam mit ARRI-Zubehör ein wenig “gepimpt”, so dass wir sie in einen szenisch drehfertigen Zustand bekommen haben. Wir hatten ein Top-Handle und haben auch an der Unterseite mit einer Bridgeplatte aufgerüstet. Man benutzt beim szenischen Dreh gerne die 19er-Rohre, damit man viele Zubehör aus dem Verleih kompatibel machen kann, und es geht auch um das Tragen der Kamera.
Wenn man einen großen Zoom an der Kamera hat, das Kompendium, Filter, Akku, Schärfe, Onboardmonitore – dann hat das schon sein Gewicht und man muss die Kamera auch heben und handhaben können. Diese Vorbereitung war aber relativ unkompliziert, und die Assistenten waren auch ganz glücklich über das Remote-Control-Eingabefeld auf ihrer Seite.
Besonders angenehm fand ich, dass die C700 wie eine ARRI ALEXA sehr leise ist. Im Gegensatz dazu hört sich die RED wie ein Staubsauger an, und wenn man dann bei einer Probe mit dem Ohr nur fünf Zentimeter entfernt ist, dann finde ich das schon unangebracht für eine professionelle Kamera.
Haben Sie Erfahrungen mit der Zeitlupenfunktion der EOS C700 gemacht?
Wir haben bei der Produktion auch Zeitlupen gemacht, aber nur relativ wenige. Wir haben es gemacht und es hat funktioniert. Alles gut. In unserem Codec konnten wir mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde drehen. Wenn wir mit einem weniger hochwertigen Codec gearbeitet hätten, wären bis zu 240 Bilder pro Sekunde möglich gewesen.
Das haben wir ausgetestet, und wenn ich 240 Bilder pro Sekunde gebraucht hätte, dann hätten wir das auch mit diesem Codec gedreht, weil solche Zeitlupenaufnahmen noch einmal eine andere Bildästhetik haben, bei denen man dann auch den schlechteren Codec in Kauf nehmen kann.
Wie sind Sie mit dem RAW-Material in ProRes 4:4:4 umgegangen? Gab es am Set Monitore mit LUTs?
Für die Muster habe ich vorab im Postproduktionshaus Schnittwerk einige LUT’s festgelegt. Es wurden keine Muster gemacht, bei denen jede Szene einzeln vorgegradet wurde, sondern wir hatten für Tag und Nacht und Innen und Außen jeweils ein LUT festgelegt. Eigentlich wie Einlicht-Muster. Darauf haben wir uns verständigt, und das hat auch sehr gut funktioniert. Wir haben keine LUTs und keine Presets in der Kamera vorgeneriert, die dann mitgekommen wären, sondern haben uns auf drei oder vier Presets geeinigt, die auf die Muster gelegt wurden. Beim Dreh selbst habe ich im Sucher und für die Regiecombo einen Rec 709 schalten lassen.
Gab es beim Dreh mit der C700 Dinge, die Sie sich anders gewünscht hätten?
Zunächst einmal auf der positiven Seite: wir waren ja mit die Ersten, die die C700 im szenischen Bereich eingesetzt haben, und es gab keinen einzigen Ausfall oder Probleme. Die Kamera war wirklich extrem zuverlässig. Das ist uns wirklich aufgefallen.
Einige Kleinigkeiten, die wir ändern wollen würden, gibt es natürlich immer. Das meiste dabei betrifft die Firmware. Zum Beispiel liegen im Replay die LUTs nicht auf dem Bild, und man muss RAW anschauen. Es wäre schön, wenn man sich einen Take noch einmal anschaut, den so zu sehen, wie er in etwa aussehen könnte. Das wäre für uns im szenischen Bereich schon sinnvoll.
Wir hätten uns auch gewünscht, dass man die Farbtemperatur stufenlos einstellen kann. Das Gleiche gilt für die Bildfrequenz. Da gab es beim Shutter zum Beispiel nur einige feste Einstellungen, was manchmal ein wenig schwierig war, wenn wir vor einem Monitor gedreht haben. Auch hier hätte uns eine stufenlose Einstellmöglichkeit geholfen. Wahnsinnig toll sind die eingebauten ND-Filter. Hammer. Das würde ich mir bei jeder Kamera wünschen. [4339]