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Kamera-Ausbildung: Hochschulen in Deutschland

KHM Köln: Innovation statt Perfektion

Nach einer zweijährigen Ausbildung als Kameraassistent im DEFA-Studio für Dokumentarfilme studierte Sebastian Richter noch zu DDR-Zeiten an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg und schloss 1989 als Diplom-Kameramann ab. Zunächst arbeitete er freiberuflich überwiegend im dokumentarischen Bereich, legte aber in der Folge seinen Fokus stärker auf Spielfilm und gewann zahlreiche Preise, unter anderem 1998 den Grimme-Preis für „Viel Spaß mit meiner Frau“. Seit 2010 lehrt Richter an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM).

KHM-Dozent Sebastian Richter (Bild: Bernd Siering)

Wie kam es dazu, dass Sie Professor für künstlerische Kamera an der KHM wurden?

Das war mal wieder einer dieser Zufälle des Lebens. Ich traf im Winterurlaub eine ehemalige Kommilitonin, die mir erzählte, in Köln an der Kunsthochschule für Medien würde eine neue Kameraausbildung aufgebaut. Ich hatte schon vorher für zwei Jahre eine Gastprofessur in Babelsberg, und dort wollte man mich auch für länger haben – aber wieder zurück „nach Hause“… das fand ich langweilig. Darauf hatte ich keine richtige Lust. Aber etwas wirklich Neues zu machen, etwas, das es hier vorher nicht gab, fand ich sehr lohnend und spannend. Ich dachte, versuch es einfach, mal sehen was passiert. Und wie das so ist, wenn man wenig erwartet, kann man im Leben sehr positive Überraschungen erleben. Ich bin jetzt seit sechs Jahren an der KHM, habe die erste Generation von Absolventen erlebt, und glaube, wir haben das hier ganz gut eingefädelt. Natürlich gibt es immer Potenzial für Verbesserungen. Aber es lässt sich ganz gut anhand der Absolventen sehen, wie sie sich am Markt behaupten.

Wenn Sie vor sechs Jahren begonnen haben und gerade die ersten Absolventen im Studienschwerpunkt „Kamera“ erlebt haben – dauert die Ausbildung an der KHM tatsächlich 12 Semester?

Es gibt an der KHM zwei verschiedene Möglichkeiten zu studieren: zum einen ein postgraduales Studium, das offiziell über vier Semester läuft. Zum anderen gibt es das grundständige Studium, mit tatsächlich neun Semestern – vom Gedanken her. Die guten Studierenden schaffen es in zehn.

Wir haben an der KHM ja nur einen einzigen Studiengang. Wer fertig ist, geht mit einem Diplom der Kunsthochschule für Medien in der Hand nach Hause, das war’s. Darauf steht nicht, dass man während des Studiums Kamera, Regie oder Installation gemacht hat, sondern man muss sich auf dem Markt mit den Werken, die man herstellt, etablieren. Für Kameraleute läge nahe, das mit Filmen zu tun, es kann aber im Prinzip auch etwas ganz anderes sein. An anderen Schulen ist so etwas durch äußerliche Strukturen vorgegeben. Hier ist das Konzept, dass die Filmleute nicht nur im eigenen Saft schmoren sollen und sich nicht nur ganz speziell mit Film beschäftigen, sondern die Blumen rechts und links vom Weg wahrnehmen, sich inspirieren lassen und gegebenenfalls auch Umwege machen, um die Breite des Lehrangebots hier tatsächlich wahrzunehmen. Diese Gelegenheit zu haben ist, glaube ich, an der KHM einzigartig. Ich wüsste nicht, auch weltweit, wo so etwas ebenfalls möglich wäre.

Höchstes Ziel Kommunikation: Kameraseminar an der KHM. (Bild: Bernd Siering)

Aber ist Kamera denn ausschließlich Kunst? Spielt im Beruf das Handwerk nicht auch eine bedeutende Rolle?

Die Kamera verlangt beides, dass ist schlicht und einfach so. Die Schwierigkeit besteht darin, an welche Stelle man in der Lehrtätigkeit sein Gewicht legt. Wir tendieren hier ziemlich eindeutig, das sagt ja der Name Kunsthochschule schon, den künstlerischen Aspekt des Berufs hoch zu bewerten. Deshalb ist an dieser Schule allen geholfen, wenn die Bewerberinnen und Bewerber sich im handwerklichen Sinne gut vorbereitet haben. Das kann in Form von Praktika, Assistenzen oder in Form von jeglicher Art an Erfahrung an Filmsets geschehen. Wenn der Studienschwerpunkt in Richtung Kamera gehen soll, ist es essentiell zu wissen, was das eigentlich für ein Beruf ist, um die Vorstellung vom Berufsalltag einigermaßen geradegerückt zu haben – und das möglichst vor Aufnahme des Studiums.

Technische Unterweisung ist Bestandteil der Grundlagenseminare. Das ist aber mitunter ein bisschen schwierig, wenn wir in den Seminaren über 30 Leute sitzen haben, von denen die einen mehrere Jahre Set-Erfahrung haben, die anderen von Gymnasium kommen, noch nie an einem Set waren, es ganz toll finden, wenn sie im Fernsehen den roten Teppich sehen, und da auch einmal hinwollen. So breit ist das Spektrum der Studierenden, die hier ankommen. Die eigentliche Schwierigkeit ist, ein Niveau zu finden, auf dem man einsteigt, mit dem man die einen nicht langweilt und die anderen nicht völlig überfordert.

Aber wenn man davon ausgeht, dass Teamarbeit ein   Bestandteil der ganzen Filmarbeit ist, sprich der eine vom anderen auch lernen muss, dann kann es sehr hilfreich und produktiv sein, wenn die Erfahreneren schon von Beginn an dazu aufgefordert werden, sich selbst darzustellen, was sie schon können. Das ist sehr wichtig für die Teamfindung unter den Studierenden. Wir haben auch bemerkt, dass viele sehr junge Studierende durch diese Erfahrung, die sie in der Praxis mit den anderen Studenten machen, ganz schnell wachsen. Das ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen und das funktioniert ganz gut.

Würden sie den deutlichen Fokus auf den künstlerischen Aspekt der Kamera-Arbeit an der KHM als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen?

„Was ist die Einstellung?“:
Studenten brüten
über der Auflösung einer Szene.
(Bild: Bernd Siering)

Nein, das wäre sehr elitär. Bestimmt nicht. Andererseits ist es so, dass wir versuchen, die Studierenden von Beginn an damit zu konfrontieren, nicht nach technischer Perfektion zu streben, sondern eher nach Innovation, und Mangel – denn den gibt es in irgendeiner Form überall – als einen produktiven Motor zu begreifen, der einen zu Innovationen zwingt. Das zu vermitteln, ohne dabei zynisch zu wirken, gelingt hier gut. Und ein zweiter Punkt, der hier an der KHM gut funktioniert: wegen der wenigen vorhandenen Strukturen und der damit verbundenen maximalen Freiheit sind die Studierenden dazu gezwungen, sich ihr Leben und ihr Studium ganz individuell selbst zu strukturieren und zu organisieren. Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt, der an dieser Stelle ein Alleinstellungsmerkmal ist. Diese Freiheit bringt eine große Breite in die Ausbildung und hilft sehr in der Bildung von Persönlichkeiten mit Empathie und Intuition.

Denn unser Beruf hat mit Philosophie und Kunstgeschichte zu tun, er hat sehr viel mit Psychologie und mit dem Erlernen von psychologischen Abläufen in einem Filmteam zu tun, und das sind alles Dinge die wir ständig und immerzu praktizieren, besprechen, analysieren. Da geht es um die Frage „Was ist die Einstellung?“ in der schönen Doppeldeutigkeit dieses Wortes. Jede Einstellung, die ich drehe, ist Resultat meiner Einstellung zur Welt, zu den Menschen vor der Kamera, zu den Partnern neben der Kamera. Das ist ein ganz zentraler Punkt, und da ist Empathie eine ganz wichtige Kategorie. Da geht es um Erfahrungswissen, das man hat, und die eigene Vorstellung von der Welt, die, wenn man es bösartig formulieren würde, letztlich aus Klischees besteht, Voreingenommenheiten, und diese immer wieder zu überprüfen anhand der Realitäten, in die man hineingerät. Ich komme in einen Raum und sehe, da sind zwanzig Leute, da ist ein Lehrer, wie sind hier die Dominanzverhältnisse, stimmt das überein mit meiner Vorstellung von dem, was ich in dem Raum normalerweise erleben würde? Oder gibt es etwas Besonderes? Dieses Besondere dann zu finden und visuell darzustellen – das ist das Geschäft.

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