Hoch oben im Sony-Center thront die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin mitten in der Hauptstadt. Sie ist mit der deutschen Geschichte und der Filmgeschichte verwoben wie keine Zweite Filmhochschule. Wir stellten für unsere Serie zur Kamera-Ausbildung in Deutschland den Studiengang Bildgestaltung / Kamera an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) vor.
Urbaner und zentraler geht es kaum, jedenfalls nicht in Deutschland: Berlin, Potsdamer Platz, Sony-Center, neuntes Stockwerk. Vom Geländer der Balustrade im Helene-Schwarz-Café, tagsüber die Mensa der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, geht der Blick weit in die Tiefe. Unten laufen und sitzen Menschen, schön im Trockenen, geschützt vor dem Berliner Regen, denn der prasselt nur wenige Meter über dem Café auf das Dach des Sony-Centers.
Trotz des recht kontemporären Umfelds gehört die dffb zu den drei am frühesten gegründeten Filmhochschulen in Deutschland. Ab den späten Sechzigerjahren durchlebte die dffb als einer der Brennpunkte der Studentenproteste recht turbulente Zeiten. Nach einem politischen Tauziehen um die Besetzung des Direktorenpostens in der jüngeren Vergangenheit bewegt sich die Akademie nun in ruhigerem Fahrwasser.
In besagtem neunten Stockwerk sind neben der Mensa bis auf das Studio im Keller alle Räumlichkeiten der dffb angesiedelt. Das klingt zunächst einmal recht überschaubar, denn hier befinden sich auch die Editing- und Grading-Suiten. Der Platz reicht jedoch vollauf, denn an der Deutschen Film-und Fernsehakademie Berlin gibt es pro Jahrgang lediglich etwa 34 Studenten, die sich auf die Studienfächer Bildgestaltung / Kamera, Regie, Produktion und Drehbuch verteilen. Im Durchschnitt beginnen jedes Jahr zwischen sechs und acht von ungefähr 400 Bewerbern das Kamera-Studium.
Die Regie-, Produktions- und Kamera-Studenten absolvieren dabei ihre ersten beiden Jahre an der dffb gemeinsam und fachübergreifend. Im ersten Studienjahr dreht und schneidet jeder Student seinen so genannten „Einführungskursfilm“. Dabei wird in einer Gruppe von Studierenden gearbeitet, in der jeder rotierend die Aufgaben Regie, Kamera, Licht und Ton übernimmt. Dabei ist seitens der dffb ein gewisser Wagemut und der Wille zum Experiment gewünscht. Thema, Genre und Herangehensweise sind frei wählbar. Die einzige Vorgabe: der Film muss innerhalb des Berliner S-Bahn-Ringes gedreht werden!
Diese Einschränkung gilt dann zumindest virtuell nicht mehr bei einem Seminar mit dem Titel „Licht und Raum“, denn hier reisen die Studierenden in Gedanken nach Detroit, Sibirien, Manila oder Düsseldorf. Dabei recherchieren und entwerfen sie ein Hotelzimmer, dass sich in der jeweiligen Stadt befinden könnte und bauen es gemeinsam im Studio auf, einschließlich dem Rücksetzer, der den Blick aus dem Fenster des Hotelzimmers zeigt. Danach bekommt jeder Studierende eine bestimmte Lichtstimmung zugeteilt, die dann innerhalb von zwei Tagen eingeleuchtet und gedreht werden muss.
An die zwei Jahre des Grundstudiums schließt sich ein – zumindest nominell – zweijähriges Hauptstudium an, dessen Gestaltung weitgehend in der Verantwortung der Studierenden liegt. Neben den Workshops und Seminaren, zu denen jeweils deutsche wie internationale Dozenten engagiert werden, Masterclasses, dramaturgischen Einzelberatungen, Sonderprojekten und Austauschprogrammen sollen die Studierenden ihre eigenen Projekte und nicht zuletzt ihren Abschlussfilm produzieren. Im Vordergrund steht an der dffb dabei die Entwicklung der Studierenden als schaffende Künstler in der Filmbranche.
Was sind die Unterschiede zu anderen Filmhochschulen? Michael Bertl, Leiter der Abteilung „Bildgestaltung / Kamera“ an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, erläutert im Gespräch, was für ihn persönlich die Antwort auf diese Frage ist .
Michael Bertl studierte zunächst Architektur an der TU München sowie an der TU Berlin und beendete das Studium mit Diplom. Danach begann er die Ausbildung an der Deutschen Film-und Fernsehakademie Berlin und wurde Kameramann.
Ab 1997 hatte er Lehraufträge an verschiedenen Filmschulen. 2011 wurde Bertl Leiter der Abteilung „Bildgestaltung / Kamera“ an der dffb. Gleichzeitig ist er weiterhin als freier Kameramann tätig, zuletzt als DoP unter der Regie von Sandra Nettelbeck beim Spielfilm „Was uns nicht umbringt“. 2014 war er für den Deutschen Filmpreis für den Film „Mr. Morgans Last Love“ in der Kategorie „Beste Bildgestaltung“ nominiert.
Die dffb gehört zu den ersten Filmakademien, die in Deutschland gegründet wurden. Worin unterscheidet sie sich von anderen Ausbildungsangeboten?
Wir sind an vielen Stellen anders. Zunächst einmal sind wir ja nicht wie zum Beispiel München oder Babelsberg eine Hochschule oder Universität. Das heißt: bei uns bekommt man kein Diplom und keinen Bachelor. Man erhält zwar ein Abschlusszeugnis, aber das hat keinerlei akademischen Wert. Das ist schon einmal ein wichtiger Unterschied. Denn es gibt Leute, die glauben, dass man einen akademischen Abschluss braucht. Das halte ich persönlich für totalen Quatsch. Ein Diplom als Regisseur … ich wüsste nicht, wofür man das in unserem Beruf braucht. So ein Zeugnis belegt letztlich nichts, außer dass man eben das Studium absolviert hat. Aber im Grunde zeigen ja die Arbeiten, die man gemacht hat, was man kann. Man braucht schöne, gute Filme! Als Kameramann braucht man einen möglichst guten und inhaltlich wie technisch überzeugenden Abschlussfilm, um überhaupt in den Beruf einsteigen zu können. Man braucht Festivalpräsenzen, damit einen die Anderen sehen. Also ist die eigene Arbeit das wichtigste, und dass sie gesehen wird. Dann geht das Leben weiter.
Gerade ist zum Beispiel Constanze Schmitt, eine unserer Kamera-Studentinnen, aus Cannes zurückgekommen, wo ein von ihr fotografierter Film die Goldene Palme für den besten Kurzfilm erhalten hat. Überhaupt haben wir hier in der Abteilung „Bildgestaltung / Kamera“ einen sehr großen Frauenanteil, wirklich viele tolle, technisch und künstlerisch versierte Bildgestalterinnen.