Wie der „ZDF-Fernsehgarten“, eine der langlebigsten Unterhaltungssendungen im deutschen Fernsehen, produziert wird, hat sich Bernhard Herrmann in unserem Heft 10/2018 angesehen.
Nach einer Ab- und Anmoderation von Andrea Kiewel, die vom Steadycam-Operator aufgenommen wird, geht die Gastgeberin „im On“ zur Bühne 2, wo die nächste Sängerin angekündigt wird. Das Publikum hat jetzt Zeit, sich mit kühlen Getränken von Servicekräften bedienen zu lassen oder an einen Catering-Stand vor den Eingang der Arena zu gehen. Als nächster Programmpunkt folgt Bogenschießen auf dem Sportplatz. Die Orts- und damit auch Perspektivwechsel der über zweistündigen Live-Sendung folgen sehr schnell und nahezu ohne sichtbare Fehler. Am Set stehen eine drahtlose Kamera auf Pumpstativ, die zweite Steadicam, ein Kamerakran und eine Handkamera bereit. Der Sportplatz ist für das Publikum rechts und links außen in Flugrichtung der Pfeile gesperrt.
Während des Talks nach dem Pfeileschießen werden die Kameras vom Sportplatz über die Fahrbahn zum etwa 40 Meter entfernten Swimmingpool geschoben. Dort hat die Aufnahmeleitung bereits das Publikum sortiert, was auf den Stegen sitzt und die Füße in den Pool hängen darf. Die Anmoderation des nächsten Gesangsacts erfolgt aus der Küche. Umschnitt auf die Kamera des zweiten Krans, die den 512 Quadratmeter großen Swimmingpool, der mit 435 Kubikmetern Wasser gefüllt ist, von oben mit dem planschenden Publikum und der Künstlerin auf der rechteckigen Mittelbühne im Pool zeigt.
Am Ende des Liedes steht Andrea Kiewel in der Arena. Dort liegen 100 rote und grüne Chilischoten in zwei Körben, um in beliebiger Reihenfolge auf einem Tisch ausgelegt zu werden. Christiane Stenger tritt auf die Arena-Bühne und erläutert, wie sie sich als Gedächtnisweltmeisterin die Reihenfolge der Schoten in fünf Minuten merken wird, die sie dann auswendig aufsagen muss. Während sich die Wettkandidatin präpariert, tritt Sängerin Zoë mit zwei Musikern am Swimmingpool auf. Die Moderatorin steht auf der Bühne 1 in der Arena und zählt die letzten Sekunden für die Wettkandidatin herunter. Stenger erhält eine verdunkelte Brille und beginnt dann die jeweilige Farbe der Schoten auswendig zu nennen. Die Krankamera zeigt die Arbeitsplatte mit den Chilis von oben und einem Finger der Moderatorin auf der genannten Schotenfarbe in einem DVE als Bildsplitt auf grünem, CI-gerechten Bildhintergrund im oberen TV-Bild. Das zweite Bild unten rechts zeigt die Kandidatin in Großaufnahme beim Nennen der Farben. Das Aufzählen der korrekten Farbenreihenfolge stockt schließlich bei Schote 89. Auch aufmunternder Applaus des Publikums nützt nichts.
Der Steadicam-Operator huscht bei der Anmoderation des nächsten Künstlers etwas von links ins Bild einer geschnittenen Kamera auf Pumpstativ hinein, bei so einer Live-Situation unvermeidlich. Seine Kollegin in der Bildregie reagiert blitzschnell. Die Bildmischerin in der Regie 2 im Sendebetriebsgebäude korrigiert das nach etwa 20 Frames durch Umschnitt auf genau seine Steadicam.
HÖCHSTMASS AN PROFESSIONALITÄT
Der nächste Act wird in bewährter Anordnung mit den Arena-Kameras aufgenommen. Die aktive Rolle des Publikums für die nach außen transportierte Stimmung in so einer Sendung ist nicht zu unterschätzen. Überall ist es im Bild, im Vordergrund, im Hintergrund, es wird absichtlich hineinkadriert, ganz zu schweigen von den Umschnitten in Großaufnahmen. Es beteiligt sich akustisch durch rhythmisches Mitklatschen und mit den oft vom Künstler selbst animierten Armbewegungen.
In den nächsten Programmpunkten wechselt das Geschehen erneut in die Showküche, zurück auf die Bühne 2 zu einem Song, sowie ins Gartenstudio, wo eine Gruppe Holzkünstler auftritt, die Speedcarving betreiben, also Schnitzen mit Motorsägen. Hier wird das Kamera-Set vom Swimming- pool eingesetzt und eine drahtlose Minikamera zeigt die Subjektive eines Holzschnitzers mit Motorsäge.
Nach einer Artistendarbietung auf dem ZDF-Showhügel, einem Gesangsauftritt mit Orchester auf der Bühne 1 geht es zurück in die Küche. Das Verkosten der zubereiteten Speisen im Publikum beginnt und die Kameras drehen sich um 45 Grad nach rechts zur Bühne 2, wo der zweite Auftritt von Christina Stümer als letzter Showact abläuft. Während der „Zugabe!“-Rufe des Publikums, versucht die Moderatorin Kiewel sich in der Steadicam-Kamera von den Zuschauern zu verabschieden. Die Zugabe von Christina Stürmer, unterschnitten von den Highlights der Live-Sendung in Slow Motion, beendet gegen 13 Uhr die Sendung.
„Der ,ZDF-Fernsehgarten‘ ist die aufwändigste Eigenproduktion des ZDF. Hier ist Teamwork gefragt. Sowohl für die Zuschauer als auch das Publikum vor Ort muss jeder Handgriff sitzen. Das setzt ein Höchstmaß an Professionalität voraus“, sagt Christoph Hillenbrand, Teamleiter ZDF-Fernsehgarten & Musik. Schön scharf sahen alle HD-Bilder (720p/50Hz) der Sendung in der ZDF-Mediathek aus. Der unter anderem mit 24 drahtlosen Mikrofonen hergestellte 5.1-Mehrkanalton im Fernsehen entsprach dem Höreindruck in der Arena. Insgesamt 2,29 Millionen Fernsehzuschauer schauten an diesem Sonntag, 19. August, zu und bescherten dem ZDF einen Marktanteil von 19,5 Prozent [6473]
Lesen Sie hier, mit welchem bewährten Konzept das ZDF an die Live-Übertragung des “Fernsehgartens” herangeht.