In der Rubrik “Drei Fragen an” stellen wir in jedem Heft eine Filmschaffende oder einen Filmschaffenden mit drei kurzen Fragen zu Arbeitsschwerpunkt, beruflichem Engagement und Freizeit vor! In der Filmbranche kommt man viel herum. Unsere Gesprächspartnerin für die Drei Fragen in der Ausgabe 11.2019 beschreibt sich selbst als Autorin für Wort, Bild und Ton. Was Gabriele Voss damit meint, erfahren Sie hier.
1. Was ist Ihr Arbeitsschwerpunkt?
Ich habe mehrere Arbeitsschwerpunkte und dazu gehören Stoffentwicklung, Dramaturgie, Montage. Ich bin Autorin, mit Worten, Bildern und Tönen. Ich montiere überwiegend eigene Filme, die zusammen mit Christoph Hübner entstehen. Ich habe für Kino und Fernsehen gearbeitet, vor allem lange Dokumentarfilme gemacht. Ich habe an Hochschulen gelehrt, meist mit dem Schwerpunkt Dramaturgie und Montage. Ich liebe die Literatur, die Musik, die bildende Kunst und die Sprachen, ich liebe die Vielfalt der Formen. In der eigenen Arbeit versuche ich, unerwartete Wege des Erzählens zu finden, und dies nicht deshalb, weil ich um jeden Preis Neues will. Ich denke, das Leben und die Erfahrungen des Lebens sind so reich, so vielfältig und so vielschichtig, so brüchig, geheimnisvoll und rätselhaft, dass es dafür nicht nur eine Erzählform geben kann. Immer gleiche Erzählformen, in die dann die unterschiedlichsten Stoffe gepackt werden, langweilen mich eher. Im Laufe meiner Arbeit habe ich festgestellt, dass die Vorstellungen über das, was Filmmontage ist, in der öffentlichen Wahrnehmung oft unterentwickelt sind. Deshalb habe ich 2006 ein Buch mit dem Titel “Schnitte in Raum und Zeit” verfasst, das übrigens auch selbst eine Art Montage ist. Es geht darum, zu zeigen, dass es bei der Filmmontage nicht einfach um abschneiden und verdichten geht. Filmmontage ist für mich eine komplexe, künstlerische Tätigkeit. Nicht umsonst haben Hitchcock, Buñuel und andere Filmemacher in der Filmmontage ein Wesenselement der Filmkunst gesehen. In meinem Buch nannte jemand die Filmmontage “die zweite Regie”. Das gilt ganz besonders für die Dokumentarfilm-Montage, denn es gibt kein Drehbuch vorab. Die Erzählung, das “Drehbuch” wird in der Montage gefunden. Für mich hat Montage also ganz wesentlich mit Autorschaft zu tun. Meine Arbeitsschwerpunkte kreisen um diese Fragen der Wahrnehmung, des Erzählens, der Autorschaft, der Ästhetik – auch der Welt-Anschauung. Denn man macht sich selten klar, dass in jeder Montage, in allen Erzählformen immer auch eine Haltung zur Welt, um die es geht, miterzählt wird.
2. Sind Sie in einem Verband aktiv?
Ich glaube, dass Filmemachen, wie ich es verstehe, nur möglich ist, wenn man sich zugleich um die Strukturen und Voraussetzungen kümmert, die dafür nötig sind. Das kann in Verbänden sein, das kann in Gremienarbeit stattfinden, das versuche ich auch bei meiner Lehrtätigkeit zu vermitteln: dass man Strukturen, in denen man Projekte realisieren möchte, selber mit schaffen muss und zwar nicht nur für sich allein. Anfang der 1980er Jahre haben wir zum Beispiel das Filmbüro Nordrhein-Westfalen mitbegründet. Es ging damals um die Etablierung von Film-Förderstrukturen, die, wie wir es nannten, „blühende Landschaften der Filmkultur“ landesweit entstehen lassen sollten. Das ist ein Prozess, der niemals zu einem Ende kommt, wenn die Landschaft dauerhaft blühen soll. Oder ich engagiere mich im Beirat der Dokumentarfilm-Initiative NRW, die Symposien und andere Aktivitäten rund um den Dokumentarfilm veranstaltet. Wir haben dort unter anderem eine Buchreihe auf den Weg gebracht, die inzwischen über zwanzig Bände umfasst. Viele Bände rücken Dokumentarfilm-Autoren mit dem ihnen eigenen Arbeits- und filmästhetischen Verständnis in den Mittelpunkt. Das sind für mich Beispiele und Aktivitäten, wie man sich engagieren kann, auch ohne Funktionär in einem Verband zu sein. Das liegt mir eher nicht so sehr.
3. Wofür schlägt Ihr Herz außerhalb der Arbeit?
Ich denke: Leben und Arbeit sind eines, es gibt nicht die Arbeit und dann noch ein übriges Leben. Wenn ich richtig tief in einem Projekt stecke, gibt es kaum etwas anderes, zum Beispiel in den Wochen der Montage, aber auch bei der Entwicklung eines Projektes, bei Recherchen oder beim Verfassen eines Textes. Dann schlägt mein Herz fast nur für die Arbeit. Wenn Projekte abgeschlossen sind, kommen auch andere Dinge hoch, zum Beispiel die Lust auf Literatur, auf Lesen, auf Philosophie und Musik. Ich spiele Klavier, manchmal brauche ich das auch während der Arbeit. Es ist so etwas wie mich selbst justieren, etwas Anderes tun, um dann neu gepolt wieder an die Arbeit zu gehen. Ähnlich geht es mir beim Kochen. Es stört mich nicht, in intensiven Montagephasen selbst zu kochen. Kochen und Montieren haben ohnedies viel miteinander zu tun. Für diese Dinge schlägt mein Herz eigentlich immer, nur haben sie manchmal keine Chance, während der Arbeit genügend zum Zuge zu kommen. Eigentlich ist das Leben eins. Es sind nur Phasen, in denen das eine oder das andere überwiegt. [10489]