Wir stellen die Preisträger des 29. Deutschen Kamerapreises vor
Die Preisträger des 29. Deutschen Kamerapreises: Carsten Piefke
von Timo Landsiedel,
Beim 29. Deutschen Kamerapreis wurde die fünfteilige Dokuserie “Berlin putzt! Dreckige Zeiten” gleich zweimal ausgezeichnet. Carsten Piefke erhielt die Auszeichnung für den Schnitt. Wir haben ihn in Ausgabe 9/2019 zu der Reihe befragt, die in der Basis Berlin Filmproduktion entstand.
Carsten, wie bist du zu “Berlin putzt!” gekommen?
Ich habe für den rbb und die Basis Berlin bereits die zehnteilige Serie “fernOst” geschnitten, die auch Thomas Lütz gedreht hat. Das muss also ok gewesen sein, denn sie haben mich wieder gefragt, ob ich Interesse hätte.
Wie hast du das Material vorbereitet und wie habt ihr das Projekt strukturiert?
Als wir mit dem Schnitt begonnen haben war nur klar, was es für Protagonisten geben wird. Es war nicht klar, wer in welche Folge kommt und wie der Aufbau sein wird. Ich habe dann für jeden Protagonisten eine einzelne Timeline angelegt, die individuell die jeweilige Geschichte erzählt. Schwierig wurde es dann, alles auf fünf Folgen aufzuteilen, da wir einen Rhythmus für die einzelnen Personen, für die Folge und für die ganze Serie brauchten. Wir mussten darauf achten, dass die Tätigkeiten der einzelnen Protagonisten sich unterscheiden, darauf achten, dass man nie das Gefühl hat, alles schon einmal gesehen zu haben. Die Tätigkeiten der Protagonisten haben sich, bedingt durch ihre Arbeit, zu großen Teilen ja wiederholt. Wir mussten es also schaffen, dass jede Folge für sich interessant ist und für jemanden, der die anderen Folgen gesehen hat, nicht das Gefühl aufkommen zu lassen, das kenne ich doch schon. Ich habe dann etliche Tage mit Jan Tenhaven verbracht, der die Regie für alle fünf Folgen gemacht hat, ein gutes Gleichgewicht zu finden. Das war während des Schnittes wahrscheinlich der schwierigste Teil, da das Weglassen oder das Dazunehmen einer Geschichte Auswirkungen auf alle Folgen hatte. In diesem Zeitraum habe ich den armen Jan wahrscheinlich das eine oder andere Mal zur Verzweiflung gebracht, da ich mich dann auch in Kleinigkeiten verlieren konnte, die aber am Ende wichtig waren.
Wie lief die Aufteilung mit deinem Kollegen Ole Werner?
Aufgrund des Zeitdrucks war es von Anfang an klar, dass wir einen zweiten Editor irgendwann brauchen würden. Ole ist ein Freund von mir, dessen Arbeit ich sehr schätze und weiß, dass er eine ähnliche Art hat, Filme zu erzählen. Von daher war ich froh, dass er mich unterstützt hat. Ole hat einige der kleineren Nebenerzählungen mit den Autoren vorgeschnitten, die ich mir dann abends angeguckt habe. Das hat den Vorteil gehabt, dass ich später nicht mehr das ganze Rohmaterial sichten musste und mich auf den Kern der jeweiligen Geschichte konzentrieren konnte und ihn jederzeit fragen konnte, was das Rohmaterial zusätzlich noch hergibt. Ich habe seine Sequenzen dann später so bearbeitet, dass sie von Länge und Rhythmus in die einzelnen Folgen passten. Das war für ihn sicherlich ein wenig undankbar, da später viel neu geschnitten wurde und nur noch der Rumpf seiner Arbeit übrig blieb. Aber ohne ihn hätte ich es in der Zeit nicht geschafft.
Gab es eine individuelle Erzählweise für die Protagonisten?
Ich habe den einzelnen Protagonisten eine bestimmte musikalische Klangfarbe gegeben, das wird wahrscheinlich am deutlichsten bei Volker Reiman, dem Entsorgungsfahrer, aber alles in allem hat jeder Protagonist seinen eigenen individuellen Rhythmus bekommen, nach Persönlichkeit und Tätigkeit.
Hat sich das Konzept des Projekts während deiner Arbeit daran verändert?
Ja, da gab es sehr viel, was sich geändert hat, die größte Änderung war, dass es ursprünglich vier Folgen werden sollten und am Ende waren es fünf, das kommt wahrscheinlich auch nicht so oft vor. Dennoch sind Protagonisten aus der Serie gefallen und einige Geschichten der einzelnen Hauptprotagonisten sind nicht erzählt worden.
Was hat dir am meisten Sorgen bereitet?
Wie immer der Zeitdruck! Wir hatten Anfang September unseren ersten Drehtag und Anfang Februar war der erste Ausstrahlungstermin.
Und was hat am meisten Spaß gebracht?
Die Arbeit in der Basis Berlin ist wunderbar, es herrscht eine entspannte Atmosphäre, die Kollegen sind nett, der Kaffee ist gut und es wird viel gelacht, was ich wichtig finde bei großen Projekten. Es gibt natürlich auch dort Druck, aber es kommt immer darauf an, wie er vermittelt wird. Was die Serie angeht, war es am schönsten, wie ich Tag für Tag die Protagonisten mehr in mein Herz geschlossen habe. Ich mochte sie wirklich alle und finde es schade, dass ich sie nie persönlich kennengelernt habe.
Hast du dich zu irgendeinem Zeitpunkt auch mit Thomas Lütz besprochen?
Thomas und ich waren eigentlich über die ganze Produktion in einem engen Austausch, das hat uns beiden, glaub’ ich, gut getan und für Thomas war es gut, sofort Feedbackzu bekommen. Es gab Momente in der Serie, da hätte ich am liebsten das Rohmaterial laufen lassen, weil es so einen Spaß gemacht hat, es sich anzusehen. “Berlin putzt” war das zweite, größere Projekt mit ihm und ich
hoffe, es war nicht das letzte!
Was bedeutet es für dich, mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet worden zu sein?
Der Preis ist für mich eine riesige Auszeichnung! Ich bin sehr stolz darauf und es ist natürlich auch schön zu sehen, dass man da keinen totalen Mist fabriziert. Der Schnitt kriegt ja in Deutschland generell nicht die größte Aufmerksamkeit, von daher ist einfach toll, dass meine Arbeit auch von anderen wertgeschätzt wird. Nur auf der Bühne habe ich mich unwohl gefühlt. Im Schnitt
ist man die meiste Zeit ja alleine, da können so viele Menschen schon mal unangenehm sein.
Was ist dein aktuelles/nächstes Projekt?
Der nächste Film, den ich schneide ist, “9 Days Awake” basierend auf dem Roman “9 Tage Wach” von Eric Steinfest und Michael J. Stephan. Regie führt Damian John Harper. Das ist ein Film, auf den ich mich sehr freue, zum einen, weil ich die Filme von Damian sehr mag und zum anderen, weil ich ihn von früher her kenne, als er gerade anfing seine ersten Filme zu machen. [9823]