Anzeige
Anzeige
Wir stellen die Preisträger des 29. Deutschen Kamerapreises vor

Planung und Experiment

Beim 29. Deutschen Kamerapreis wurden zwei Nachwuchspreise vergeben. Johanna Sofia Kausch erhielt den von Panasonic gestifteten Preis für ihre Arbeit als Editorin bei der Kurzdoku „Stara Nova Ljubav“, Natascha Vavrina erhielt die von Sigma gesponsorte Auszeichnung für ihre Kameraarbeit beim Kurzfilm „Echo“. Wir sprachen in unserer Ausgabe 11.2019 mit den Preisträgerinnen über die Parallelen beider Projekte, ihre Herangehensweise und das Behaupten in einer Männerdomäne.

Natascha, du hast schon als Jugendliche Kurzfilme gedreht, dann nach einem gestalterischen Propädeutikum Film mit der Vertiefung auf Kamera und Regie an der Zürcher Hochschule der Künste studiert. Johanna, du hast nach der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr in Bolivien gemacht und hier Kinder und Jugendliche in Kontakt mit Kunst – auch Film – gebracht, danach in Offenburg Medien und Informationswesen studiert. Gab es für euch einen auslösenden Moment für die Wahl eurer Gewerke?
Natascha Vavrina:
Ich wusste bis zum Beginn des Filmstudiums nicht, dass die Aufgabenbereiche so klar getrennt sind, weil ich vorher immer alles selbst gemacht habe. Dann war es so im Verlauf des ersten Studienjahres so, dass man sich in Zürich für die Vertiefung entscheiden musste. Da war relativ schnell klar, dass ich Kamera oder Regie – am liebsten beides gleichzeitig – auskundschaften möchte. Ich habe immer gerne Bilder erschaffen, schon als Kind gemalt und fotografiert. Das war also ein natürlicher Prozess.
Johanna Sofia Kausch: Bei mir war es auch so. Dadurch, dass das Studium so breit gefächert war, habe ich auch von der Konzeption bis zur Postproduktion alles gemacht. Bei „Stara Nova Ljubav“ habe ich ja zusätzlich zum Schnitt auch die Kamera geführt und Regie gemacht, beides zusammen mit meinen beiden Kommilitonen Julia Kausch und Demian Pleuler. Weil ich nicht gerne verbal Geschichten erzähle, fühle ich mich im Schnitt besonders wohl. Was man im Schnitt machen kann, ist ohne große Worte eine Geschichte bauen, etwas Zusammenhängendes erzeugen und dadurch den Leuten einen Einblick in die Gedankenwelt der Figuren zu geben. Das schaffen manche auf der sprachlichen Ebene. Ich mache das im Filmbereich durch den Schnitt.

Johanna, woher kam die Zusammenlegung von Kamera und Regie auf drei Personen bei „Stara Nova Ljubav“?
Johanna Sofia Kausch: Das war von Anfang an klar. Zum einen haben wir die Bachelorarbeit zu dritt gemacht. Zum anderen haben wir für unser Portfolio all die Arbeit an der Kamera benötigt. Wir wollten außerdem das Team recht klein halten. Das Kernteam bestand aus fünf Leuten beim Dreh. Zwangsläufig war es so, dass man in allem voll drin ist und auch unterschiedliche Aufgaben übernimmt. Es war eine bewusste Entscheidung, dass wir das so geregelt haben was, auch sehr gut funktioniert hat.

Aber trotz des gleichen Nachnamens kanntest du Julia nicht vor dem Studium, richtig?
Johanna Sofia Kausch: Das ist richtig, wir sind nicht verwandt. Wir kennen uns durch das gemeinsame Studium und haben mittlerweile auch eine gemeinsame Filmproduktion, Silberhorn Film.

Wie habt ihr die Arbeit zu dritt aufgeteilt?
Johanna Sofia Kausch: Im Atelier gab es drei Drehtage. Jeder von uns hat einen Tag Kamera gemacht, die anderen dann Regie und Licht. Wir haben uns natürlich die ganze Zeit ausgetauscht.

„Stara Nova Ljubav“ ist anfangs geprägt von sehr organischen Matchcuts und Overlays. Habt ihr in der Planung die Übergänge schon in der Kamera vorbereitet?
Johanna Sofia Kausch: Wir haben beides gemacht. Overlays und Lightleaks gezielt in der Kamera schon aufgenommen, aber auch in der Postproduktion viel mit mehreren Ebenen gearbeitet. Wir haben mit der Protagonistin Laura das Konzept mit ihrem Off-Text im Vorhinein erarbeitet und haben eine inhaltliche Timeline gemacht, was wann passiert. Dann haben überlegt, in welcher Lebensphase sich Laurain den unterschiedlichen Abschnitten im Interview befand. Wir hatten kein Storyboard dafür, das hat uns während des Drehs Raum gelassen, kreativ zu werden. Wir haben nicht alle Übergänge geplant, vieles hat sich dann im Schnitt ergeben.

Bei einer Designerin, die Kleidung macht, gibt es Schnitte, da drängt sich die Metapher zum Filmschnitt auf. Habt ihr das genutzt?
Johanna Sofia Kausch: Eine Metaphorik gab es schon, aber nicht in diese Richtung. Wir waren immer nah an dem Charakter von der Laura, wie wir sie erleben, dass sie von Natur aus eine ruhige und bedachte Person ist, die sich nicht so richtig traut, mit ihrer Kunst nach draußen zu gehen. Das wollten wir zeigen.

Apropos Metaphern und Symbolik. Natascha, bei „Echo“ von Regisseurin Jelena Pavlovic geht es um das Unterbewusstsein. Wie kamst du zu dem Projekt und wie hast du dich darauf vorbereitet?

Natascha Vavrina: Jelena hat mich angefragt, ob ich bei ihrem Abschlussfilm die Kamera führen möchte. Ich hatte zuvor schon mit ihr zusammen gearbeitet und wir schätzen es, miteinander zu arbeiten. Sie hat mir einen Entwurf ihres Drehbuchs und ihr Dossier geschickt. In diesem Entwurf standen viele wirre Dinge, etwas von Regen in einem riesigen Haus und überall diese Räume, plötzlich wurde es zur Fabrik, dann war es ein Krankenhaus und plötzlich ist man an einer Bushaltestelle, es klang wie ein Traum oder ein Alptraum, aber auf eine gute Art und Weise – ich habe gleich zugesagt, weil es nach einem grossen Abenteuer klang.
Wir haben im Vorfeld viel über das geredet, was sie erzählen möchte. Denn das Drehbuch wird von Parallelen zu ihrem eigenen Leben getragen, darum war es mir wichtig zum emotionalen Kern der jeweiligen Szenen vorzudringen um sie richtig erzählen zu können. Sie hat mir Geschichten erzählt, wie es zu den jeweiligen Szenen kam, was das für ein Gefühl für sie war. Zum Beispiel die Überforderung in dem Krankenzimmer. Dann habe ich ihr Vorschläge gemacht, wie man das verbildlichen kann. Die Bewegungen wurden sehr genau im Voraus geplant.
Selbstverständlich habe ich für alle Szenen Overheads und Shotlisten gemacht, auch ein Storyboard habe ich gezeichnet. Jedem einzelnen Beleuchter habe ich ein kleines Büchlein mitgegeben auf den Dreh. Wir hatten so viele Beleuchter zu koordinieren, sogar drei verschiedene Oberleuchter, weil wir in mehreren Fabrikhallen drehten und parallel vorbauen mussten. Darum musste jeder Einzelne genau wissen, was als nächstes kommt.

Bei der Preisverleihung brach euer Interview an der spannendsten Stelle ab, als du, Natascha, darauf hingewiesen hast, dass ihr die einzigen Frauen unter den Preisträgern seid. Wo ist euch die mangelnde Gleichberechtigung im Job begegnet?
Natascha Vavrina: Das ist natürlich eine Thematik, die einem am Markt sehr oft begegnet, dass man darauf reduziert wird, dass man eine Frau ist und aufgrund dessen nicht mal eine Kamera tragen können soll. Das ist absurd. Diese Geschlechterfrage finde ich schwierig. Man wählt ja eine Person für die Produktion aus wegen der Qualität der Arbeit, nicht wegen des Geschlechts. Es konnte in der Vergangenheit ein Nachteil sein, in einem technischen Beruf als Frau unterwegs zu sein, weil man einfach nicht ernst genommen wurde.
Aber ich glaube, heute befinden wir uns in einem Umschwung und natürlich ist die Auszeichnung mit dem Deutschen Kamerapreis ein Beweis dafür. Ich bin dankbar, dass wir diese Chance erhalten haben, als Frauen diesen Preis zu gewinnen und so sichtbar zu sein – vor allem an einem Abend, an dem sonst nur Männer ausgezeichnet wurden. Bei mir war frappant, wie sehr sich alle Frauen in der Branche mit mir gefreut haben! Das zeigt auch den Zusammenhalt, der sich untereinander entwickelt und das freut mich sehr.
Johanna Sofia Kausch: Ich bin seit 2016 selbstständig mit einer Filmproduktion und ich habe da schon oft das Gefühl, dass man sich als Frau, gerade was das Geschäftsbeziehungen und Verhandlungen angeht, deutlich mehr behaupten muss. Frauen können die gleiche Arbeit machen wie Männer. Aber es ist ja auch mit Zahlen belegt, dass Kamerafrauen in der Filmbranche immer noch schlechter bezahlt werden. Das ist ein großes Problem. Ich wünsche mir, dass die kreative Arbeit mehr geschätzt wird und dass die Kreativen sich zusammentun – auch über Organisationen hinweg. [10659]

Das vollständige Interview können Sie hier nachlesen!

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.