Anzeige
Anzeige
Weltreisefilm mit Minimalequipment

Socke am Mikro

Weltreisefilme haben Konjunktur. “Blown Away” dokumentiert die Reise der beiden Tontechniker und Musiker Ben Schaschek und Hannes Koch. In vier Jahren nahmen sie in 31 Ländern 130 Songs auf und sammelten neben Weltmusik auch noch 1.500 Stunden Filmmaterial. In unserem Heft 11.2019 erzählten sie von ihren musikalischen und filmischen Abenteurern. 

(Bild: Sailing Conductors)

Wie hat euer Projekt begonnen?
Ben Schaschek: Wir haben uns beide 2008 in Berlin beim Tontechnikstudium kennengelernt und haben ein Jahr zusammen studiert. Dann bin ich nach Australien gegangen, um meinen Bachelor zu machen. Hannes ist in Berlin geblieben.
Anderthalb Jahre später konnte ich meinen Rückflug nicht mehr wahrnehmen. Mein Studium hat länger gedauert als gedacht und ich hätte mir ein neues Flugticket buchen müssen. Ich war genervt, bin runter zum Strand und habe da am Horizont ein Segelboot gesehen. Warum nicht ein kleines Segelboot kaufen und nach Hause segeln? Einziges Problem: ich konnte gar nicht segeln. Aber die Idee war geboren, nach Hause segeln, irgendwie kriege ich das schon hin. Als ich Hannes davon erzählt habe, wollte er sofort mit.
Hannes Koch: Ich war eigentlich der Typ, der gar nicht reisen wollte und Urlaub immer gehasst hat. Aber uns war sofort klar, dass wir auf alle Fälle ein Projekt draus machen und Musik aufnehmen wenn wir zusammen reisen und an so vielen Orten vorbeikommen. Wir wollten Musiker aufnehmen und die Aufnahmen aus verschiedenen Ländern verbinden. So würde zum Beispiel ein Song mit einem Gitarristen aus Australien, einem Schlagzeuger aus Südafrika und einem Bassisten aus Papua Neuguinea entsteht. Ein Song von Leuten, die sich eigentlich nie getroffen haben und deren Aufnahmen wir von Land zu Land gefahren haben. Weltmusik im wörtlichen Sinne. Die Magie daraus, was es bedeuten könnte, war für mich der Grund mitzukommen. Es konnte etwas Einmaliges werden. Und als Musikproduzent, was ich werden wollte, muss man etwas vorzuweisen haben und das war dieses Projekt. Dann ging es los. Wir sind also jetzt Musikproduzenten, obwohl wir nicht in Studios arbeiten. Ein Film war eigentlich gar nicht auf der Agenda. Wir haben die Kamera nur mitgenommen, um die Musiker zu filmen und um zu beweisen, dass wir sie auf der ganzen Welt aufgenommen haben. Am Anfang haben wir uns auch beide gefilmt, um den Eltern etwas nach Hause schicken zu können Dann wurden wir zu einem Interview bei einem deutschen Fernsehsender eingeladen, die fragten “Habt ihr noch mehr davon, mehr von euch, das interessiert die Leute. Macht mehr von euch und wir machen eine Serie!” Wir haben dann die Produktionsfirma Jackhead in Berlin gefunden, und das lief dann viermal eine halbe Stunde auf EinsPlus. Eigentlich sollten es dreißig Folgen werden, aber dann ist der Sender abgeschafft worden. Dann haben wir den Weltreisefilm “Weit” gesehen und dachten, wenn die daraus einen Film gemacht haben, der so einen Erfolg hatte, dann können wir das auch. Anscheinend funktioniert das!

Wie begann die Reise und ab wann habt ihr gedreht?
Ben Schaschek: Viel Segelerfahrung hatten wir ja nicht. Ich hatte 15.000 Euro von meinem Opa geerbt. Das Boot hat 11.600 Euro gekostet. Es war das billigste Segelboot, das wir auf Ebay finden konnten. Das haben wir ungesehen gekauft und sind dann auf die Salomon-Inseln geflogen, wo das Boot lag. Die Anfänge waren natürlich sehr anstrengend, besonders die erste Überfahrt: Segel sind gerissen, Batterien und GPS sind ausgefallen. Wir hatten nicht genug Wasser und sind drei Wochen später mit einem halben Liter angekommen. Die Reise sollte nur eine Woche gehen. Ich hatte mich bei der Routenplanung völlig verkalkuliert, aber dann sind wir doch irgendwie angekommen.

Wie habt ihr die Musiker getroffen?
Hannes Koch: Musiker gibt’s überall. Mit Strassenmusikern ist es schwierig, weil sie immer sofort Geld haben wollen. Sie verdienen halt ihren Lebensunterhalt damit. Aber sobald man einen Musiker hatte, hatte man auch alle seine Freunde, denn es hat sich herumgesprochen, dass wir Musik aufnehmen. Wir haben offen gesagt, dass wir ein Projekt machen und erst einmal nichts zahlen können. Wenn aber in Zukunft Aufnahmen entstehen, würden sie natürlich mitbeworben und bekämen einen Anteil der verkauften CDs. Für die Musiker ist es ja auch immer ein entspannter Tag gewesen: bisschen Mucke machen und eine coole Zeit haben.

Habt ihr bewusst mit Umweltgeräuschen aufgenommen?
Hannes Koch: Wir haben uns schöne Orte gesucht, ein Ort der ein ruhig ist, so dass die Nebengeräusche ein wenig kontrollierter sind. Wir hatten die ganze Zeit mit Wind zu kämpfen. Die beste Investition wäre gewesen, wenn wir uns ordentliche Windpuschel geholt und nicht irgendwelche Socken und Mützen verwendet hätten.

Ihr habt eine Unmenge an Musik gesammelt.
Ben Schaschek: Wir haben unsere Lieblingsstücke, an denen wir auch weiterarbeiten wollten. Je nachdem welchen Musiker man trifft, zum Beispiel einen Schlagzeuger, dann haben wir überlegt, welche Songs schon weit genug sind. Wo brauchen wir ein Schlagzeug? Es ist immer ein Experiment. Man weiß nie genau, wie gut ist der, was gibt er dem Song mit. Es war immer wieder eine Herausforderung. Aufgrund unseres Hintergrunds haben wir ein Verständnis für Instrumente, können ja auch ganz viele Instrumente spielen und machen seid Kinderzeiten selber Musik. Wir haben ungefähr 130 Songs aufgenommen und haben jetzt zwei Musikalben mit 30 Songs wirklich fertig . Aber wir haben die Rucksäcke noch voll mit unvollendeten Song für das dritte oder vierten Album.

Welche Technik habt ihr eingesetzt?
Hannes Koch: Die Tontechnik war relativ einfach. Wir hatten ein Macbook und eine Soundkarte. Am Anfang war das eine Zwei-Kanal-Soundkarte aus der Zeit, als ich 14 war. Später hatten wir ein Zoom Interface mit acht Mikrofonvorverstärkern. Ich hatte ein RE-27-Mikrofon von Elektrovoice dabei, das ganz gut war. Benni hatte noch ein Kondensatormikrofon, aber das haben wir nur relativ selten am Anfang benutzt. Dann haben wir uns in Indonesien zwei Kondensator-Stäbchenmikrofone geholt, um auch mal Stereoaufnahmen zu machen. Das waren die schlimmsten Mikrophone der Welt. Jahre später haben wir dann AKG C451b Kleinmembran-Mikrofone beschafft. Als ich die verglichen habe, mit dem Bewusstsein, was wir schon alles aufgenommen hatten, habe ich fast angefangen zu weinen, was wir an Qualität verloren haben. Dann noch ein paar Kabel und Mikrophonständer. Und die Kameratechnik. Das einzig erschwingliche war eine Nikon D 3000, die wurde uns aber geklaut. Dann hatten wir die Nikon D 5100 und eine Sony NEX VG10. Von unseren Produzenten bekamen wir später eine Lumix GH3 und irgendwann auch eine GH4. Die erste Kamera wurde uns in Thailand geklaut. Wir mussten aus dem Hostel raus und in ein anderes Hostel ziehen Wir wollten in Sichtweite unseres Gepäcks ein Bier trinken. Irgendwann sind wir ins Hostel gezogen und haben gesehen dass die Kameratasche leer war. Die zweite Kamera ist mir in Berlin geklaut worden, als ich kurz eingepennt bin in der Bahn, die ganze Tasche war weg. Sehr gut drehen konnten wir in Kuba. Obwohl mit Stativ und Kamera und Mikro drauf haben wir die Leute einfach so gefilmt. Da hat keiner in die Kamera geschaut. Das war easy, geile Bilder von Menschen zu machen, die Leute haben dich einfach überhaupt gar nicht gesehen, weil die nicht wussten das es inzwischen Kameras gibt, die filmen können. Die haben nur komisch geguckt weil wir barfuß rumgelaufen sind.
Ben Schaschek: Wir haben begonnen mit der GoPro 1, als die gerade auf den Markt kam, im März 2011. Danach hatten wir alle weiteren GoPros bis hinauf zur GoPro 4. Am Schluss besaßen wir die Lumix GH3 und GH4 plus zwei GoPros. Das war unsere Technik, und mit der machen wir Kino!
Hannes Koch: Wenn ich die Reise nochmal machen könnte, würde ich drauf achten dass die Wackler weg wären.
Ben Schaschek: Was für schöne Shots hätten wir mit einem Gimbal oder einer Drohne, machen können. Hatten wir aber nicht. Dafür ist “Blown Away” einer der wenigen Filme von 2019, die ohne Gimbal und Drohne gedreht sind. Insgesamt entstanden 1.500 Stunden Material. Das ist mehr als zwei Monate durchgehend gucken, 24 Stunden am Tag. [10667]

Mehr lesen? Das komplette Interview finden Sie hier!

Anzeige

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ein interessanter Bericht. Aber eine Frage zum Studium der Tontechnik. Lernt man heute nicht mehr, wofür ein Windschutz gut ist und wie sich Mikrofone qualitativ unterscheiden?
    Alois

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.