Digitale Formate (5): Hybrider Content – Foto und Video
Zusammengerückt
von Timo Landsiedel,
Wer heute flexibel Bewegtbild produziert, hat vermutlich in seiner Ausrüstung als B- oder C-Kamera eine DSLM oder DSLR. Bei einigen sind diese Kameras bereits zur A-Kamera avanciert. Was liegt da näher, als Dienstleistung auch Fotografie anzubieten? Das kann jedoch schnell nach hinten losgehen, denn Können und Know-how sind unterschiedlich. Wir sprachen in unserem Heft 9.2020 mit einem Filmemacher, der Fotos macht und einem Fotografen, der Bewegtbild dreht, über ihre Erfahrungen.
Die Annäherung von Video und Foto zeichnete sich schon früh ab. Mit der rasant fortschreitenden Entwicklung der digitalen Sensoren in Fotokameras über die 2000er Jahre hinweg war es nur eine Frage der Zeit, bis hier auch Bewegtbild möglich sein würde. Den filmenden DSLR folgten die filmenden DSLM, die Kameras werden stets kleiner und können immer mehr. Aber natürlich machen sie auch immer noch hervorragende Fotos. Die technologische Entwicklung verlief immer parallel zur Diversifizierung der Kameraberufe, das Portfolio vieler Fotografen erweiterte sich um Bewegtbild, viele Videografen machen auch Fotos bei ihren Projekten. Kommt beides gleichzeitig zum Einsatz, ist das eine doppelte Herausforderung, man spricht von hybridem Content.
Veränderte Berufsbilder
„Für mich ist es hybrider Content, wenn ich Foto und Video in einem Setting umsetze – ohne Umbau“, sagt Samuel Kumanan. Der Bochumer bezeichnet sich selbst als Content Creator. Er ist Autodidakt und kam über die Musik zum Film. Er drehte 2009 mit 16 Jahren und einer geliehenen Kamera sein erstes Musikvideo für Rapper aus der Nachbarstadt. Er verdiente sich durch Partyfotos schon während der Schule etwas dazu, fing ein Studium der Technischen Informatik an, das ihm jedoch zu theoretisch war. „Ich wollte immer da draußen mit den Menschen in Kontakt sein“, so Kumanan.
Ab 2015 konzentrierte er sich auf den Bau von Webseiten und erwarb so Kenntnisse von Content-Management-Systemen sowie den Gesetzen im Netz. Heute liegt sein Arbeitsschwerpunkt auf Bewegtbild, doch er bietet immer noch sehr gern Komplettpakete an und übernimmt dann alles von Webseitenerstellung, Kommunikationstipps, Bewegtbild, Fotos bis zur Musikkomposition. Vor allem die Kombination Foto und Video wird immer wieder gebucht. „Ich glaube, diese Art zu arbeiten ist am Puls der Zeit. Kunden, die Fotos haben wollen, brauchen heutzutage meist auch Videos – vor allem für Social Media.“
Der Fotograf Gero Breloer sieht das genauso. „Früher wurde ich für ein Fotoshooting gebucht und gefragt, ob ich auch filmen kann. Heute ist das umgekehrt.“ Der Ber- liner ist ebenfalls Autodidakt und seit 30 Jahren in der Fotografie unterwegs. Als Schüler begann er seine Laufbahn bei der Lokalzeitung und fotografierte Sportevents. „Ich habe schon während des Abiturs mehr für die Zeitung gearbeitet als für die Schule“, sagt Breloer. Er kam von der Lokalzeitung über die Regionalzeitung und Fachmagazine zum Newsbereich. Ab 1995 war er fester freier Mitarbeiter bei der Deutschen Presseagentur DPA. Für die machte Breloer vor allem viel Sportberichterstattung, ob Radsport, Formel 1, Leichtathletik oder Schwimmen, im Winter die Nordische Ski-WM oder Olympia. Parallel zu dieser Arbeit begann er, einen Kundenstamm an Geschäftskunden aufzubauen. Als er 2009 – immer noch als Freiberufler – zur Associated Press wechselte, baute er diese Kunden weiter aus.
Der erste Kontakt zu Film kam 2009, als Nikon ihn bat, bei einem Vortrag in Barcelona auch die Filmfunktionen der D3s vorzustellen. „Da habe ich zwei wichtige Dinge gelernt“, erinnert sich Breloer. „Einerseits wie wichtig die Tonebene und die Bewegung für das Erzählen sind. Und andererseits, dass es immer auf die Story ankommt.“
Hybrid – wie funktioniert das?
Die Arbeitsweise von Kumanan und Breloer unterscheidet sich teilweise stark. Das hat einerseits damit zu tun, dass sie aus zwei unterschiedlichen Generationen stammen. Vielmehr Einfluss jedoch haben ihre vorigen Berufsfelder und die dort vorherrschenden Wege zum Kunden. Wo Breloer den klassischen Aufbau eines Kundenstamms betrieb, setzt Kumanan sehr stark auf Empfehlungen und aktives Netzwerken. Dafür gründete er sogar mit seinem Mitstreiter Ronny Hanatschek einen Co-Working-Space in Bochum. Das größte Problem bei hybriden Projekten vor Ort am Set sehen beide Realisatoren gleich: Die Gefahr ist, sich zu verzetteln.
Breloer macht deshalb Video und Foto selten in Personalunion. „Ich übernehme dann den Teil, der mir komplexer erscheint und führe dann bei beiden sozusagen Regie“, sagt Gero Breloer. Ein hinzu gebuchter Video- oder Fotograf führt dann den anderen Teil aus. Häufig jedoch ist es die Fotoarbeit, die Breloer selbst macht. Er fotografiert die Menschen oder die Situation, inszeniert diese und lässt das von seinen Kollegen filmen. Das hat noch einen weiteren Vorteil: „Wenn ich Anweisungen gebe, schauen Models zu mir, also in die Kamera. Das wird eher akzeptiert als ein Blick in die Videokamera.“ Breloer arbeitet mit der Canon 5D Mk IV als Foto- und Videogerät. Beide Aufgaben zusammen übernimmt Gero Breloer nur dann, wenn er eigener Aussage nach den Kunden sehr gut kennt. „Sonst diskutierst du jedes Bild“, ist er sich sicher. Außerdem will er dann die Shootingsituation steuern können. Daher kommen hierfür keine News oder Veranstaltungen infrage, eher PR-Shootings von geringer Komplxität. Reine Produkt- oder Modelshootings funktionieren auch. Um zu vermeiden, dass am Ende nicht Schnittbilder fehlen oder eine wichtige Einstellung nicht gemacht wurde, strukturiert Breloer den Auftrag so, dass er zuerst das Fotoshooting macht. „Währenddessen kann ich in der Situation Erkenntnisse darüber gewinnen, was in der filmischen Umsetzung funktionieren wird und was nicht“, so Breloer. Dieser gedankliche Prozess ist wichtig für ihn. „Ich fotografiere anders als ich filme.“ Vor allem bei diesen Jobs ist für den Fotografen die Kommunikation mit dem Kunden wichtig: Was ist die Priorität, Film oder Foto? [13261]