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Wir stellen die Preisträger des 30. Deutschen Kamerapreises vor (3)

Verschwinden in der Dunkelheit

Wir setzen unsere Reihe mit den Preisträgerinnen und Preisträgern beim 30. Deutschen Kamerapreis fort. In unserem Heft 10.2020 sprachen wir mit Dunja Engelbrecht, die für die beste Kamera bei einer Dokumentation ausgezeichnet wurde.

Dunja Engelbrecht, 1986 in Winsen an der Luhe geboren, absolvierte nach einem Bachelor of Arts in Film und Fernsehen an der Hochschule Mittweida ein siebenmonatiges Unterwasserkamerapraktikum beim Hydra-Institut auf der italienischen Insel Elba. 2012 begann sie ein Kameravolontariat beim Hessischen Rundfunk in Kassel, wo sie im Anschluss bis Mitte 2015 auch als Kamerafrau arbeitete. Seit Juli 2015 ist sie freiberuflich als Kamerafrau tätig und ist für ihre Dokumentationen weit herumgekommen. Die Spanne der Orte reicht von Kanada und der Karibik über das Vogtland und Elba bis nach Lettland und Bosnien.

Was bedeutet die Auszeichnung mit dem Deutschen Kamerapreis für dich?
Es ist eine wahnsinnig große Auszeichnung, die größte, die man in unserem Bereich in Deutschland bekommen kann. Es ist zum einen die Bestätigung, dass man das, was man macht, ganz gut macht und auch eine Belohnung dafür, so sehr für jedes Bruchstückchen der Geschichte und jedes Bild gekämpft zu haben – und auch generell, dass sich jede Anstrengung gelohnt hat, um jetzt da zu sein, wo ich bin. Ich erhoffe mir auch von dem Preis, dass er so etwas wie ein Aushängeschild oder Qualitätssiegel ist und mir hilft, weiterhin tolle Projekte zu machen, aber auch vielleicht Türen zu neuen Formaten zu öffnen.

Was war für dich das Schwierigste bei den Dreharbeiten?
Die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten war, dass unsere Protagonisten mit ihrer Alkoholsucht zu kämpfen hatten. Es war dadurch sehr schwierig, verlässliche Absprachen mit ihnen zu treffen, oft waren sie nicht in einem drehfähigen Zustand. Das hat zum einen das Arbeiten erschwert, aber auch inhaltlich wollten wir nicht, dass das Alkoholproblem zu sehr im Vordergrund steht. Es gehört zwar zu ihrem Leben dazu, sollte aber auf keinen Fall verdecken, was für zauberhafte Menschen sie sind. Am Anfang waren sie auch recht misstrauisch, hatten ihren eigenen Kopf und wollten sich bei vielen Dingen nicht drehen lassen. Wir mussten erst ihr Vertrauen gewinnen, bis sie sich geöffnet haben und sich bei privateren Dingen haben drehen lassen. Das ging nur darüber, viel Zeit mit ihnen zu verbringen, im Zweifel auch erst einmal ohne Kamera.

Worauf lag dein Hauptaugenmerk bei dem Projekt?
Mein Hauptaugenmerk lag darauf, unseren Protagonisten möglichst nah zu kommen und einen sehr intimen Blick in ihr Leben zu zeigen. Es zu schaffen, dass der Zuschauer nicht denkt, ach die primitiven Waldläufer, sondern ihren Witz, ihre Cleverness und ihre Liebenswürdigkeit zu zeigen und Bewunderung und Respekt für sie und ihre Arbeit zu erzeugen. Dieser Ort und diese faszinierenden Menschen, das war so ein surreales Setting, als wäre man in einer anderen Zeit gelandet. Diese Stimmung wollte ich mit meinen Bildern einfangen und transportieren.

Dunja Engelbracht wählte einen kühlen, kontrastreichen Look für rauen Alltag und düsteren Wald.

Wie waren die Rahmenbedingungen des Drehs?
Wir hatten acht Drehtage und waren zu viert vor Ort: Autorin, Kamera, Tontechnikerin und Stringerin. Ich habe auf der Varicam LT im V-log gedreht. An Optiken hatte ich die Sigma Cine Optik 18-35 mm, Canon 24-70 mm und Canon 70-200 mm im Einsatz. Das Tolle war, dass ich bei diesem Projekt zusammen mit dem Editor das Grading machen durfte. Ich hatte vorher verschiedene Looks am Material ausprobiert und diese dann zum Graden mitgebracht. Ich wollte einen Look, der die Atmosphäre dort widerspiegelt und betont: den düsteren Wald, den rauen Alltag der Protagonisten und ihre ungewisse Zukunft. Ihre rußverschmierten Charaktergesichter sollten noch besser zur Geltung kommen. Dafür haben wir einen sehr kühlen kontrastreichen Look gewählt, bewusst Dinge in der Dunkelheit verschwinden lassen. Diese Mühe hat sich auf jeden Fall ausgezahlt, ich bin oft explizit auf den Look des Films angesprochen worden.

Deine Spezialgebiete sind Dokumentationen und Reportagen. Wie bereitest du dich auf solche Dreharbeiten vor?
Ich bespreche mit den Autoren, was und welche Situationen wir voraussichtlich drehen werden und wie der Stil des Filmes sein soll. Dann überlege ich, wie man das bildlich am besten umsetzen kann und welche Technik sich dafür am besten eignet. Wenn es Formate sind, die ich noch nicht gedreht habe, schaue ich mir die vorher an. Letztendlich ist bei Dokumentationen und vor allem Reportagen aber vieles gar nicht planbar. Meist ist dann doch vieles anders, als man sich das vorgestellt und geplant hatte. Die große Kunst ist, sich darauf einzulassen was die Wirklichkeit einem bietet und das bildlich bestmöglich einzufangen.

Was war dir für dich bei diesem Projekt wichtig?
Besonders toll fand ich die langsame Erzählweise, wodurch man den Protagonisten sehr nahe kommen konnte und man auch viel mehr Möglichkeiten hatte, die Bilder wirken zu lassen und über die Bilder eine besondere Stimmung zu kreieren. Es hat mir auch wieder gezeigt, wie wichtig die Teamarbeit für jedes Projekt ist. Es muss einfach innerhalb des Teams stimmen und jeder Einzelne ist wichtig für das Endprodukt. Die Autorin und ich haben die gleichen Vorstellungen und sind da auf einer Wellenlänge. Auch der Rest des Teams war voll motiviert und hat an einem Strang gezogen. Nur in so einer Konstellation ist es möglich, eine Geschichte bildlich und inhaltlich besonders zu erzählen. [13405]

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