DoP Markus Förderer im Podcast „Hinter der Kamera“
Über die Grenzen hinaus
von Timo Landsiedel,
Für unser Heft 5.2021 war DoP Markus Förderer zu Gast im Podcast „Hinter der Kamera“. Der Kameramann folgte nach seinem Abschlussfilm „Hell“ von Regisseur Tim Fehlbaum dem Ruf Roland Emmerichs und drehte fortan viel international. Für „Tides“ kehrte er zu seinen Wurzeln zurück und arbeitete erneut zusammen mit Fehlbaum. Im Podcast sprach er mit Gastgeber Timo Landsiedel über seine Anfänge und seine Vorliebe, sich in eine Sache hineinzufuchsen.
Markus Förderer hat den Traum vieler Kameraleute hinbekommen: vom Abschlussfilm weg nach Hollywood geholt. So klingt das ganz wunderbar. Aber der Weg war etwas komplizierter und zeugt vor allem von harter Arbeit und seiner außerordentlichen technischen Versiertheit. Förderer wuchs in Baden-Württemberg auf. Schon im Jugendalter begann er sich für Fotografie zu interessieren, das über einen Umweg. Zur Jahrtausendwende bringt er sich das damals neue Photoshop bei. Doch ihm fehlen vernünftige, hochaufgelöste Fotos, mit denen er arbeiten kann. Also kauft er sich kurzerhand selbst eine günstige Digitalkamera und beginnt zu experimentieren. „Die hatte noch ein festes Objektiv, was mir irgendwann auch zu starr war“, erinnert sich Förderer. Über die digitale Arbeit kommt er auch zur analogen Fotografie, zum Entwickeln und zu den technischen Feinheiten. Hier lernt er viel über Belichtung und was bei Dunkelheit noch auf dem Material ist und was nicht.
Hartnäckigkeit
Nach der Schule zieht es Förderer ans Filmset zu ersten Praktika. Seine ersten Bewerbungen an der Filmakademie in Ludwigsburg, aber auch an anderen Orten in Deutschland werden abgelehnt. Manchmal lag das an zu wenig Setpraxis, bei anderen Schulen weiß Förderer bis heute nichts über die Gründe. „So ist es ja beim Filmemachen oder bei jeder kreativen Tätigkeit, da gibt es nicht den einen, direkten Weg“, sagt der DoP. „Und eine gewisse Hartnäckigkeit gehört dazu.“
Nach weiteren Praktika und Jobs kam er schließlich nach München. Hier arbeitete er im ARRI Kameraverleih, las nebenher viel über Film und Technologie, sah Filme und ging schließlich 2007 an die Hochschule für Fernsehen und Film. „An diesem Punkt wusste ich einfach: Das will ich wirklich machen. Das ist das Einzige, was mich interessiert“, sagt Markus Förderer. „Und die Filmhochschule gibt einem noch einmal vier Jahre – bei manchen auch länger – so ein Netz der Sicherheit, wo man sich nicht mit der ,Realität‘ auseinandersetzen muss, sondern sich kreativ entwickeln kann.“ Schon im ersten Jahr stellte Förderer diesen Schutzraum auf die Probe. So sollten eigentlich die ersten Filme sehr einfach und im Seitenformat 4:3 gedreht werden. „Das war eine Zeit, wo der Umstieg auf 16:9 vorhersehbar war“, so Förderer. „Es war also klar, wo der Zug hinfährt, also hab ich gedacht: ,Das ist so viel Arbeit, das drehe ich doch nicht auf 4:3!‘“ Bei ARRI bekam er eine SR3, die auf 16:9 belichtete. Die Professoren waren laut Förderer nicht begeistert. „Aber ich war heilfroh, weil ich den so auf mein Reel nehmen konnte, ohne dass er so verortet war in dieser Zeit!“ Förderer räumt dem Bücher lesen und Filme sehen und analysieren mindestens soviel Bedeutung in seiner Ausbildung ein wie der Filmpraxis am Set. „Das prägt einen, weil man Ausschnitte sieht und Filme, denen man so nicht begegnet wäre“, so der DoP. „Das ist bis heute wichtig, wenn ich mit Regisseuren spreche vom anderen Ende der Welt und Referenzen kenne, weil ich sie im Studium gesehen habe.“ Für ihn ist das Wissen um die Filmgeschichte aber auch wichtig, um die Zukunft des Films abzuschätzen. „Nur wenn man die Vergangenheit versteht, kann man so ein bisschen sehen, wie sich das Kino oder Erzählen entwickeln.“
Unprätentiöses Bild
An der HFF München lernte Förderer auch Regisseur Tim Fehlbaum kennen, der bereits seit 2002 dort Regie studierte. Beide wären sich eigentlich filmisch dort nicht begegnet. Denn als Förderer im ersten Jahr war, schrieb Fehlbaum zusammen mit seinem Kommilitonen Oliver Kahl an seinem Abschlussfilm. Jedoch suchten beide nach einem jungen Kamerastudenten, der ihnen bei Kameratests für ihr ambitioniertes Abschlussprojekt half. Das sollte „Hell“ heißen und stand vor der Herausforderung, die Apokalypse durch eine massiv zugenommene Sonnenstrahlung glaubwürdig visuell umzusetzen. Nach einigen Tests durfte Förderer das Buch lesen und war hin und weg. „Ich hatte so viele Bilder im Kopf und dachte, das muss ich drehen“, so der DoP. Also stellte er ein Moodbook zusammen und präsentierte Kahl und Fehlbaum seine Ideen. Die beiden schrieben fleißig mit. „Und ich dachte, oh Gott, irgendwann wird das jemand anderes umsetzen“, erinnert sich Förderer. Doch es kam anders. Produzent Thomas Wöbke entschied irgendwann „Der Markus dreht das jetzt!“ und sprach damit aus, was alle dachten. Damit war der DoP gesetzt und es konnte in die langwierige Preproduction gehen, denn der Film war technisch anspruchsvoll. Viel Zeit floss in Tests mit analogem Filmmaterial und digitalen Aufzeichnungsmöglichkeiten. „Uns war bewusst, dass wir das Medium über die Grenze hinausbringen müssen“, so Förderer.
Für die Vorbereitung und Dreharbeiten von „Hell“ setzte Förderer dann ein Jahr an der Hochschule aus. Fehlbaum machte in der Folge seinen Abschluss schon 2009. Doch erst zusammen mit Förderer verwirklichte er 2010 auch sein Spielfilmdebüt. Die Zusammenarbeit mit Fehlbaum bezeichnet Markus Förderer als sehr angenehm. Der Regisseur hatte zuvor bei seinen eigenen Kurzfilmen bereits die Bildgestaltung übernommen. Diese Arbeit schätzt Förderer als deutlich besser ein, als sie so mancher Kamerastudent damals umsetzte. „Tim hat einfach ein richtiges Gefühl für spannende Bilder“, sagt Förderer. „Und er ist da auch nicht mit der erstbesten Idee zufrieden.“ [14520]