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Die Canon Cinema EOS C70 im Test

Kinolook im Doku-Format: Canon EOS C70

Wir haben Canon EOS C70 für unser Heft 6.2021 im Praxiseinsatz getestet und herausgefunden, was die DSLM-ähnliche Cinema-Kamera alles kann.

Kameramann mit einem Gimbal, auf dem die Canon C70 mit einem EF 16-35 montiert ist.

In den letzten Jahren hat Canon kontinuierlich seine Cinema-EOS-Reihe aktualisiert und ausgebaut. Man denke nur an die C500 MkII mit Vollformatsensor oder die C300 MkIII. Alle diese Modelle sind grundsätzlich für szenische Produktionen konzipiert. Mit der C70 hat Canon in seinem Line-up eine Brücke zwischen DSLM und Kinokamera geschlagen und bietet so der Konkurrenz von RED und Sony die Stirn. Dabei herausgekommen ist eine vergleichsweise kompakte 4K-S35-Kamera im DSLM-angelehnten Design und mit einem großen Leistungsumfang.

Der Sensor als Kernstück stammt aus der EOS C300 Mark III. Dieser bietet über eine duale, gleichzeitige Auslesung mit unterschiedlichen ISO-Werten über 16 Blenden Dynamikumfang. Die Abgrenzung zur C300 Mark III: ein kompakter Fotokamera-ähnlicher Body, RF-Mount und keine RAW-Aufnahmemöglichkeit. Über den Mount-Adapter EF-EOS R können EF-Objektive angeschlossen werden. Zusätzlich gibt es einen Speedbooster-Mount, mit dem beim Anschluss von EF-Optiken der Crop-Faktor reduziert und eine Blende Lichtstärke herausgeholt wird. Die Aufzeichnung läuft auf eine oder zwei SD beziehungsweise UHS-II-Karten.

Canon C70 auf Steinen mit Sigma 18-35 und einem Rode NTG5.
Mit einem Mini-XLR auf XLR-Kabel lassen sich Kondensatormikrofone wie das Røde NTG5 anschließen. Das Mikrofon kann am abnehmbaren Handgriff schockgedämpft montiert werden.

Gehäuse

Die Canon C70 ist zwar an eine Fotokamera angelehnt, verfügt jedoch über viele Schalter, Anschlussmöglichkeiten und Funktionen, die Videokameras vorbehalten sind. So sind unter anderem Anschlüsse für Timecode, XLR-Mikrofone mit und ohne Phantomspeisung, Kopfhörer und HDMI integriert. Die Laufzeit des mitgelieferten Akkus BP-A30 soll laut Hersteller bei knapp drei Stunden liegen, was sich in unserem Test als realistisch dargestellt hat. Mit dem größeren BP-A60 läuft die C70 noch einmal deutlich länger.

Das Gewicht liegt ohne Optik bei ungefähr 1,6 Kilogramm einschließlich des oben eingeschraubten Handgriffs mit der Mikrofonhalterung. Der integrierte Lüfter schaltet sich normalerweise bei der Aufnahme ab und sorgt durch Kühlung für ein unterbrechungsfreies Arbeiten. Durch ihren kompakten Aufbau sowie den abnehmbaren Handgriff eignet sich die Kamera auch bestens für Gimbal-Aufnahmen. In unserem Fall konnte der DJI Ronin S einwandfrei mit der C70 und dem Sigma 18-35 mm 1.8 umgehen.

Die Canon C70 mit aufgeklapptem Display und dahinter liegenden Schaltern.
Hinter dem Display befindet sich die Ton-Steuerung.

Bedienung und Benutzerfreundlichkeit

Beim ersten Betrachten der Kamera fällt auf: Sie liegt gut in der Hand, ist hochwertig verarbeitet und eine echte Videokamera. Für die meisten Einstellmöglichkeiten gibt es separate Tasten, deren Funktionen sich auf Wunsch im Menü definieren lassen. Für den Ton gibt es Schalter und Einstellräder unter dem dreh- und schwenkbaren Display. Das Display selbst ist klar und meist auch für Tageslicht-Verhältnisse ausreichend. Mit der Touch-Bedienung können wichtige Parameter schnell eingestellt werden. Bei unserem Test-Modell war jedoch die Aufhängung des Displays sehr wackelig und es wirkte instabil. Wir gehen allerdings davon aus, dass sich das Problem nur auf unser Modell beschränkt. Außerdem haben wir die Kamera nicht fabrikneu erhalten und wissen daher nicht, wie sie bei vorherigen Einsätzen behandelt wurde. Für alle weiteren Einstellmöglichkeiten sind einige Joysticks und Drehräder vorhanden.

Die Menüführung ist zwar nicht so einfach wie die einer Blackmagic-Kamera, jedoch sind die Möglichkeiten an der C70 auch sehr umfangreich. So dürfte man nach wenigen Minuten alle wichtigen Funktionen gefunden haben. Über ein weiteres Schnell-Änderungs-Menü kann man Codecs, Bildraten und Auflösungen ändern. Besonders für alle, die schnell zwischen unterschiedlichen Settings wechseln müssen, sind die integrierten motorisierten ND-Filter ein wahrer Segen. Über Knöpfe an der Seite oder das Menü bietet die Kamera 2, 4 oder 6 Blendenstufen an. Über die Erweiterung im Menü stehen auch 8 beziehungsweise 10 Blendenstufen zur Verfügung.

Der Kartenschacht mit zwei Steckplätzen an der Canon C70.
Im Handgriff sind ein Timecode-Anschluss sowie zwei SD-Slots integriert.

Auch bei der C70 kommt der von Canon bekannte Dual-Pixel-CMOS-Autofokus zum Einsatz. Dieser bietet mit autofokus-fähigen Optiken eine präzise Phasen-Fokussierung und eine selbstständige Gesichtererkennung. Mag man sich bei szenischen Drehs nicht unbedingt auf eine automatische Fokussierung stürzen, aber für kleine dokumentarische Drehs ohne Schärfen-Assistenz ist der Autofokus durchaus ein funktionierender Problemlöser. Besonders bei Interview-Situationen oder bewegten Aufnahmen vom Gimbal hat er sich als sehr nützlich erwiesen. Im Vergleich zu den neuesten EOS DSLM-Kameras ist der Dual Pixel AF allerdings deutlich lichtabhängiger. Besonders bei Unterbelichtungen findet die Kamera meist nicht das Motiv. In allen unseren Praxisanwendungen ergaben sich damit aber keine Probleme. Über eine an der Vorderseite der Kamera angebrachte BNC-Buchse ist die C70 timecodefähig. Mittels Adapterkabel kooperiert die Kamera problemlos mit einem Tentacle Sync-E.

Bildqualität

Der Super-35-DGO-Sensor sorgt für ein Bild mit cineastischer Anmutung und einem sehr hohen Dynamikumfang von über 16 Blenden. Das Bild ist clean und natürlich. Farben und Hauttöne kommen typisch für Canon-Kameras sehr angenehm und präzise daher. Durch den DGO-Sensor ist das Rauschverhalten in den Schatten und besonders bei Unterbelichtungen sehr gut und eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur C200. Bei manuellen Optiken gibt es zusätzlich eine Fokushilfe, die anzeigt, ob die Schärfe in einem bestimmten Feld getroffen wurde. Müssen die Bilder schnell weiterverarbeitet werden, so erlaubt die C70 die Aufnahme im Wide-DR-Format. Diese Dateien benötigen keine Farbkorrektur und sind im Rec.-709-Format für die meisten Anwendungsfälle nutzbar. Grundsätzlich stehen drei verschiedene Codecs zur Auswahl. Die beste Qualität liefert der XF-AVC-Codec in 10 bit und einem Chroma-Subsampling von 4:2:2. Damit ist die C70 „Netflix-approved“, was bedeutet, dass sich eine komplette Netflix-Original-Serie auf der Kamera produzieren ließe.

Darüber hinaus stehen ein HEVC-Codec im MP4-Container in entweder 10 bit 4:2:2 oder 10 bit 4:2:0 zur Auswahl. Außerdem gibt es die Möglichkeit, ebenfalls im MP4-Container, einen H.264-Codec in 8 bit 4:2:0 zu verwenden. Interessanterweise kann die C70 sogar unterschiedliche Codecs auf unterschiedliche Karten aufnehmen. Alle Codecs ließen sich problemlos auf einem 16-Zoll-MacBook abspielen und mit DaVinci Resolve farbkorrigieren. Grundsätzlich besteht in jeder Auflösung die Möglichkeit, mit 50 Einzelbildern pro Sekunde aufzuzeichnen. Im Zeitlupen-Modus sind sogar 120 Bilder pro Sekunde bei voller Sensor-Auflösung im HEVC-Codec möglich.

Als besonders hilfreich hat sich der digitale Bildstabilisator erwiesen. Dabei wird das Bild leicht beschnitten und mithilfe eines Sensors in der Kamera direkt brennweitenabhängig stabilisiert. Damit wurden Gimbal-Aufnahmen noch flüssiger. Darüber hinaus bietet die Canon C70 weitere kleine Helferlein an. Für Log-Formate können schnell und einfach LUTs auf das Bild geschaltet werden. Außerdem lassen sich ein Fokusassistent, Peaking, ein Waveform-Bildschirm, Zebras, Falschfarbe und Markierungen im Sucher anzeigen.

Fazit

Die Canon C70 hat sich in unserem Praxis-Test als eine hervorragende Allround-Kamera für Single-Operator erwiesen. Besonders durch die internen Codecs und ND-Filter sowie den abnehmbaren Top-Griff mit integriertem Mikrofonhalter ist die C70 für die meisten Anwendungsbereiche gewappnet. Der Autofokus ist hilfreich, die Bedienung gut und der Formfaktor angenehm. Ob auf dem Gimbal, dem Stativ oder aus der Hand – in jeder Lage hat sie bestens funktioniert. Für den High-End-Einsatz dürften den einen oder anderen Profis zwar SDI-Ports fehlen, jedoch sind diese wahrscheinlich für Einzelanwender nicht so sehr von Bedeutung. Wer viel in dunklen Bereichen oder gerne weitwinklig dreht und auf Optiken mit EF-Mount setzt, sollte in Erwägung ziehen, auch Canons 0.71x Bajonett-Adapter zu bestellen, der eine Blende an Lichtstärke bringt und den Crop-Faktor reduziert.

Stellt sich die Frage: Für wen eignet sich die C70? Wir sehen die Haupt-Anwendungsgebiete im Reportage- und Dokumentations-Alltag, aber auch bei kleineren szenischen Produktionen. Besonders kleinere Produktionsfirmen hätten mit der C70 eine solide Hauptkamera für Imagevideos und sonstige kleinere Produktionen zur Hand. Durch die Verwendung des Sensors aus der Canon EOS C300 Mark III eignet sich die Kamera ebenfalls bestens als kostengünstige B- oder C- Kamera für größere Produktionen mit der C300 als Hauptkamera. Und ganz persönlich ist die C70 eine tolle Kamera, von der wir uns nur ungern wieder trennen! [14593]

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