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Wir stellen die Preisträger des 32. Deutschen Kamerapreises vor (4)

Das Reale zulassen

Wir setzen unsere Reihe mit den Gewinnerinnen und Gewinnern des 32. Deutschen Kamerapreises fort: Jakob Reinhardt bekam den Preis für die beste Kamera bei einem Kurzfilm.

DoP Jakob Reinhardt
Jakob Reinhardt (Foto: Hannes Meier)

Nach dem Abitur arbeitete Jakob Reinhardt zunächst als Rettungssanitäter. Darauf folgten einige Jahre als Fotograf und Fotoassistent in Moskau, Los Angeles, Kapstadt und Berlin. Seit 2015 studiert er Cinematography an der Filmuniversität Babelsberg. Sein Abschlussfilm „Der Proband“ (Regie: Hannes Schilling) gewann den Deutschen Kurzfilmpreis 2019. In seiner Arbeit erforscht Jakob Reinhardt die Grenzen zwischen Dokumentarfilm und Fiktion. Eine Grenze, die sich auch in einem sei- ner letzten Projekte, „Proll!“ (Regie: Adrian Figueroa), wiederfindet, das den Deutschen Kurzfilmpreis 2021 gewann.

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamera- preis in der Kategorie Kurzfilm! Ist es schon Routine für dich, ausgezeichnet zu werden? Denn es gab schon zwei Deutsche Kurzfilmpreise für Filme, bei denen du DoP warst, zuletzt für „Proll!“ und eben in diesem Jahr den Deutschen Kamerapreis.
Da habe ich viel Glück gehabt!

War das wirklich Glück oder hat sich in diesen vielen Preisen nicht vielleicht doch etwas anderes manifestiert?
Mich freut das natürlich total und ich war davon auch ein bisschen überrascht. Aktuell ist sogar noch eine Nominierung hinzu- gekommen, für den Film „Songs of a Caretaker“ von Pascal Schuh, der bei den Oscars – Student Academy Awards Finalist ist, worüber ich mich sehr freue. Ich glaube, letztlich ist es ist eine Mischung aus viel harter Arbeit, eigenem Können und gerade bei Preisen auch viel Glück.

In deinem Lebenslauf finden sich auch anderthalb Jahre im Rettungsdienst, wo einem meiner eigenen Erfahrung nach ziemlich viel Realität begegnen kann. Hat dich das bei deiner filmischen Arbeit beeinflusst, die – wiederum laut deiner Vita – die Grenzen von Fiktion und Dokumentarfilm erforscht?
Ich glaube, das war solange kein bewusstes Interesse, bis es mir dann tatsächlich aufgefallen ist, dass sich das in meinen Filmen wiederholt. Die dokumentarischen Projekte, die ich mache, sind visuell sehr szenisch und ich glaube, ich gestalte bei den dokumentarischen Filmen eher als bei den fiktionalen. Das gibt so eine schöne Reibung und beim Dokumentarfilm will ich gern ein bisschen überspitzen. Eine objektive Sicht gibt es sowieso nicht. Diese Idee habe ich relativ schnell aufgegeben. Der Blick ist immer subjektiv und dann bringt es mehr, wenn man wirklich konsequent in eine subjektive Richtung geht. Beim Spielfilm, zumindest bei den Filmen, die mich interessieren, ist es eher so, dass man versucht, Möglichkeiten zu schaffen, dass man sich mit den Figuren identifizieren kann und sich die Kamera von diesen leiten lässt.

Das war eine Erfahrung aus den ersten Filmen an der Uni: Es gab zu viel Technik. Ich hatte vorher nicht viele Filme gemacht, sondern Fotografie und Licht, und ich hatte immer das Gefühl, die Momente zu verpassen, die mich interessieren, eben weil ich mich mit der Technik so zugestellt habe. Deshalb habe ich dann immer konsequenter die Technik als etwas gesehen, das mir hilft, dahin zu kommen, wohin ich will, was die Kameraarbeit angeht, aber nicht im Vordergrund steht. Dadurch wurden meine Setups immer dokumentarischer.

Jakob Reinhardt bei den Dreharbeiten zu „Proll!“
Jakob Reinhardt drehte „Proll!“ mit der ALEXA Mini und ZEISS Highspeeds Mk III. (Foto: Graz Diez)

Ich glaube, es ist eine gute Idee, wenn man an einen Ort geht, erst einmal zu sehen, was der Ort vorgibt und das dann zu verstärken, gerade was die Lichtgestaltung anbelangt, statt einfach etwas draufzusetzen oder hineinzubauen. Es kann aber auch eine Budgetfrage sein. Wenn ich jetzt kein Geld habe für ein Auto-Rig, dann muss ich die Szene eben in dem Auto drehen. So etwas kann man als kreative Chance sehen und frei bleiben. So kommt für mich diese Verbindung zwischen Szenischem und Dokumentarischem zustande. Das ist natürlich alles nichts Neues, aber das konsequent in allen Bereichen umzusetzen, finde ich ist eine spannende Herausforderung.

Ist es dir tatsächlich auch im szenischen Bereich so gegangen, dass du das Gefühl hattest, Momente zu verpassen? Dort hat man ja grundsätzlich mehr Einfluss auf das, was vor der Kamera geschieht und vor allem, wann es geschieht, als im Dokumentarischen.
Das stimmt – es sei denn man dreht mit Laiendarstellern! Da ist das Problem ähnlich, weil man manchmal den Moment nicht so richtig wiederholen kann. Natürlich kann ich den Take wiederholen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es dann nicht noch einmal genauso funktioniert, ist größer als bei professionellen Schauspielern. Wenn ich im szenischen Film mit Laien drehe, dann bin ich bereit und aufmerksam für die Angebote, die einem die Laiendarsteller machen, für das Besondere, was die Leute mitbringen.

Wie bist du dazu gekommen, für den Kurzfilm „Proll!“ die Kamera zu machen?
Das Projekt war war ursprünglich als Theaterförderung am HAU Hebbel am Ufer in Berlin gedacht. Der Regisseur Adrian Figueroa, und die Drehbuchautorin Maike Wetzel haben dann wegen Corona das Stück auf ein Kurzfilmprojekt umgeschrieben, dann ist noch Film Five mit Florian Schewe eingestiegen. Ich wurde wegen meinem Bachelor-Abschlussfilm „Der Proband“ gefragt. Sie konnten sich ein ähnliches Projekt vorstellen und so bin ich dazugekommen.

Womit hast du gedreht und welches visuelle Konzept hast du entwickelt?
Ich hatte eine ARRI ALEXA Mini mit einem Satz ZEISS Highspeeds Mk III. Die erste Frage war für Adrian Figueroa und mich, ob man die drei Teile des Films trennt, also die Welten von Cornelia, Juri und Murat, oder ob man darüber einen visuellen Bogen zieht. Wir haben sie dann sehr getrennt, was uns aber einige Sorgen gemacht hat, denn der Film spielt ja auch damit, dass sich diese Welten überschneiden.

Filmstill aus "Proll!"
Als einziges Motiv komplett ausgeleuchtet wurde die Wohnung der Klickarbeiterin Cornelia. (Foto: Jakob Reinhardt)

Innerhalb der einzelnen Geschichten gibt es dann immer mehr Handkamera, je weiter wir in die Nacht gehen und immer mehr Bewegung, außer bei Cornelias Geschichte, die sehr statisch ist, weil sie nur in der Wohnung spielt. Da gibt es dann auch das Zoom-Gespräch, das ich sehr gerne mag mit den sehr nahen Einstellungen – so wie auch jetzt! Wir sitzen in Zoom oder Teams und ich habe immer das Gefühl, das ist alles zu nah, ich habe bei den Gesichtern eine ganz andere Wahrnehmung. Das wollte ich reproduzieren.

Bei der Lichtgestaltung ist es so, dass ich glaube, entweder man leuchtet richtig oder gar nicht. Dazwischen gibt es nicht viel. Bei den meisten Szenen haben wir gar nicht geleuchtet, haben aber viel auf die Auswahl der Locations geachtet, viel mit dem Szenenbild abgestimmt, also vieles in der Vorbereitung festgelegt. Die Wohnung von Cornelia, der Klickarbeiterin, haben wir allerdings geleuchtet. Die Szenen im Auto haben wir auch nur minimal geleuchtet, um die Außenwelt noch spüren zu können. Dabei mussten wir die Grenze finden, dass man bei der Kombination von ALEXA Mini und ZEISS High Speeds gerade so viel an Fülllicht hinzugibt wie nötig, damit wir die Laternen und an- deren Autos nicht als eigentliche Stimmung verlieren. Der Fokus der Lichtgestaltung war, die Stimmung der Orte nicht zu verlieren und sie nicht kaputt zu leuchten.

Ich habe mich bei der Bildgestaltung viel von den Orten und dem Spiel inspirieren lassen, das Reale zugelassen. Die Schwierigkeit besteht dann darin, dass es nicht beliebig wird, aber wenn man die Story versteht und weiß, wohin diese will, dann kann man sich von ihr auch im Visuellen leiten lassen. [15269]

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