DoP James Friend gestaltet „Im Westen nichts Neues“
Free Download: Beeindruckende Gratwanderung – DoP James Friend
von Timo Landsiedel,
Die erste genuin deutsche Verfilmung von Erich Maria Remarques Weltroman „Im Westen nichts Neues“ kommt von Netflix. Regisseur Edward Berger holte sich dafür zum dritten Mal den britischen DoP James Friend an die Seite. Zusammen schufen sie ein Epos, das zwar stark ästhetisierte Bilder zeigt, sich aber dem Stoff angemessen einer visuellen Glorifizierung verweigert. Dafür wurde der Film in neun Kategorien für den Oscar nominiert, von denen der Film vier gewann, darunter den Kamera-Oscar für DoP James Friend. Film & TV Kamera sprach für die Ausgabe 3.2023 mit ihm und seinem Coloristen Andrew Daniel über die Visualität und warum hier das Grading eine so große Rolle spielte. Hier gibt es nun den kompletten Artikel zum kostenlosen Download!
Die Phosphor-Leuchtrakete steigt hinauf in den schwarzen Nachthimmel. Das gelblich-orange Licht zieht in flackernden Linien über die Gesichter der im Schützengraben kauernden Soldaten. Die Angst in den Augen der jungen Männer ist noch frisch. Das ist ihr erster Tag im Krieg. Nicht alle werden ihn überleben. Keiner wird danach so sein, wie zuvor. Das Licht verblasst immer weiter, flackert, erlischt. Dunkelheit. Dann bricht das Chaos aus.
Wer Bilder vom Krieg macht, muss sehr vorsichtig sein. Es tappt sich nur allzu leicht in die Falle der Coolness, des Heldenhaften, der ungewollten Ästhetisierung von Gewalt- darstellungen. Regisseur Edward Berger steht keinesfalls im Ruf, zu solchen Fehlern zu neigen. Von Bergers Sensibilität – auch bei komödiantischen Stoffen – zeugen Werke wie „Jack“, der einen Deutschen Filmpreis in Silber als Bester Film erhielt, sein für die Authentizität hochgelobter „Polizeiruf 110 – Aquarius“ oder der mit dem Grimme-Preis 2012 ausgezeichnete „Ein guter Sommer“. Seit der Miniserie „Patrick Melrose“ für den US-Sender Showtime arbeitet Berger immer wieder mit DoP James Friend zusammen.
Kreative Augenhöhe
Für die Dreharbeiten zu „Im Westen nichts Neues“ bewegte sich die Crew nach Tschechien und vor allem in die Hauptstadt Prag. Einen Reiz des Projekts machte für den DoP aus, dass vor der Kamera alles in Deutsch ablaufen würde. „Als Brite hat man viele BBC-Produktionen mit schrecklichen deutschen Akzenten gesehen“, sagt James Friend. „Die Authentizität, das jetzt mit deutschen Schauspielern machen zu können, war großartig.“
Anfang März 2021 begannen die Dreharbeiten. Die 52 Drehtage beschreiben alle Beteiligten als emotional und physisch zehrend. Regisseur Edward Berger betonte in den Interviews um die Veröffentlichung herum, dass er unter allen Umständen eine Glorifizierung vermeiden wollte. Das allein ist jedoch noch kein funktionierendes visuelles Konzept. DoP James Friend bezeichnet sich selbst als sehr detailversessen. Das für die gesamte Produktion entwickelte Storyboard wurde dann auch dezidiert abgearbeitet. „Edwards und meine Vision waren sehr deckungsgleich. Er sieht mich eher als Filmemacher, weniger als reine Kameraperson.“ Deshalb holte der Regisseur die Meinung seines DoPs zu sehr vielen Entscheidungen ein, ob es Szenenbild, Kostümbild oder Castperformance waren. [15295]