Independent-Produktion einer Natur-Doku über den Zug der Lachse
Fische filmen
von Gunter Becker,
Ohne Auftrag im Rücken ließ sich der Naturfilmer Stefan Tannenberg auf ein filmisches Abenteuer ein: Fünf Jahre lang hat er, unterstützt durch Familie und Experten, den Zug der Atlantischen Lachse verfolgt, 6.000 Kilometer weit, von einem kleinen Bach im Westerwald bis nach Grönland und wieder zurück. Dafür musste er die richtige Technik finden, komplizierten Drehauflagen folgen und sich auf anspruchsvolle Hauptdarsteller einlassen.
Wer mit Stefan Tannenberg telefoniert, hat sofort ein Bild vor Augen: Ein großer bedächtiger Mann, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt und der seine Projekte konsequent zu Ende bringt. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man Tannenberg und seine Frau Cathrin dann auch im Bild sieht, im Nachrichtenstudio des SWR, wo die beiden über ihr Filmprojekt „Eine fantastische Reise – Der Atlantische Lachs im Westerwald“ berichten.
Der SWR-Beitrag und durch Fördermittel und Sponsoren finanzierte Kinoaufführungen ihres Films haben die beiden über ihre Westerwälder Heimatregion hinaus bekannt gemacht. Inzwischen zeigte Tannenberg seine Doku, bei der er auch Kamera, Ton und Schnitt machte, beim Naturfilmfestival auf dem Darß und beim Green Screen-Festival. Ging er dort noch jeweils leer aus, so konnte er mit einem Clip aus seinem Film beim Bundeswettbewerb der BDFA (Bundesverband Deutscher Filmautoren e.V.) den zweiten Platz belegen. Zuletzt ist eine DVD-Fassung der „fantastischen Reise“ erschienen und Tannenberg sucht jetzt einen Verleihpartner. Dabei war es nie Tannenbergs erste Priorität einen Non-fiction-Blockbuster abzuliefern, als er beschloss den Lachs zum Hauptdarsteller zu machen. Seit 2015 produziert er mit seiner Frau Naturdokumentationen. Deshalb machte ihn die ARGE Nister, eine Arbeitsgemeinschaft, die sich um die naturnahe Entwicklung der Nister, ein Flüsschen im Westerwald, kümmert, auf die Atlantischen Wildlachse in diesem Fluss aufmerksam.
Filmemacher Tannenberg kannte Wildlachse bis dahin nur aus nordischen Ländern und konnte zunächst gar nicht glauben, dass sie auch in dem kleinen benachbarten Fluss, der oft nur fünf bis zehn Meter breit und etwa 50 Zentimeter tief ist, vorkommen. Tatsächlich ist dieses Lachsvorkommen so außergewöhnlich, dass sogar die Universitäten Koblenz-Landau und München das Phänomen beforschen.
„Manfred Fetthauer, der Vorsitzende der ARGE Nister, hat mir damals sehr anschaulich die ökologischen Zusammenhänge zwischen den Lachsen, anderen Fischarten wie Nasen, Barben und Forellen, Insekten, Vögeln, aber auch dem Waldsterben an der Nister vermittelt. Alles hängt ja eng zusammen. Das hat mich so fasziniert, dass ich beschlossen habe, den Zug der Lachse zu dokumentieren“, erinnert sich Tannenberg an den Projektstart. Der Drehplan sah vor, den Lachs bis kurz vor Grönland und dann wieder zurück zur Nister zu begleiten. Nach Abschluss der Reise finden die Fische, die im Westerwald als Kleinfische starten, nach vier bis fünf Jahren und etwa 6.000 Kilometer Wanderung ihre Startposition, an der sie dann auch laichen, bis auf etwa 10 Meter Abweichung wieder. Zusammen mit dem Lachszug wollte Tannenberg auch die regionalen Klimaveränderungen dokumentieren, die die Fische in ihrem Habitat betreffen.
Lernen bei der Technik
Während seines fünfjährigen Drehs sollte der Westerwälder dann eine lange und steile Lernkurve absolvieren – bezüglich des Filmens von Fischen, der dafür notwendigen Technik und in Bezug auf die bürokratischen Herausforderungen, die damit verbunden sind. Anfangs versuchte er seine Protagonisten ganz pragmatisch mit einer GoPro an einer Teleskopstange und somit quasi blind zu drehen. Die Installation verursachte aber Bewegungen und Geräusche, immer dann wenn Stange und Kamera den Bachboden berührten. Da Lachse eine Fluchtdistanz von 30 bis 40 Metern haben, flohen sie und blieben bis zu einer Stunde verschwunden. Tannenbergs erste Geduldsproben.
Ein befreundeter Techniker half ihm schließlich dabei, die Unterwasseraufnahmen der GoPro mittels einer Kabellösung auf ein Smartphone zu übertragen. So konnte er die Kamera kontrollierter und geräuschloser einsetzen. Trotzdem erwies sich die Methode letztlich als ungeeignet, vor allem wegen der Vorsicht der Tiere und der zu kurzen Akkulaufzeit der GoPro. Die Option, im zwei bis fünf Grad kalten Wasser selbst zu drehen, empfand Tannenberg selbst im Neoprenanzug als zu anstrengend.
Eine kurzfristige Lösung kam in Gestalt einer von einem Münchner Rental gemieteten Unterwasserdrohne. Nach ersten Versuchen von dieser Technik überzeugt, kaufte sich Tannenberg selbst eine FiFish V6 Unterwasserdrohne, mit der er bis zu vier Stunden ununterbrochen arbeiten konnte – allerdings erst, nachdem er sie umgebaut hatte und ohne Motoren mit einem Gewicht beschwert fest auf dem Flussgrund installierte. „Man musste sie außerdem immer hinter den sehr sensiblen Fischen platzieren. Vor ihnen platziert, hätte sie das Strömungsverhalten des Wassers verändert und so die Tiere wieder zur Flucht veranlasst“, erklärt Stefan Tannenberg.
Für den Unterwasserton verwendete Tannenberg ein ASF-2 MkII Kleinhydrophon mit 48-V-Phantomspeisung. So konnte er auch erstmals das Schmatzen der das Flussbett abweidenden Nasen, eine ebenfalls in der Nister vorkommende Fischart, dokumentieren. Nasen befreien fressend den Flussboden von Algen und Sedimenten und machen so das Ablaichen der Wildlachse auf dem Flussgrund überhaupt erst möglich. „Solche Tonaufnahmen gab es bis dahin noch nicht, wie mir die ARGE bestätigte. Meistens wird in Naturfilmen Unterwasserton lediglich in den Höhen etwas gekappt und dann als Hintergrundton benutzt. Wir haben dieses Weiden der Nasen aber sehr bewusst aufgenommen und eingesetzt“, betont Tannenberg. [15316]