In über 20 Jahren als Gast des internationalen Filmfestivals Camerimage habe ich bei der Einführung eines Films noch nie erlebt, dass der Filmvorführung die Begrüßung des irischen Botschafters im Publikum vorausging. Eine große Geste für einen kleinen Film, der um ein Haar den Auslandsoscar gewonnen hätte. Doch um sich in Zuschauerherzen zu schleichen, braucht „The Quiet Girl“ kein Getöse, sondern kann sich ganz auf die Bilder verlassen, die für sich sprechen.
Kate McCullough findet für „The Quiet Girl“ Bilder mit einem kraftvollen Sog, dem man ohne Taschentücher nicht gewachsen ist. Es gibt Einstellungen, die man nicht hat kommen sehen, und Kate McCullough findet immer den perfekten Bildausschnitt zur rechten Zeit, als sei das das Natürlichste der Welt. Die Luftfeuchtigkeit im Kinosaal stieg trotz Klimaanlage merklich an und ließ vor dem Abspann bei den Zuschauern alle Dämme brechen.
Das auf Gälisch inszenierte Erstlingswerk von Colm Bairéad entstand in nur fünf Wochen Drehzeit, was nach mehr klingt, als es ist, wenn man mit der neunjährigen Hauptdarstellerin, die in fast jeder Szene auftritt, nur fünf Stunden am Tag arbeiten darf. Gedreht wurde auch aus Kostengründen on location. Dabei verließ sich die irische DoP auf die Sony VENICE und ZEISS CP.3/XD Objektive.
Danke für diesen perfekten Film. Ich wollte eigentlich zum Q&A bleiben, musste dann aber noch ein bisschen mit ihm allein sein. Kannst du uns erklären, wie man solche Eindrücke zaubert? Ich nehme an du weißt, dass man nur so gut ist, wie das Team um einen herum? Wenn man sich also unterstützt fühlt und großes Vertrauen untereinander herrscht, dann können wir alle die bestmögliche Arbeit leisten. Mit Colm habe ich zwar vorher noch nie zusammen gearbeitet, aber es hat sofort „Klick“ gemacht. Wir haben uns einfach verstanden, vom Ein- fühlungsvermögen her. Es fühlte sich an, als hätten wir schon Jahre zusammen gearbeitet, oder unsere Vorfahren miteinander – irgendetwas in unserer Herkunft, das einfach zum gegenseitigen Verstehen beiträgt. Wir waren immer irgendwie synchron. Natürlich gibt es eine gesunde Spannung zwischen Regie und Kamera, die sich gegenseitig antreibt, so weit man kann, aber wir stimmten so ziemlich in allem überein.
Wenn man einmal so eine starke Verbundenheit hat, dann gibt einem das auch unter Stress Halt, wenn man die Stellproben verfolgt und sich fragt, wie man das denn nun hinbekommen soll. Man findet einen Weg hindurch und die beste Kameraposition dafür. Oft glaube ich, dass es nur ein oder zwei Plätze gibt, die richtig für die Kamera sind.
Ihr habt also die Einstellungen spontan festgelegt, ohne Storyboards?
Keine Storyboards. Wir hatten eine Einstellungsliste, die war aber mehr dazu da, um den Drehtag einzuteilen. Am Set steckten wir sie weg und versuchten offen für alles zu sein, was um uns herum passiert. Wenn man nur Häkchen auf einer Liste macht, dann wird das schnell zu einem Verwaltungsakt. Darum ist es für mich sehr wichtig, die Augen offen zu halten und wachsam zu sein. Man plant Dinge, und an dem Tag macht ein Schauspieler dann etwas, das so viel aussagekräftiger ist als das, womit du gerechnet hast. Diese Momente muss man als solche erkennen und dann auch entsprechend umsetzen, und nicht so, wie man es vor Wochen geplant hat.
Ich glaube, das kommt wahrscheinlich aus meinem dokumentarischen Hintergrund, einfach seinen Instinkten zu ver-
trauen und es im Kopf schon so zu schneiden, wie man es wahrnimmt. Zu verstehen, in welcher Beziehung zueinander
die Einstellungen stehen werden.
Das bringt es sehr gut auf den Punkt, und man sieht es solchen Einstellungen auch förmlich an.
Das ist Kino, nicht wahr? Wie es die eigenen Einstellungen ansammelt. Eine einzelne, isolierte Einstellung sollte für sich nicht bestehen können und sterben. Ich finde, es ist Beziehung zueinander, zwischen dem was vorher und danach kommt, die erst etwas aus dem Raum herausschält. Auf dem College habe ich selbst ein bisschen geschnitten, und dabei muss ich wohl etwas Gutes gelernt haben!
Es ist toll mit wie viel Ruhe ihr die Zuschauer sich einfach in euren Bildern umschauen lasst. Das war definitiv eine schon zu Anfang getroffene Entscheidung für unsere Herangehensweise. Der Film ist die Adaption einer Kurzgeschichte, die sehr ökonomisch erzählt wird, ganz ohne unnötigen Lärm drumherum zu machen. Es werden einem nur Informationen vermittelt und es bleibt dem Leser überlassen, seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Von daher war es uns auch sehr wichtig mit unserer Filmsprache ökonomisch zu sein und es den Charakteren zu ermöglichen, sich frei im Raum bewegen zu können. Auch die Räume innerhalb der Räume waren wichtig, Dinge, die nicht ausgesprochen wurden, oder die Sachen, die zwar gesagt wurden, aber eigentlich etwas anderes meinen sollten. [15329]