DoPs Rafael Leyva und Caleb Des Cognets lassen Arriflex 235 an Alta-X-Drohne abheben
Organisches Gesamtbild
von Timo Landsiedel,
Drohne gleich digitale Aufzeichnung? DoP Rafael Leyva fand das überhaupt nicht. Für seinen Langfilm „The Foster Ranch“, der auf chemischem Film entstand, wollte er ein ästhetisch stimmiges Bild haben. Bei Beverly Hills Aerials lief er offene Türen ein. Gemeinsam mit Aerial DoP Caleb des Cognets hängte er seine eigene Arriflex 235 an eine Freefly Alta X. Die beiden Kameraleute berichteten in unserem Heft 9.2023 von der technisch beeindruckenden Sequenz.
Eine der weniger schönen Entwicklungen des digitalen Siegeszugs bringt mit sich, dass Dreharbeiten auf chemischem Film nicht mehr als kreative, sondern als finanzielle Entscheidung wahrgenommen werden. So denken auch vermutlich nicht viele DoPs darüber nach, ob es eine Wahl gibt, an einer Kameradrohne etwas anderes als digitale Bildaufzeichnung auszuprobieren. Doch man hat tatsächlich die Wahl.
Dessen war sich auch DoP Rafael Leyva sicher. Der Weg dorthin war kein gewöhnlicher, wie auch sein eigener Weg hinter die Kamera. Der gebürtige Puerto Ricaner ist Jahrgang 1983 und kam 2004 in die USA. Er schaute als Gasthörer in das Curriculum der Tisch New York University of the Arts und wollte gerne Regisseur werden. Dann saß er erstmals in einer Cinematography-Klasse. „Das war meine Erweckung als Bildgestalter“, erinnert sich Leyva.
Leidenschaftlicher Autodidakt
Aufgrund von Geldmangel war es ihm nicht möglich, die Universität zu besuchen. Also lief er durch Manhattan und wo immer er Scheinwerfer aufgebaut sah, stellte er sich vor und bewarb sich um einen Job am Set. Doch den Durchbruch brachte das nicht. Also stieg er 2007 ins Flugzeug und brach auf nach Los Angeles. Der Start in Los Angeles war leichter als in New York. „Ich bin leidenschaftlicher Autodidakt“, betont Rafael Leyva. „Ich habe tagsüber gearbe tet und nachts Filme geguckt und analysiert.“ Dabei ging Leyva durch die harte Schule des Drehens auf Film. Dies geschah allerdings auch ganz anders als gewöhnlich. „Ich war der schlechteste Kameraassistent der Welt“, so Leyva. „Die meiste Zeit damals arbeitete ich deshalb als Standfotograf.“ Er entwickelte auf chemischem Film und setzte sich mit allen Parametern von Belichtung, Brennweiten und dem Stil des DoPs des Projekts auseinander. Dabei war er den Kameraleuten sehr nah und lernte so viel von ihnen und über den Einsatz von Filmmaterial. Jetzt ist er selbst DoP und setzt sich bei passenden Projekten dafür ein, auf chemischem Film zu drehen. „Die Realität ist: Wir leben in einer digitalen Welt“, sagt DoP Leyva. „Ich fürchte, das verwässert gerade ein wenig die Professionalität. Meine Erfahrung ist, ein echter Arbeitsethos, echte Disziplin kommt vor allem durch den Lernprozess, auf chemischem Film zu drehen.“
Mystery auf Film
Für Leyva war selbstverständlich, dass er seinen Mysteryfilm „The Foster Ranch“ auf Filmmaterial drehen würde. Er wollte einen Kurzfilm produzieren, der auch zu einem längeren Projekt ausgebaut werden könnte und dabei selbst Regie sowie natürlich auch die Kamera führen. „The Foster Ranch“ ist die Geschichte einer Familie, die sich ausgehend von einem ungewöhnlichen Ereignis im Juli 1947 aufzulösen beginnt. Für die Umsetzung seiner Geschichte wählte Leyva die ARRICAM LT und die Cooke Anamorphic/i x2. Einige Pick-ups und Inserts wurden auf Panavision E-Serien-Objektiven umgesetzt. Als Filmmaterial verwendete er Kodak 35 mm 5213 sowie 5219. Dabei wurden alle Außenszenen im Tageslicht auf Kodak 5213 200T gedreht, alle Innen- und Nachtszenen auf 5219 500T. Für einige Shots kam sogar Ektachrome zum Einsatz, das eigentlich nicht als Kino-Filmstock vorliegt und für den 35-mm-Bewegtbild-Einsatz eigens konfektioniert werden muss. Leyva nutzte die volle Stauchung und brachte das Material später in 1:2,39 auf die Leinwand. Leyvas Kernteam als Regisseur und DoP bei „The Foster Ranch“ ist für ihn besonders wichtig. Der Erste Kamerassistent war Dan Rodriguez, sein Oberbeleuchter David W. Cronin und sein Key Grip Rudy Covarrubias. Alle waren auch jüngst mit an Bord, als Levy als DoP zehn Epi- soden der Disney+-Serie „Ultra Violet & Black Scorpion“ drehte.
Schon früh in der Planung war Leyva klar, dass er die im Drehbuch verankerte Drohnenszene gerne auf Film drehen würde. „Ich kann es wirklich nicht leiden, wenn ich eine Produktion schaue, die auf Filmmaterial gedreht wurde und dann schneiden sie zur Drohne, die offensichtlich digital gedreht wurde“, sagt DoP Leyva. „Die Farben sind off, die Bewegungsunschärfe ist anders – es ist schrecklich!“ Das wollte er unbedingt vermeiden.
Drohnenflug im Sturm
In der Vergangenheit hatte er bei Projekten schon mit Beverly Hills Aerials zusammengearbeitet. Also sprach er Mitgründerin Alina Havandjian an, ob sie sich vorstellen könnte, mit ihrem Unternehmen die Sequenz für ihn umzusetzen. Havandjian war begeistert von Leyvas Enthusiasmus für Filmmaterial und gab ihm ihren Aerial DoP Caleb des Cognets an die Hand.
„Als ich das erste Mal von der Sequenz hörte, war ich völlig aus dem Häuschen“, sagt des Cognets. „Uns allen hier war sofort bewusst, dass das über unsere gewöhnliche Arbeit hinausgeht.“ Rafael Leyva war zudem wichtig, dass die Drohnenprofis ihren eigenen kreativen Ansatz mit einbrächten. Das ging so weit, dass Leyva bei ihrem ersten Gespräch nur erzählte, was in der Szene passiert. Der Sheriff reagiert auf einen Notruf und eilt im Auto zum Ort des Geschehens. Dann fragte Leyva die Drohnenexperten: „Wie glaubt ihr, könnte das durch eine Luftaufnahme emotional verstärkt werden?“ Das stachelte die Kreativität des Teams an. Der kurze Shot verfolgt ein Fahrzeug durch staubiges, gebirgiges Gelände auf ein Farmhaus zu. Die Aufnahme ist komplex, nimmt die Geschwindigkeit des Autos auf, folgt ihr, zieht weit auf, verändert die Höhe, taucht sogar zwischendrin unter einem knorrigen Baum hindurch. [15357]