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Katharina Dießner und Timon Schäppi über ihre Wege zur Bildästhetik

Vom Handwerk zum Bauchgefühl

„Organisch“, „wahrhaftig“ oder gar „zauberhaft“: Wenn man sich über Bildgestaltung unterhält wird es irgendwann vage. Deshalb luden sich Yugen Yah vom Indiefilmtalk- Podcast und Timo Landsiedel vom Hinter-der-Kamera-Podcast die DoPs Katharina Dießner und Timon Schäppi für unser Heft 11.2023 zum Roundtable-Gespräch. Sie verraten, welche Rolle ihre Filmhochschulausbildung spielte und wie sie ihre Bilder im kreativen Prozess finden.

Timon Schäppi, Yugen Yah Katharina Dießner und Timo Landsiedel im Podcast-Studio
Foto: Timo Landsiedel

Wie sieht er aus, der Weg zum Bild? Darauf gibt es sicherlich nicht die eine richtige Antwort. Vielmehr sind es so viele Antworten wie Menschen, die in verantwortlicher Position hinter einer Kamera arbeiten. Deshalb ist es spannend herauszufinden, wie einige dieser Strategien aussehen. Ist es mehr Handwerk oder mehr Gefühl? Oder ist das eine der Weg zum anderen? Und wo bleibt bei allem überhaupt die Kunst? Im Podcast-Crossover-Gespräch zwischen Indiefilmtalk und Hinter der Kamera kamen Ende August zwei DoPs zusammen, um mit den Moderatoren Yugen Yah und Timo Landsiedel eine Annäherung an diese Fragen zu versuchen.

Katharina Dießner studierte Ende der 1990er zunächst Ethnologie in Berlin, bevor sie in den Filmbereich aufbrach. Sie absolvierte zunächst mehrere Praktika in Kopierwerk und Rental, arbeitete als Kameraassistentin am Set und ging dann erneut an die Uni. An der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin studierte sie ab 2006 Bildgestaltung. Ihre Filme gewannen zahlreiche Preise, unter anderem erhielt sie für ihre Arbeit an „Arlette – Mut ist ein Muskel“ den Preis für die Beste Bildgestaltung auf dem Internationalen Frauenfilmfest.

Ihr Kollege Timon Schäppi machte seine ersten Erfahrungen im Bewegtbild mit der Mini-DV-Kamera. Mit Freunden zusammen drehte er zunächst Skateboardfilme, dann auch erste szenische Kurzfilme, war Runner und Beleuchter. Schließlich ging er an die Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg und studierte dort Cinematography. Hier traf er Jakob Lass, der gerade dabei war, die Improfilmbewegung „Fogma“ zu gründen. Mit ihm drehte Schäppi noch während des Studiums die preisgekrönten Filme „Frontalwatte“ und „Love Steaks“, später „Tiger Girl“ und „Sowas von da“. Schäppi war zudem für drei Episoden der zweiten Staffel der hochgelobten Serie „4 Blocks“ verantwortlich.

Filmemacher und Indiefilmtalk-Podcaster Yugen Yah und DoP Katharina Dießner im Podcaststudio
Filmemacher und Indiefilmtalk-Podcaster Yugen Yah und DoP Katharina Dießner im Podcaststudio in Berlin (Foto: Timo Landsiedel)

„Das war eine ganz tolle Zeit“

Dießner und Schäppi kannten einander vor dem Gespräch nur über ihre Werke und trafen sich erstmals im Podcast. Es ging im Gespräch zunächst um die Frage, wie stark das Curriculum der Filmhochschulen die beiden geprägt hat.

Katharina Dießner: Das technische Handwerk und das Arbeiten am Set habe ich wirklich am Set gelernt. Ich habe vor dem Studium auch so viele Assistenzen gemacht, dass das auch gut war, bevor ich zur Filmhochschule kam. Denn das lernt man da, glaube ich, nicht – es sei denn über das Arbeiten an Kurzfilmen. Was ich da auf jeden Fall gelernt habe, war die Auseinandersetzung und das Sensibilisieren für das Sehen! Also Filme verstehen und die ganze analytische Arbeit, das würde ich sagen, war der wichtigste Teil für mich.
Timo Landsiedel: War das bei dir auch so, Timon?
Timon Schäppi: Ich bin sehr gerne zur Filmhochschule gegangen und habe die Zeit dort sehr genossen. Ich finde es schwer zu bestimmen, welche Aspekte ich ausschliesslich an der Filmhochschule gelernt habe. Es war ein fließender Übergang von vor der Schule zu nach der Schule. Das Technische, die Teamarbeit sowie auch die „politische“ Dimension des Filmemachens waren ebenso Aspekte der Filmhochschule wie sie auch jetzt Teile des Berufslebens sind.
Katharina Dießner: Ich glaube auch, dass die Filmschule als Ort, also mit all diesen „Behördengenehmigungen“, die du brauchst, um an deine Technik zu kommen, auch schon was von dem groben Rahmen späterer Produktionen hat. Also oft habe ich mich später daran erinnert gefühlt: Ach, das ist eigentlich wie an der Filmhochschule.

Timo Landsiedel: War es tatsächlich auch so, dass die Filmschule es dann hinbekommen hat, dass ihr auch das Gefühl hattet, es geht hier um etwas? Ich bleibe auf der Strecke, wenn ich das nicht schaffe?
Katharina Dießner: Ich glaube in dem Moment empfindet man das als Student:in noch viel mehr als später. Denn dann geht es ja um alles.
Timon Schäppi: Ja, da stimme ich zu. Filmhochschule war schon sehr intensiv.

Hinter-der-Kamera-Podcasthost Timo Landsiedel und DoP Timon Schäppi
Hinter-der-Kamera-Podcasthost Timo Landsiedel und DoP Timon Schäppi hinter den Mikros (Foto: Katharina Dießner)

„Warum will ich das machen?“

Beim Herantasten an das Handwerk, dass dem Bauchgefühl vorausgeht, ging es um die Frage, wie beide DoPs die ersten Schritte eines ihrer Projekte angehen.

Yugen Yah: Es wird ja heute auch unser Thema sein, wie improvisierend geht man vielleicht an Sachen heran oder inwieweit hat man das Gefühl, dass man halt sein Handwerk gelernt hat und man weiß genau, wie Sachen funktionieren. Ich würde vielleicht einen Schritt zurück gehen, in die Entwicklung von Projekten. Habt ihr da so eine Routine für euch, wie ihr an neue Projekte herangeht? Wenn ihr ein neues Skript, eine neue Idee, eine neue Zusammenarbeit habt mit jemandem?
Katharina Dießner: (zeigt lächelnd auf Timon, ihm den Vortritt lassend)
Timon Schäppi: (lacht) Ich kann gerne anfangen, das interessiert mich auch sehr, wie du das machst, Katharina! Was ich in letzter Zeit oft mache, ist mit Moods zu arbeiten – Bilder anzuschauen und Moodboards zu erstellen. Ich sammle auch Bilder, die eher nicht passen, um mit der Regie eine Eingrenzung zu erarbeiten, dass man sagt, eher in diese Richtung soll es gehen oder diesen Aspekt würde man gerne übernehmen. Manchmal ist die Gefahr dabei, dass man sich ganz tolle, große Filme anschaut, deren Mittel man nicht haben wird. Aber trotzdem finde ich diesen Bilder-Sammel-Prozess toll und hilfreich. Allerdings besteht darin auch die Gefahr, dass man daran arbeitet, etwas zu erreichen, was schon besteht, statt etwas zu finden, was man noch nicht sehen kann. Da bin ich selber gerade noch am Herausfinden.
Katharina Dießner: Ich finde, das ist ein guter Punkt, dass man sich den Blick für das aktuelle Projekt bewahrt! Also wenn man ein Drehbuch bekommt, dass man das erst mal liest und guckt: Gefällt mir das überhaupt? Warum will ich das machen? Welchen Rhythmus hat das, was passt vielleicht für eine Erzählperspektive? Oder um was geht es überhaupt? Und dass man daran anknüpft zu gucken, welche Moods passen könnten. Das können Fotografien sein oder Farben oder auch Musik – das kommt auf das Projekt an. Und gleichzeitig musst du ja die anderen auch mit ins Boot holen. Das Szenenbild, die Produzent:innen, ich finde es auch gerade wichtig, die Menschen dazuzuholen, die nicht an diesem kreativen Prozess beteiligt sind. Eine Produktion ist ja immer ein Schaffensprozess – und wie kriegt man den in Gang und kann den mit den Gewerken, mit denen man direkt zusammenarbeitet gestalten – Szenenbild, Kostüm, Maske und natürlich Regie. Wie kriegt man es hin, dass man eine ähnliche Vorstellung hat? Dafür sind Moods auch super, egal, wie groß die Filme sind. Denn man kann sich ja darüber austauschen, was einen daran interessiert. Und je mehr Projekte man hat, desto mehr fängt man auch an, für sich da so eine Strukturierung reinzubringen. [15381]


Wenn Sie mehr über das Spannungsfeld von Handwerk und Bauchgefühl erfahren möchten: Hier geht es zum kompletten Gespräch mit Katharina Dießner und Timon Schäppi!


 

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