nur selten werden überregionale Boulevardblätter die Arbeitsbedingungen an deutschen Spielfilmsets erörtern. Und doch schafften es die Berichte über die katastrophalen Zustände bei den Dreharbeiten von „Manta, Manta – Zwoter Teil“ in die Regenbogenpresse, allerdings nur mit dem durch Til Schweigers „Stern“-Interview befeuerten Personality-Spin „Ich will ein besserer Mensch werden“.
In der „Bild“ bekam Schweiger danach sogar „Post von Wagner“, den ich sehr dafür bewundere, wie er komplexe Sachverhalte in Drei- und Vier-Wort-Prosa abhandeln kann: „Einen Mitarbeiter schlug er.“ Zur Erinnerung: Berichte zu Gewalt und Mobbing am „Manta 2“-Set gibt es schon seit einem Jahr.
Die Vorwürfe wurden erst von der SZ recherchiert und schließlich beim Spiegel veröffentlicht. Im Mai forderte Kulturstaatsministerin Claudia Roth in ihrer Rede beim Deutschen Filmpreis eine offene Auseinandersetzung mit Missständen in der Branche und benannte konkret „Abhängigkeitsverhältnisse, Machtmissbrauch, tätliche Übergriffe, sexualisierte Gewalt am Set“.
Denn es gibt viel spannende Fragen als die, ob Til Schweiger nun alkoholkrank ist oder nicht. Ein Thema, dass in unseren Gesprächen mit DoPs gleich welchen Geschlechts immer wieder aufkommt, ist die Klage über die Arbeitsbedingungen. Beispielsweise ist die Branche immer noch männlich dominiert – Aleksandra Dyja, Preisträgerin Nachwuchs Kamera beim 33. Deutschen Kamerapreis, hat uns im Gespräch nicht zuletzt von ihren Erfahrungen hierzu erzählt.
Zudem wird der zeitliche und finanzielle Druck bei den Produktionen eher größer als kleiner. Produktionen, bei denen es den nötigen Spielraum gibt, auch mit schwierigen Themen und Material souverän umzugehen, sind die Ausnahme – doch es gibt sie. So berichten wir ab Seite 40, wie es dem Kreativteam von „White Angel – Das Ende von Marinka“ gelungen ist, aus vielen Stunden PoV-Material einen beklemmenden Dokumentarfilm von der Frontlinie in der Ukraine zu gestalten. Ohne das Vertrauen und die Unterstützung der ZDF-„Frontal“-Redaktion wäre das Projekt so nicht möglich gewesen.
Ihr
Uwe Agnes
Chefredakteur
Ausgabe 12.2023
FOKUS
Editorial
Drei Fragen an … Ute Baron aus Berlin
AT WORK
Keine Haie Dreharbeiten unter Wasser haben ihre eigenen Herausforderungen. Das war auch DoP Frank Griebe bewusst, als er zum Team von Regisseur Maximilian Erlenwein stieß. Gemeinsam drehten sie das Tauchdrama „The Dive“.
INTERNATIONAL
Trainierte Abläufe DoP Erik Messerschmidt und Regisseur David Fincher mögen exakte Setups mit hochauflösenden Sensoren und knackig scharfen Objektiven. Wir berichten, wie die beiden ihre Vorlieben bei „The Killer“ umsetzten.
IM TEST
Vielkönner Für das Sennheiser EW-DP-System gibt es nun auch einen Aufstecksender. Wie schlägt er sich in der Praxis?
HANDS-ON
Besser auflösen 32-bit-float heißt die Technologie, die den Gain-Regler in den Ruhestand schicken soll. Aber ist das wirklich so? Was muss man beachten und welche Probleme löst das Format nicht?
Kreative Freiheit im Kompaktformat Matthias Bolliger war DoP bei der Bestseller-Verfilmung „Ein Mannseiner Klasse“. Er gestaltete den Stoff mit dem RIALTO-System der Sony VENICE 2 und berichtet von seinen Erfahrungen.
Point of View Der Autor und das Editing-Team von „White Angel – Das Ende von Marinka “erzählen, wie sie für 100 Minuten Film 40 Stunden PoV-Material strukturierten und wie sie mit den grausamen Bildern des Krieges zurechtkamen.
Hochpolierte Primetime Das ZDF betreibt für seine Samstagabendshow „Der Quiz-Champion“ großen technischen und gestalterischen Aufwand, um das traditionelle Format der Quizshow in eine zeitgemäße Visualität zu übersetzen.
AUF EINEN BLICK
Technologie
Menschen & Branche
FESTIVAL
Manchmal muss es weh tun Das Edimotion Festival für Filmschnitt und Montagekunst würdigte einmal mehr alle Aspekte des Gewerks
Zeugnis des Zeitgeschehens Die Konflikte und Krisen der Welt waren das bestimmende Thema bei DOK Leipzig: der Krieg in der Ukraine, die Flüchtlingskrise, aber ebenso die Folgen von Corona oder der Kampf von Minderheiten um ihreIdentität.
Rekordjahr für „Home of Films“ Für Margret Köhler bewiesen die 57. Internationalen Hofer Filmtage, dass der deutsche Nachwuchsfilm lebt.
Eine Welt voller Dramen und Tragödien Mit den Perlen der diesjährigen A-Festivals läutete das 31. Filmfest Hamburg den Kinoherbst ein.
Keine Angst vor den großen Fragen Die 65. Nordischen Filmtage verbeugten sich vor den Größen des skandinavischen Films und boten eine Schau auf das gegenwärtige nordische Filmschaffen.
DIALOG
Die Figuren im Mittelpunkt Unsere Reihe mit den Gewinnern beim 33. Deutschen Kamerapreis geht weiter mit den Nachwuchs-Kategorien: Sebastian Husak wurde für den Schnitt von „Idyll“, Aleksandra Dyja für die Kamera bei „Scheintot“ ausgezeichnet.
Riesiger Raum für Experimente Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, auch bei Foto und Bewegtbild. Wir sprachen mit dem Berliner Fotografen und Philosophen Boris Eldagsen über den aktuellen Stand bei der KI-Bewegtbildgenerierung.