Anzeige
Anzeige
Jurywoche beim 34. Deutschen Kamerapreis (1)

Wahrhaftig sein

Ende Januar fand beim SWR in Baden-Baden die Jurywoche für den 34. Deutschen Kamerapreis statt. Für Film & TV Kamera, Medienpartner des Deutschen Kamerapreises, war Chefredakteur Uwe Agnes in der Jury für Doku Kino dabei. Er sprach mit dem Jurypräsidenten Marcus H. Rosenmüller.

Gruppenfoto von Jury und Kuratorium beim 34. Deutschen Kamerapreis
Foto: SWR

Marcus, du bist beim 34. Deutschen Kamerapreis der Jurypräsident.Was hat dich an dieser Aufgabe gereizt?

Eine Aufgabe reizt mich immer! Wenn ich gefragt werde, dann bin ich schon mal neugierig. Aber es ist natürlich toll, einen Einblick in die Breite der Kameraarbeit beim deutschen Film und Fernsehen zu bekommen und zu sehen, was gerade geschieht. Nach drei Tagen intensiver Arbeit in der Gruppe merke ich, dass sich das immer rentiert. Es ist wirklich lehrreich.

Kannst du Beispiele nennen?
Wenn man wirklich viele Filme anschaut, merkt man schon, wo wir uns vielleicht auch im Gesamten wiederholen, mich eingeschlossen, wo ich Vorlieben habe und dann aber merke, dass es diese scheinbar tollen und kreativen Ideen, die man da hat, schon ganz schön oft woanders gibt, sehr ähnlich gespiegelt. Und dann sieht man plötzlich Filmausschnitte, wo man denkt „So habe ich es lange nicht mehr oder vielleicht noch gar nicht gesehen!“ Da wird man inspiriert, lernt aber auch, dass dem oft gar nicht so ist, wenn man meint innovativ zu sein. Das macht Spaß.

Was ich noch sehr spannend finde, ist der eigene individuelle Blick. Du bildest dir eine Meinung und bist darüber mit einer Gruppe im Austausch, wo vielleicht die eigene Meinung einfach auch mal umgekrempelt wird – oder du musst sie verteidigen, dann verfestigst du sie und lenkst die anderen ein bisschen in eine andere Richtung. Aber so entsteht etwas Neues in der Gemeinschaft. Das ist spannend.

Was ist so dein Eindruck von den Einreichungen in diesem Jahr, ausgehend von dem, was du gesehen hast oder auch aus den anderen Jurys gehört hast?
Wenn ich da mal von unserer Sektion Fiktion Kino ausgehe: Da gibt es bei den Einreichungen sehr viel Professionelles und Tolles und es wird wirklich schwierig, zum Schluss eine Entscheidung zu treffen. Von daher fand ich den Standard, was den Spielfilm angeht, sehr hoch. Ich war schon überrascht, dass es überhaupt nicht leicht sein wird, da eine Preisträgerin oder einen Preisträger zu finden. Das hat mich beeindruckt. Beim Kurzfilm war die Jury, glaube ich, ebenso mit dem Niveau mehr als zufrieden. Hauptaufgabe des Deutschen Kamerapreises ist natürlich auch, das wiederum zu den Macherinnen und Machern zurückzuspiegeln, damit die das inspirierend aufnehmen können.

Regisseur Marcus H. Rosenmüller im einer Jurysitzung
Der Regisseur und diesjährige Jurypräsident Marcus H. Rosenmüller. (Foto: SWR)

Gibt es in der Gestaltung übergreifend Trends, die du beobachten kannst?
Ich bin ein Liebhaber aller Genres und ich mag es sehr wohl, wenn im Fiktionalen, das Authentische überspitzt und verlassen wird. Aber ich glaube, im Moment ist es ein Trend – und das finde ich schon klasse, weil es eben früher nicht so präsent war –, dass der Fokus darauf liegt, was authentisch ist, egal ob es visuell überspitzt oder nahezu dokumentarisch gedreht ist. Das Wichtige ist aus meiner Sicht Wahrhaftigkeit. Das schaffen die guten Filme auf ihre eigene Art und Weise und ich sehe unsere Aufgabe auch darin, da schon mal die Arbeiten auszusortieren, die ein bisschen so tun als ob, die ein Thema vorgeben, aber sich nicht ganz darin einfühlen. Aber vielen gelingt es, wahrhaftig zu sein, und das finde ich toll.

Die Wahrhaftigkeit als Kriterium ist sicher eine spannende Idee, gerade bei den vielen Mischformen zwischen Fiktion und Dokumentation, die wir hier gesehen haben.
Das führt zurück zu dem, was ich eben gesagt habe, nämlich meiner Liebe zu verschiedensten Genres und Ausdrucksformen, und da gibt es diese Mischformen, die sich vielleicht sogar am Theater orientieren. Dann gibt es Mischformen, die tatsächlich ganz klar fiktional arbeiten, im Film aber etwas Dokumentarisches betrachten, das dann in die Arbeit einfließt, so dass du wirklich der Meinung sein könntest, du schaust dir gerade eine Dokumentation an. Auch in den Bildformaten wird teilweise in den Filmen gesprungen und es macht überhaupt nichts mehr aus, solange die Geschichte den roten Faden behält. Dann darfst du mutig sein und darfst wechseln. Dann kannst du auch im Film selbst das Genre wechseln, da gibt es bestimmte Richtungen, wo was möglich ist. Von der Tragödie zum Slapstick oder zur Komödie zu wechseln, ist sicher ganz schwierig. Aber andersherum, von der Komödie in den tragischen Film, kann das gelingen.

Konntest du eine Richtung beobachten, in die sich die Kameraarbeit oder auch Schnitt bewegen?
Da muss ich gestehen, dass ich das nicht sehe. Ich schaue einigermaßen viele Filme und merke dabei, dass es einerseits alles gibt und und dass man andererseits in allen Richtungen mutig sein muss. Mutig sein, immer das Handwerk beherrschen plus die Emotion erwecken: Darum wird es beim Film immer gehen und da wird sich meines Erachtens nichts groß ändern. Es hat sich allerdings geändert, dass man einfach mehr das Authentische, das echte Leben, die echten sozialen Brennpunkte angeht und dass es mutige Filmemacherinnen und Filmemacher gibt, die nicht nur den Eskapismus servieren, sondern sich an Brennpunktthemen herantrauen und das wirklich hochprofessionell und dann wiederum durch die hohe Professionalität auch unterhaltsam erzählen, weil es dann eben spannend ist oder weil es berührt. Weil man sagt „Ja, das ist etwas, das mich bewegt, das ist aktuell.“ Von dieser Art Filme gibt es jetzt viel mehr als vorher und ich habe das Gefühl, dass das keine Außenseiterfilme oder Independent-Produktionen mehr sind. Mutige Filmemache- rinnen und Filmemacher gab es schon immer, aber jetzt ist es wirklich auch in den Sendehäusern angekommen, dass es diese Filme und diese Brennpunkte auf der Leinwand und auch in den Wohnzimmern braucht. Wenn ich an das Fernsehprogramm denke, dann würde ich mir natürlich wünschen, dass diese Themen und diese mutigen Filme, die gedreht werden, dann auch viel öfter zu Sendezeiten laufen, wo sie mehr Aufmerksamkeit finden können. [15433]


Lesen Sie morgen das Gespräche mit Matthias Haedecke, dem Kuratoriumsvorsitzenden des Deutschen Kamerapreises!


 

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.