an real stattfindenden Großereignissen, die es live zu übertragen galt, herrschte in letzter Zeit kein Mangel. Mit der Fußball-Europameisterschaft fand eines davon sogar vor unseren Haustüren statt. Selbst wer wie ich während der entscheidenden Wochen im Urlaub oder sonstwie im Ausland weilte, konnte dem Geschehen immerhin im TV oder online beiwohnen, auch wenn man dabei wegen der Geoblocking-Einstellungen auf den deutschen Kommentar verzichten musste. Aber sicher war es ohnehin besser, der Diskussion um nicht gegebene Elfmeter mit ein wenig sprachlichem Abstand zu folgen.
Nachdem in meinem Haushalt nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft überwiegend die Frage diskutiert wurde, ob Gareth Southgate ein Fußballterrorist sei oder nicht, und England am Ende zum Glück einmal mehr keinen Pokal gewinnen konnte, hat uns als nächstes visuelles Spektakel die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris übermannt. Hier waren die Grenzen zwischen real und virtuell schon deutlich fließender als beim eher einfach gestrickten Fußball- Event.
Doch die Kombination von virtuell und real muss man können – und lernen. Genau dazu diente das wohl einmalige Set Extension Seminar an der Filmhochschule Baden-Württemberg in Ludwigsburg, das jährlich als gemeinsame Veranstaltung von drei unterschiedlichen Departments stattfindet. Der kameraseitig betreuende Dozent und DoP Matthias Bolliger berichtet ab Seite 22.
Ganz ohne virtuelle Erweiterungen kommt hingegen die Kino-Adaption des Theaterstücks „Der Prozess“ aus, die Regisseur RP Kahl und DoP Guido Frenzel in formaler Strenge und großer Klarheit inszenierten und sich dabei neben den schauspielerischen Leistungen auf ein Broadcast- Ökosystem verließen.
Dass der Film in seiner finalen Fassung vier Stunden dauert, sollte niemanden abschrecken – wie mein Kollege Timo Landsiedel berichtet, konnte er sich bei seiner Recherche nur mit Mühe von dem Sog losreißen, den „Der Prozess“ in seiner Kino-Fassung ausübt. Den Artikel finden Sie ab Seite 8. Viel Spaß beim Lesen!
Ihr
Uwe Agnes
Chefredakteur
Ausgabe 9.2023
FOKUS
Editorial
Drei Fragen an … Jonas Jehle aus Berlin
AT WORK
Strenge Klarheit Für die vierstündige Kino-Adaption des Theaterstücks „Die Ermittlung“ orientierte sich DoP Guido Frenzel visuell an der formalen Strenge des Stücks und verließ sich dabei auf Live-Broadcast-Technologie.
HANDS-ON
Real und virtuell zusammen denken Ein Seminar-Highlight dieses Jahres an der Filmakademie Baden-Württemberg war der Set Extension Workshop. DoP Matthias Bolliger berichtet als betreuender Kamera-Dozent über die Kooperation dreier Departments.
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