DoP Jennifer Günther dreht Dokuserie „Kicken wie ein Mädchen“ über junge Fußballerinnen
Respekt und Ehrgeiz
von Timo Landsiedel,
Regisseurin Karin de Miguel Wessendorf begleitete für die Webserie „Kicken wie ein Mädchen“ jugendliche Fußballerinnen, die kurz vor dem Sprung in den Profifußball stehen. DoP Jennifer Günther war für die Bildgestaltung des Projekts verantwortlich. Wir sprachen in unserer Ausgabe 9.2024 mit der Kamerafrau über die Herausforderungen einer solchen Doku-Serie, wie sie die Technik aufstellte und welchen dokumentarischen Ansatz sie verfolgte.
Viele Dokumentarfilme sind schon über die Fußballnationalmannschaft der Männer gedreht worden, einige besser, andere schlechter. Doch Dokumentationen über den Frauenfußball sind noch rar. Regisseurin Karin de Miguel Wessendorf will das ändern. Im Sommer 2021 begann sie die Dreharbeiten zu einer Webserie über junge Fußballerinnen aus dem Ruhrgebiet. Ihr Ziel war es, die Hoffnungen, die Motivation und den Ehrgeiz der jungen Mädchen zu ergründen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Profifußballerinnen zu werden. Und das obwohl der Frauenfußball hierzulande noch immer deutlich hinter der Anerkennung des Männerfußballs liegt.
Begeisterung für Doku
Früh mit im Team der Regisseurin war DoP Jennifer Günther. Die Kamerafrau aus Köln machte Ende der 1990er Jahre zunächst beim regionalen Sender Westerwald-Wied TV eine Ausbildung zur Mediengestalterin Bild und Ton. „Da habe ich alles gemacht, von Kamera bis zum Schnitt“, so Jennifer Günther. „Das war supergut, weil ich alles ausprobieren konnte – aber ich kam auch sehr schnell an eine Grenze. Es konnte mir keiner mehr etwas beibringen.“ Daher durfte sie ihre Ausbildung um ein halbes Jahr verkürzen, um direkt weiterzustudieren. 2001 ging sie also nach Stuttgart und studierte an der Hochschule der Medien den Studiengang Audiovisuelle Medien mit der Spezialisierung auf die Kamera. „Als ich das erste Mal eine 16-mm-Kamera in der Hand hatte, war es um mich geschehen“, sagt Jennifer Günther.
Die Hochschulzeit verbrachte die Kamerafrau mit vielen hochschulinternen Kurzfilmen sowie Assistenzen an der nahe gelegenen Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Nach dem Abschluss 2006 war sie für die Bildgestaltung bei mehreren Low-Budget-Spielfilmen, Dokumentarfilmen sowie einer Kinderserie mit Puppen verantwortlich. 2014 drehte sie den ARD-Mittwochsfilm „Aus der Kurve“ mit Stanislaw Mucha und wenig später den Dokumentarfilm „Lucica und ihre Kinder“ mit Bettina Braun. „Für mich ist am Schönsten, wenn man beim Leben von anderen Menschen einfach dabei sein kann“, erläutert Günther ihre Begeisterung für das Dokumentarische, „wenn man sich mit ihnen bewegt, beobachtend.“
Regisseurin Karin de Miguel Wessendorf kannte Jennifer Günther schon von früheren Projekten, da sie für die Regisseurin bei einigen Drehtagen ausgeholfen hatte. 2021 sprachen die beiden erstmals über die Idee zu „Kicken wie ein Mädchen“. Karin de Miguel Wessendorf wollte die Spielerinnen der U15-Mannschaft von SGS Essen porträtieren, deren Hauptteam in der Frauenfußball-Bundesliga spielt. Die U15-Spielerinnen waren für sie deshalb so interessant, weil in diesem Alter die Weichen in den Profifußball gestellt werden. In der Serie geht es neben dem Fußballerischen auch um Empowerment und Chancengleichheit.
Die Regisseurin musste leider schnell feststellen, dass eine Finanzierung des Projekts schwierig würde. Sie hatte im Sommer 2021 bereits einige Aufnahmen mit ihrer Sony PXW-Z190 selbst gedreht, im Oktober stieß Jennifer Günther hinzu. Für beide war klar: Sie wollten viel aus der budgetären Limitierung herausholen. Jennifer Günther brachte daher ihr eigenes Equipment mit ein, was sich für eine schnelle, flexible Drehweise aber auch sehr gut eignete.
Die meisten Aufnahmen entstanden auf der Sony Alpha 7sII mit Sony-XLR-Adapter für das Kameramikrofon sowie den Timecode. Das Canon 24-105 mm kam mit Metabones-Adapter zum Einsatz. Für die Spielsituationen gab es noch ein Sony 70-200 mm. Als Stativ hatte die Kamerafrau ihr Sachtler Ace M dabei. „Sehr praktisch war, dass das alles sehr klein und leicht ist“, so DoP Günther. „Der größte Vorteil der Kamera ist, dass sie sehr lichtstark ist und man sehr viel Available Light drehen kann.“ Zudem hat die Kamera eine sehr gute, integrierte 5-Achsen-Bildstabilisation. „Ich habe eine besondere Art, mich beim Drehen zu bewegen“ verrät die Kamerafrau. „Zusammen mit der Bildstabilisierung ergab das sehr ruhige, aber dennoch bewegte Bilder, zum Beispiel in den Jugendzimmern der Mädchen.“
Entdecken
„Mich hat das Thema sofort fasziniert“, sagt Jennifer Günther. „Also diese jungen Mädchen und ihre Träume, aber auch ihre Engagement zu begleiten. Als ich dann das erste Mal mit dabei war, war ich begeistert von den Mädchen, aber auch von deren Trainern, die den Mädchen weit über das Fußballerische hinaus etwas beibringen.“
Die Kamerafrau ergründete zunächst, welchen visuellen Stil sich Karin de Miguel Wessendorf vorstellte. „Also mehr Szenen in langen Einstellungen zu zeigen oder mehr aufzulösen“, sagt die Kamerafrau. Für die Regisseurin war es wichtig, während der Spiele nicht nur das Geschehen auf dem Platz zu zeigen, sondern gerade die Interaktion mit den Trainern und deren Anleitung mitzunehmen. „Es ging uns nicht darum, Fußballspiele darzustellen, sondern eine Verbindung zu dem Ganzen herzustellen“, berichtet DoP Günther. „Welche Emotionen haben die Protagonistinnen? Welche Anweisungen gibt es? Wie reagieren sie?“