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Set Extension Workshop an der Filmakademie Baden-Württemberg (2)

LED-Volumes als Set-Erweiterung

Der Set Extension Workshop an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg gehört zu den Seminar-Highlights jedes Jahres. DoP Matthias Bolliger und Produktion Designer Thomas Stamm, der die Kooperation dreier Departments ins Leben gerufen hat, fassten in unserer Ausgabe 9.2024 die Learnings zusammen und gaben Praxistipps.

Set Extension Workshop
Foto: Matthias Bolliger

Production Designer Thomas Stammer über LED-Volumes als Set-Erweiterung

Bei der Entscheidung, ob eine virtuelle Produktion sinnvoll ist, geht es um die Frage des filmischen Konzepts. Dabei ist es ausschlaggebend, dass die Kreativen praktische Erfahrungen in den Auswahlprozess mitbringen. Die Studierenden des Set-Extension Workshops entwickeln dazu eine gemeinsame Topografie für den analogen und digitalen Raum. Studiobau und 3D-Hintergrund werden dann im Studio filmisch zusammengeführt. Das Ziel ist, durch eine planerische und gestalterische Verbindung die analogen und digitalen Elemente möglichst nahtlos zu integrieren.

Nur durch eine gesamtheitliche Betrachtung entsteht ein World-Building über die Grenzen der Departments hinweg. Der Workshop wurde entwickelt, um die praktische und gedankliche Trennung von analogem und digitalem Raum zu überbrücken. Wenn die Parallaxen der analogen und digitalen Objekte über Motion-Tracking interagieren, entsteht in der Kamera die Illusion eines homogenen räumlichen Erzählraums. Um die Parallaxenverschiebung im Studio und virtuellen Raum abzubilden, gilt: Je mehr identische analoge und virtuelle Objekte im Studio und im 3D-Raum hintereinander gestaffelt sind, desto besser. Die synchrone Bewegung ihrer aufeinander ausgerichteten Achsen schafft dann die perfekte Verbindung. Bei der Benutzung eines LED-Volume muss die analoge Gestaltung des Sets im Studio genau bemessen werden: Die Fläche der LED-Screens ist durch die Höhe und Breite des Studios begrenzt.


Studio-Setup beim Set Extension Workshop

Hauptwand

  • 10 × 4 m / 5 m gerade, an den Seiten jeweils 2,5 m um 3 Grad gebogen
  • 3.840 × 1536 Pixel, 20 × 8 Elemente vP2+, Pixelabstand 2,6 mm real
  • LED Konfiguration SMD 3 in 1 RGB, Auflösung pro Modul 192 × 192 Pixel
  • Receivingcard Brompton R2, Helligkeit auf 1.200 nits kalibriert, Kontrast: 5500:1
  • 39 kg pro m², Schutzklasse: IP40

Deckensegel

  • 5 × 3 m, 1.280 × 1.024 Pixel 10 × 8 Elemente rX3ioBF V1, Pixelabstand: 3,9 mm real,
  • LED Konfiguration: SMD 3 in 1 RGB, Auflösung pro Modul 128 × 128 Pixel
  • Receivingcard: Novastar A8s, Helligkeit auf 5.000 nits kalibriert, Kontrast: 5.000:1
  • 40 kg pro m², Schutzklasse: IP65

Sync

  • Rosendahl nanosync HD Sync-Generator, Tektronix TG700 Sync-Generator, Ambient
  • ACN Lockit Timecode- und Syncgenerator ACN-CL, Nvidia Quadro Sync II

Rendering

  • AMD Ryzen 7950 64GB RAM 2 × Nvidia RTX A5000

Tracking

  • 24 × Optitrack Prime 41 / Active Puck / Motive 3.x Ncam Reality System, Vive MARS

Auf der anderen Seite benötigt das Volume aber einen realen Studio-Vordergrund, um die Schwächen der LED in Auflösung und Kontrast auszugleichen. Denn je größer die Inszenierungsfläche im Studio ist, desto weiter entfernt sind die LED-Panels im Hintergrund. Dadurch sind Unschärfe und der Kontrastabfall kein Problem mehr, sondern wirken fotografisch sogar realistischer. Die mindestens notwendige Aktionsfläche im Studio wird durch die Größe der LED-Wand, des Studiogrundrisses und die Brennweiten der Kamera definiert. Sowohl die Dimensionen von Screen und Studiobauten, ihrer räumlichen Staffelung, als auch Farbigkeit, Oberflächen und Practicals werden vom Art Department vorab definiert und entwickelt. Sie werden dann gescannt und in Unreal simuliert. Für diese Abfolge im Workflow benötigt das Production Design einen zeitlichen Vorlauf, um die Grundlagen für die digitale Erweiterung im LED-Volume zu schaffen. Der virtuelle Raum kann den analogen Raum simulieren – umgekehrt geht das nicht.

Thomas Stammer
Production Designer Thomas Stammer
beim SEW-Workshop (Foto: Matthias Bolliger)

Bei seriellen Projekten überwiegen die Vorteile des LED-Volumes als Set-Ergänzung gegenüber dem logistischen und baulichen Aufwand: Einmal eingerichtet und ausgeleuchtet können die virtuellen Sets immer wieder verwendet und „in camera“ vielfältig aufgelöst werden, ohne dass bei jeder Einstellung neue Kosten entstehen. Die LED-Panels dienen gleichzeitig als Set-Beleuchtung und liefern dadurch realistische Reflexionen. Außerdem können Spezialeffekte wie Rauch und Regen genutzt und beleuchtet werden, die vor Green Screens nicht möglich und deren Interaktionen mit der Szene in der Postproduktion sehr aufwendig sind. Sobald die digitalen Sets gebaut sind und die Beleuchtung im Studio gespeichert ist, kann man sehr schnell nacheinander viele unterschiedliche Locations auf der LED-Wand aufrufen. Statt mehrerer Hallen mit Set-Bauten zu belegen, wird nur eine Halle mit LED-Volume benötigt.

Für die analogen Sets sind allerdings sowohl der schnelle Wechsel der Ausleuchtung als auch die wechselnden Kamerarichtungen logistisch anspruchsvoll. Diese Umbauten im Grundriss der Sets kann das Art Department durch bewegliche Bühnenteile oder Drehbühnen realisieren. Ein Aufwand, der sich in einer seriellen Produktion lohnt, wenn die vorher skizzierten gestalterischen und logistischen Einschränkungen beachtet werden. Im Vergleich zu den klassischen Studiobauten mit Green Screen oder Umzügen zu Original-Locations ist dieser Ansatz dann effizienter und auch ökologischer. Dennoch war es auch im diesjährigen Workshop verpflichtend, Blue oder Green Screen einzusetzen, wenn diese Technik zielführender und effizienter erschien. [15468]


Spickzettel Virtual Production

Vorteile

  • ideal für serielle Produktion an einer festen Location oder schnelle Wechsel zwischen vorbereiteten Sets
  • unabhängig von Tageslicht und Wetter
  • ermöglicht eine erhöhte Anzahl von shots per day, gegebenenfalls sind auch mehrere Kameras einsetzbar
  • weniger Post-Production erforderlich
  • Licht und Reflexionen real möglich
  • Talents können direkt darauf reagieren und Bezug nehmen
  • möglicherweise preiswerter und effizienter als an unterschiedlichsten Motiven zu drehen, keine Reisekosten

Nachteile

  • größere und aufwendigere Pre-Production
  • Studiomiete und Stromkosten, Kosten für zusätzlich qualifiziertes Personal
  • Einschränkung der Setgröße und des Bewegungsfreiraums
  • Keine direkte Schärfenverlagerung auf die LED-Wall aufgrund von Moiré
  • Schnelle Kamerabewegungen und Reißschwenks können zu Bewegungs-Artefakten auf der LED-Wall führen
  • Zeitlupenaufnahmen sind wegen der Flickerfrequenz der LED-Wall nicht direkt möglich
  • Boden und Himmel zu zeigen erfordert gegebenenfalls weitere VFX-Retuschen
  • Farb-Shifts durch den optischen Spektralaufbau der LED-Panels
  • Tracking-Probleme, wenn Handlung oder Kamera näher an der Wall sind
  • Beeinflussung des Original-Tons durch die LED-Wall
  • What you see, is what you get: Hintergrund ist nicht mehr wie beim Chroma-Key-Verfahren austauschbar

Vorsicht

  • Genügend Zeit für die Pre-Production einplanen (TechViz / PreViz) und Testtag im Studio einkalkulieren
  • Vordergrund und vor allem ein real-gebauter Mittelgrund sind elementar, um keinen Backdrop-Effekt zu bekommen
  • Kamera-Bewegungen mit Parallaxen fördern das Gefühl der Verschmelzung von realem Vordergrund und digitalem Hintergrund
  • Bewegung auf dem Zuspieler der LED-Wand ist meist sehr hilfreich, um den Realismus zu unterstützen
  • Haze kann eingesetzt werden, beeinträchtigt jedoch die Schwarzwiedergabe der LED-Wand
  • Allgemein erhöhtes Lichtniveau zum Schutz der Schwarzwiedergabe auf Wall (Wall performt mit erhöhter Helligkeit besser, Optimum ab etwa 300 nits)
  • Bei dunklem Studio-Umfeld wenn nötig leuchtende Tracking-Marker für zusätzliche digitale VFX Set-Extension einsetzen
  • Don’t look at the wall with your eyes only – use your camera!

 

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