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BVFK entwirft Rahmenvertrag für Solo-Selbstständige in der TV-Branche

Rahmen für die Branche

Mit einem neuen Kollektivvertrag für Solo-Selbstständige, insbesondere Kameraleute, möchte der Bundesverband der Fernsehkameraleute BVFK klare Standards für Vergütung,Versicherungen und Arbeitsschutz auf rechtssicherer Grundlage etablieren. Langfristig sollen diese Standards faire und verlässliche Bedingungen in der Branche schaffen.Wir sprachen mit dem BVFK-Vorsitzenden Frank Trautmann und Fachanwalt Tobias Sommer darüber, wie das gelingen soll.

Rechtliche Fragen sind ein wichtiger Aspekt im Wirken des BVFK, was sich ja auch am „Tag des Rechts“ zeigt, den ihr kürzlich in Hamburg durchgeführt habt. Nun hat der BVFK einen Kollektivvertrag für Solo-Selbstständige entworfen. Was hat es damit auf sich?
Frank Trautmann: Als Verband, der hauptsächlich selbstständige Kameraleute vertritt, stehen wir vor der Herausforderung, dass wir uns nur eingeschränkt für Honorare und Vergütungen einsetzen können, da die Mitglieder eben nicht in klassischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sondern als Selbstständige tätig sind. Dadurch gelten andere rechtliche Rahmenbedingungen. Eine Möglichkeit, die theoretisch zur Verfügung steht und die wir schon einmal genutzt haben, ist die Schaffung gemeinsamer Vergütungsregeln durch Kollektivverträge, die in diesem Fall auf das Urheberrecht gestützt waren. Allerdings wird uns da oft entgegnet, dass solche Honorarvereinbarungen nicht rechtssicher seien, da die Vereinbarungen am Ende als individuelle Verträge gelten, weil die einzelnen Kameraleute und nicht der Verband selbst unterschreiben. Vor etwa drei Jahren hat die EU Leitlinien zur kollektivvertraglichen Regelung für Solo-Selbstständige herausgebracht, die zwar keine Gesetzeskraft haben, aber dennoch eine gewisse Orientierung bieten. Diese Leitlinien beschreiben ziemlich genau die Situation von Kameraleuten: Sie arbeiten zwar selbstständig, sind dabei jedoch abhängig von den Vorgaben der Auftraggeber. In den Leitlinien, insbesondere in Abschnitt 8 und 9, wird anerkannt, dass auch für Selbstständige Kollektivverträge möglich sein können. Das hat der BVFK als Projekt über die letzten Jahre weiterverfolgt, um eine bessere Rechtsgrundlage für die Vergütung der Mitglieder zu schaffen.

Üblicherweise würde ja ein Solo-Selbstständiger sein Beschäftigungsverhältnis mit dem Auftraggeber auf individueller Basis abklären. Wo können da Kollektivverträge ins Spiel kommen?
Frank Trautmann: Aktuell haben wir einen Entwurf erarbeitet, den wir bewusst noch nicht öffentlich verbreitet haben. Dieser Entwurf dient in erster Linie als Grundlage für Verhandlungsführer und fasst alles zusammen, was aus unserer Sicht für die Tätigkeit von Fernsehkameraleuten wichtig ist. Er basiert im Wesentlichen auf den BVFK-Standards, die wir in den letzten 15 Jahren entwickelt haben. Es geht dabei nicht nur um Honorare, sondern auch um alle wesentlichen Punkte wie Versicherungen, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie sozialrechtliche Aspekte und allgemeine Geschäftsbedingungen. Alles, was wir meinen, was für die Arbeit von Kameraleuten gelten sollte, ist hier festgehalten. Im Grunde ist das etwas, das jede Kamerafrau und jeder Kameramann so unterschreiben könnte. Unser Ziel ist es, dass die Kameraleute nach diesen BVFK-Standards arbeiten. Unsere Mitglieder sind bei uns, damit wir solche Standards erarbeiten und durchsetzen. Jetzt sehen wir in diesem Entwurf ein gutes Mittel, um diese Standards auch wirklich mit Aussicht auf realen wirtschaftlichen Erfolg umsetzen zu können.


Hier finden Sie die Muster AGBs des Bundesverbands der Kameraleute BVFK!


Was sind denn die rechtlichen Implikationen dabei?
Tobias Sommer: Der BVFK unterstützt Kameraleute auf mehreren Ebenen, wenn es um Verträge und Vergütung geht. Erst einmal zur individuellen Ebene: Da können Kameraleute direkt mit ihren Auftraggebern verhandeln. Der BVFK hilft hier mit Muster-AGBs, die man problemlos in die Verträge einbauen kann – einfach einen Verweis darauf in der E-Mail beim Vertragsabschluss einfügen, dann sind sie rechtswirksam. Das ist ein wirklich guter Service, weil diese AGBs immer aktuell gehalten werden und man rechtlich einfach besser abgesichert ist. Dann gibt es die urheberrechtliche Ebene, also Vergütungsregeln, die für bestimmte Tätigkeiten vereinbart wurden. Da hat der BVFK zum Beispiel zusammen mit der DFL-Tochter und Broadcast-Dienstleister Sportcast Standards für Kameraleute im Stadionbereich geschaffen. Hier kann man wenigstens bei den Honoraren einheitliche Regelungen schaffen, auch wenn es bei Selbstständigen sonst schwierig ist. Als nächste Sprosse auf der Leiter kommt dann das Arbeitsrecht, das eine unglaubliche Vielfalt an tariflichen Regelungen bietet, vor allem natürlich für Angestellte. Da gibt es eine ganze Kaskade – von Einzelvereinbarungen bis zu großen Tarifverträgen. Ein Beispiel ist der Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende TV FFS. Der regelt genau, welche Gagen beim Filmdreh gezahlt werden und schafft so eine klare Orientierung auch für Kameraleute.

Porträt Tobias Sommer
Fachanwalt Tobias Sommer (Foto: privat)

Der BVFK schaut sich all das genau an und sucht nach Ansätzen, wie solche Regelungen auch für selbstständige Kameraleute genutzt werden können. Es gibt in anderen Branchen schon ähnliche Tarife, etwa für freie Journalist:innen bei Tageszeitungen. Das kommt unserer Situation schon sehr nah. Der BVFK will genau solche Standards entwickeln, um auch für selbstständige Kameraleute verlässliche und faire Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn wir auf dieser Hierarchie-Leiter der Regelungen noch eine Sprosse nach oben klettern, kommen wir zu den Tarifverträgen. Hier gibt es folgende Lage: Wenn ein Tarifvertrag vom Ministerium für allgemeinverbindlich erklärt wird, gilt er nicht mehr nur für die beteiligten Vertragsparteien, sondern für die gesamte Branche – eine umfassende Regelung, die auch für den BVFK relevant sein könnte, nämlich im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende TV FFS, der Arbeitszeiten und Gagen am Filmset festlegt.

Als dieser Vertrag kürzlich auslief, gab es eine rechtliche Lücke, die theoretisch für viele Ansprüche, etwa auf Überstundenvergütung, hätte sorgen können. Nun wurde der Vertrag erneuert, und es gibt Gespräche darüber, ihn allgemeinverbindlich zu machen, was ihm nahezu Gesetzeskraft verleihen würde. Parallel dazu gibt es seit einigen Jahren Leitlinien der EU, die den Zugang zu Tarifverträgen auch für Solo-Selbstständige fördern sollen. Diese Richtlinien entstanden ursprünglich aus der Plattformökonomie, aber sie umfassen auch selbstständige Berufstätige wie Kameraleute. Lange Zeit standen tarifliche Regelungen für Selbstständige unter Verdacht, kartellrechtliche Probleme zu verursachen, weil sie als verbotene Preisabsprachen gewertet werden könnten. Die EU hat aber klargestellt, dass dies hier nicht zutrifft, und fordert dazu auf, Missstände wie geringe Einkünfte und unzureichende Altersvorsorge bei Selbstständigen über kollektive Verhandlungen zu lösen. Der BVFK ist hier aktiv dabei und entwickelt erste Ansätze für kollektive Standards, mit dem Ziel, eine verbindliche tarifähnliche Regelung für selbstständige Kameraleute zu schaffen. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen und Verbänden ist der BVFK damit bereits relativ weit vorne – nicht nur für Kameraleute, sondern als Modell auch für andere Solo-Selbstständige.

Porträt Frank Trautmann
BVFK-Vorsitzender Frank Trautmann (Foto: privat)

Frank Trautmann: Wir als BVFK haben uns da natürlich eine Gestaltungsfreiheit herausgenommen und die Flexibilität genutzt, die die EU-Leitlinien zur tariflichen Absicherung von Solo-Selbstständigen bieten. Diese Leitlinien, ursprünglich auf Englisch verfasst, sprechen von „collective agreements“, was wir als Verband nicht streng als „Tarifvertrag“, sondern eher als „Kollektivvertrag“ interpretieren. Der Begriff passt besser zu unserer Klientel und vermeidet Missverständnisse, dass Kameraleute automatisch als Arbeitnehmer gelten könnten. Andere Verbände waren in dieser Hinsicht oft zurückhaltend, aus Sorge, dass selbstständige Tätigkeiten als abhängige Beschäftigungen umgedeutet werden könnten. Wir hingegen achten darauf, dass unsere Regelungen den selbstständigen Charakter der Tätigkeit respektieren. Formulierungen wie „sofern nichts anderes vereinbart“ unterstreichen, dass die individuelle Verhandlungsfreiheit weiterhin Priorität hat.

Wir nennen das Ganze „Regelungsabrede“ – ähnlich einer Betriebsvereinbarung. Statt einfach nur eine Honorarvereinbarung abzuschließen, die am Ende womöglich gar nicht rechtssicher ist, schaffen wir damit etwas Tiefergehendes, das wirklich alle wichtigen Standards festlegt. Bei vielen Produzentinnen und Produzenten, die ja keineswegs „die Bösen“ sind, gibt es ebenfalls eine große Sehnsucht nach klaren und vernünftigen Vereinbarungen. Es besteht auf beiden Seiten der Wunsch nach stabilen Beauftragungsverhältnissen, auch wenn die Umsetzung manchmal etwas knirscht.

Der Kollektivvertrag soll also kollektiv auf Seiten der BVFK-Mitglieder sein. Wie kollektiv ist er denn bei den Verhandlungspartnern?
Frank Trautmann: Wir haben jetzt einen Kollektivvertrag entworfen, der in einem ersten Schritt mit einem Auftraggeber vereinbart werden soll. Ob das am Ende ein Verband oder ein einzelner Auftraggeber sein wird, ist noch offen. Wichtig ist, dass wir alle grundlegenden Standards mit einbezogen haben, die für beide Seiten Rechtssicherheit schaffen: das betrifft den sozialrechtlichen Status, Weisungsrechte, betriebliche Vorgaben, steuerliche Aspekte, Betriebsmittel, sowie Versicherungen für Haftpflicht, Unfall und Altersvorsorge. Auch Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Nutzungsrechte sind geregelt. Das Ziel ist eine wirklich rechtssichere und faire Beauftragung.

In den nächsten Schritten wollen wir uns an Produzentinnen und Produzenten wenden, die an solchen klaren Standards interessiert sind. Wir hoffen, so ein Modell zu entwickeln, das sich bewährt und auch weitere Zustimmung findet. Langfristig ist auch eine Zusammenarbeit mit größeren Produktionen und Sendern denkbar, besonders, um faire Preise und Standards für EB-Teams festzulegen, statt sich auf das oft schwierige Ausschreibungsmodell zu verlassen. Unser Mustervertrag dient also nicht nur als Arbeitsgrundlage, sondern auch als politisches Werkzeug, mit dem wir gemeinsam mit Sendern und Produzenten klare, verlässliche Regeln etablieren können. Zusätzlich haben wir in den Vertrag einen Code of Practice aufgenommen, der Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte, Gendergerechtigkeit und nachhaltiges Produzieren mit einschließt.

Habt ihr konkret schon ein Produktionsunternehmen im Blick, das ihr hier als erstes mit ins Boot holen möchtet?
Frank Trautmann: Nein, den Entwurf gibt es ja auch noch nicht so lange. Wir haben ihn im Sommer fertiggestellt und danach erst einmal die Werbetrommel gerührt. Aber auf unserer Agenda steht, dass wir noch in diesem Jahr mit jemandem in konkrete Verhandlungen treten wollen. [15516]

 

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