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43. Filmschoolfest Munich

Konzentration und Magie

Beim 43. Filmschoolfest Munich präsentierten Filmstudierende aus aller Welt neun Tage lang ihre Werke. Giulia Schelhas gewann für ihre Kameraarbeit bei „The Birthday Party“ den von Film & TV Kamera gestifteten Student Camera Award. Wir sprachen für unser Heft 1-2.2025 mit der Preisträgerin.

Gulia Schelhas
Gulia Schelhas an der ARRIFLEX 416 (Foto: Simone Settimo)

Giulia Schelhas, Jahrgang 1989, ist eine in Berlin ansässige Kamerafrau. Zunächst studierte sie Bildende Kunst an der Università IUAV in Venedig, wo sie sich auf Videokunst und Fotografie konzentrierte. Nachdem sie am Set in der Kameraabteilung gearbeitet hatte, zog sie nach Berlin und begann ein Kamerastudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Sie drehte zahlreiche Kurz-, Mittel- und Langfilme sowohl im analogen als auch im digitalen Format. Sie wurde auf dem Filmschoolfest mit dem von Film & TV Kamera gestifteten Student Camera Award ausgezeichnet.

Herzlichen Glückwunsch zum Student Camera Award für die Bildgestaltung von „The Birthday Party“! Wie bist du an dieses Projekt gekommen?
Vielen Dank, das war wirklich eine großartige Erfahrung. Der Abend war sehr schön, und ich hätte nicht damit gerechnet, den Preis zu gewinnen. Es ist immer etwas Besonderes, Anerkennung für die eigene Arbeit zu bekommen. Der Regisseur Francesco Sossai, die Produzentin Cecilia Trautvetter und ich haben alle einen italienischen Hintergrund – entweder durch beide Elternteile oder einen Teil der Familie. Wir haben uns relativ schnell an der DFFB gefunden und während unserer Studienzeit viele Projekte zusammen realisiert.

Francesco und ich stammen zwar aus unterschiedlichen Regionen Italiens, aber beide aus ländlichen Gegenden. Als ich das Drehbuch gelesen habe, konnte ich sofort die Atmosphäre dieser Geburtstagsfeiern auf dem Land in den 1990er-Jahren wiedererkennen. Ich glaube, genau deshalb hat Francesco mich auch als Kamerafrau ausgewählt – weil ich diese Stimmung kenne und großes Interesse daran hatte, sie auf eine bestimmte Weise visuell nachzubilden.

Mit welcher gestalterischen Idee bist du an deine Kameraarbeit gegangen? Waren das die Bilder, die du schon aus der Vergangenheit im Kopf hattest?
Francesco und ich hatten uns vor Beginn der Dreharbeiten viele italienische Horrorfilme von Mario Bava oder Dario ­ Argento angeschaut. Uns war schnell klar, dass wir einige Elemente aus diesen Filmen übernehmen wollten. Gleichzeitig ging es darum, eine Rekonstruktion zu schaffen: Wie kann man das Gefühl, das man damals bei diesen Geburtstagsfeiern hatte, durch Licht, Ausstattung und Kostüme wieder zum Leben erwecken?

Für mich spielte dabei das Licht eine ganz wichtige Rolle. Diese kleinen, kalten Räume hatten für mich immer eine gelb-grüne Lichtfarbe, die von den damals verwendeten Leuchtmitteln herrührte, mit ihren Farbstichen, die zwischen Magenta und Grün schwankten. Es wirkte immer ein bisschen ungesund und genau diese Stimmung wollten wir auch für den Film erzeugen.

Ein ähnliches Gefühl hatten wir bei den Straßenlaternen aus dieser Zeit in Italien. Wir haben viel experimentiert, um diese Atmosphäre nachzubilden. Dabei war uns klar, dass unsere Erinnerung vielleicht nicht hundertprozentig der Realität von damals entspricht, denn manches, an das wir uns erinnern, ist sicher auch von der Fantasie geprägt. Aber genau diese Mischung aus Erinnerung und Interpretation war unser Ziel.

Giulia Schelhas, Preisträgerin des diesjährigen Student Camera Award, um- rahmt von den Jurymitgliedern Selin Dettwiler und Anton von Lucke sowie „Film & TV Kamera“-Chefredakteur Uwe Agnes
Giulia Schelhas, Preisträgerin des diesjährigen Student Camera Award, umrahmt von den Jurymitgliedern Selin Dettwiler und Anton von Lucke sowie „Film & TV Kamera“-Chefredakteur Uwe Agnes (Foto: Ronny Heine / Filmschoolfest)

Welches Licht hast du dafür gesetzt?
Das Schwierigste bei diesem Projekt war definitiv die Beleuchtung, vor allem bei den vielen Außendrehs auf dem Land. Nachts gibt es dort kaum vorhandenes Licht, das man nutzen könnte. Deshalb habe ich Rodlight kontaktiert und sie haben uns eine Lampe gesponsert. Das war eine große Hilfe, denn wir haben diese Lampe bei allen Nachtdrehs als Grundlicht eingesetzt. So konnten wir sicherstellen, dass das Bild nicht völlig absäuft. Zusätzlich hatten wir Tungsten-Leuchten im Einsatz. In der Küche haben wir eine richtige Lichtinstallation aufgebaut. Die gesamte Decke war mit einer großen LED-Panelstruktur geriggt, die wir flexibel dimmen konnten. Unser Oberbeleuchter Edoardo Scussel hat das großartig gemacht. So konnten wir in bestimmten Bereichen mehr Licht setzen, in anderen weniger – teilweise mit zusätzlichen Folien, um die Wirkung zu verändern. Auch mit Reflektoren haben wir viel gearbeitet, besonders bei Tageslicht. Insgesamt hatten wir aber nur ein sehr kleines Beleuchtungspaket. Ein Teil davon stammte von der DFFB, ein anderer Teil wurde uns von ARRI gesponsert. Das gesamte Equipment haben wir aus Deutschland mitgenommen – in einem Sprinter, den ich nach dem Dreh selbst zurückgefahren habe!

Was fandest du am schwierigsten bei den Dreharbeiten?
Für mich waren die nächtlichen Drehs eine der größten Herausforderungen bei diesem Projekt. Ich wusste, dass wir nicht die Mittel hatten, um extrem viel Licht einzusetzen, und es war das erste Mal, dass ich echte Nachtaufnahmen auf 16-mm-Film gedreht habe. Aber genau das hat den Reiz ausgemacht. Es war eine schöne Herausforderung, heraus- zufinden, wie man damit umgeht. Am Ende hat mir das Ergebnis wirklich gut gefallen.

Eine weitere Schwierigkeit waren die Drehorte in Häusern mit sehr niedrigen Decken. Das hat die Arbeit etwas komplizierter gemacht, aber auch das ließ sich bewältigen. Ich denke, solche Herausforderungen gehören einfach dazu. Ich finde es gut, wenn man bei jedem Projekt etwas Neues lernt, das man vorher nicht wusste.

Wie bist du denn auf die Entscheidung gekommen, den Film auf 16 Millimeter zu drehen?
16 Millimeter ist generell eine große Leidenschaft von mir, und für Francesco ist es ähnlich. Wir hatten schon lange den Wunsch, ein Projekt auf 16 Millimeter zu drehen, und für „The Birthday Party“ schien es gut zu passen, da die Geschichte in den 1990er Jahren spielt. Der Look des 16-Millimeter-Films hat die Atmosphäre dieser Zeit gut abgebildet. Gleichzeitig hatte es auch etwas Magisches, fast Traumhaftes, das den Ton der Geschichte unterstützte. Ich glaube, dieser analoge Look konnte eine Fantasiewelt schaffen, die mit digitalen Mitteln so nicht möglich gewesen wäre. Es fühlte sich einfach wie die richtige Entscheidung für dieses Projekt an.

Filmstillaus „The Birthday Party“
Nacht auf dem Lande und ungesundes Licht: Filmstill aus „The Birthday Party“ (Foto: Giulia Schelhas)

Mit welcher Kamera hast du gedreht und und welches Material hast du eingesetzt?
Wir haben mit der ARRIFLEX 416 auf Kodak Vision 3 500T und 200T gedreht. Als Objektive hatten wir ZEISS High Speed S16 und ein Canon 11,5-138 mm S16 Zoom, das wir von ARRI Rental bekommen haben. Das haben wir sehr oft eingesetzt, weil Zooms auch ein wichtiges Stilmittel waren, um den Film zu erzählen.

Wenn du den Dreh auf 16 Millimeter mit der Arbeit mit digitalen Kameras vergleichst: Was ist für dich der wichtigste Unterschied in der Arbeitsweise und was bevorzugst du? Der Drehprozess mit 16 Millimeter ist etwas völlig anderes. Man denkt viel länger über jeden Schritt nach, weil das Material begrenzt ist. Es gibt weniger Takes, und die gesamte Konzentration am Set ist eine andere. Man spürt das auch deutlich. Die Crew wird ruhiger und sobald die Kamera läuft, hört man das physische Rattern des Films. Das schafft eine besondere Atmosphäre, eine Art stille Fokussierung. Gerade beim Drehen mit Kindern, die in unserem Fall alle Laiendarsteller waren, hat diese konzentrierte Stimmung sehr geholfen. Ich glaube, sie haben diese Ernsthaftigkeit wahrgenommen, die vielleicht beim digitalen Arbeiten nicht immer so präsent ist, wo man oft das Gefühl hat, dass man hunderte von Takes machen kann.

Was ich am Arbeiten mit 16 Millimeter besonders mag, ist die intensive Vorbereitung. Natürlich bereitet man sich auch beim digitalen Drehen vor, aber beim Film fühlt sich dieser Prozess noch bedeutsamer an. Man testet Farben, den Look, und plant alles sehr genau. Am Set ist man dann als Kameramann oder Kamerafrau oft die einzige Person, die wirklich weiß, wie das Endergebnis aussehen wird. Das erfordert Klarheit und eine genaue Vision. Man übernimmt als DoP eine besondere Verantwortung.

Du bist im Prinzip die einzige am Set, die weiß, wie das Bild am Ende aussieht.
Ja, genau! Für mich hat das Drehen auf Filmmaterial etwas ganz Besonderes. Ich habe mal gelesen, dass der Reiz daran auch darin liegt, dass die Lichtpartikel, die in genau diesem Moment existieren, direkt auf das Filmmaterial treffen. Und genau das macht es so magisch. Natürlich ist es auch schön, digital zu drehen, keine Frage. Aber 16 Millimeter hat einfach eine eigene, fast greifbare Magie. [15517]

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