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Action anamorphotisch

DoP Felix Wiedemann dreht mit Cooke: Stratton (1/2)

Felix Wiedemann ging zum Kamerastudium nach London. Dort dreht er seitdem für BBC und Konsorten. Im letzten Jahr holte Simon West („The Mechanic“) ihn ans Set des britischen Actionthrillers „Stratton“. Der DoP entschied, die Action mit anamorphotischen Linsen von Cooke einzufangen. Hier Unser Bericht aus dem Film & TV Kameramann 04/2016.

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(Bild: Liam Daniel)

Ein Seitenarm der Themse in London. Es ist ein grauer Tag, nicht selten hier. Ein matt schwarzes Wasserfahrzeug durchpflügt mit hoher Geschwindigkeit die Oberfläche des altehrwürdigen Flusses. Am Steuer steht ein Maskierter. Ihm dicht auf den Fersen ist ein weiteres Schnellboot voller Menschen, deren Aufmerksamkeit nur dem Maskierten gilt.

Die Verfolger kommen näher, holen schließlich auf. Doch kein Schuss fällt. Es startet nicht einmal ein Enterversuch. Am Bug des Verfolgerboots befindet sich kein Maschinengewehr, sondern eine wasserdicht verpackte ARRI Alexa auf einem Libra Head.

Dann erklingt aus dem grauen Kameraboot das erlösende Kommando: „Cut.“ Felix Wiedemann sitzt inmitten des mit Filmtechnik vollgestopften zweiten Schlauchboots. Sein Blick löst sich vom HD-Monitor. Er ist der verantwortliche DoP für „Stratton“ unter der Regie von Simon West. Der Regisseur hat seit seinem Erstling „Con Air“ neben „The Mechanic“ oder „Expendables 2“ ein stattliches Actionportfolio aufgebaut.

Auch der aktuelle Film knüpft an diese Strategie an. Nachdem Superman-Darsteller Henry Cavill im letzten Jahr kurz vor Dreh von Hauptrolle und Koproduktion zurücktrat, übernahm Dominic Cooper die Rolle des titelgebenden Helden John Stratton. Die Grundlage für Fortsetzungen ist da. Duncan Falconer, ehemaliges Mitglied des Special Boat Service (SBS) vom MI-5, schrieb seit 2003 neun Romane um den Agenten.

Jetzt liegt es an Wiedemann, den Plot mit West zusammen auf die visuelle Ebene zu übertragen. Allein für diese Sequenz auf der Themse wurde tagelang vorbereitet. Absperrungen mussten organisiert und Sicherheitsmaßnahmen für Crew und Boote getroffen werden. Für DoP Wiedemann ist „Stratton“ der erste große Actionfilm. „Ich hatte in Großbritannien schon Spielfilme mit Pete Travis gemacht, der ja auch bereits in Hollywood gedreht hat. Aber budgettechnisch ist ,Stratton‘ das bisher Größte“, sagt Wiedemann.

Kurze Vorbereitung

Zum Film kam er spät. Nach dem Zivildienst begann er mit der MiniDV-Kamera seiner Mutter zu experimentieren und hatte Spaß, das Material auch selbst zu schneiden. „Ich fand es interessant, dass ich plötzlich Geschichten entstehen lassen kann“, erinnert sich Wiedemann. Doch zunächst studierte er Medieninformatik, bewarb sich dann an der National Film and Television School in Beaconsfield bei London.

Wiedemann schuf sich während des Studiums ein Showreel, da er vorher nicht im professionellen Bereich gearbeitet hatte. Nach dem Abschluss fand er schnell eine britische Agentur und begann mit Commercials und ersten TV-Serien. So blieb England sein Lebensmittelpunkt und die Projekte wurden immer größer. Der TV-Film „Legacy“ von Pete Travis brachte ihm in 2014 eine Nominierung für den BSC Award in der Kategorie „Best Cinematography in a TV Drama“.

Recht kurz vor dem Beginn der Dreharbeiten von „Stratton“ bekam Wiedemann von seiner Agentur das Angebot, mit West zusammenzuarbeiten. Knapp drei Wochen hatte er nur Zeit, sich auf das aufwändige Unterfangen mit vielen Stunts und viel Spezialequipment vorzubereiten. „Wir haben in Apulien, Rom und London gedreht. Wenn es da auf eine Drehbesichtigung ging, hieß das gleich Flug und Anreise – da sind drei Wochen schnell rum“, erinnert sich Wiedemann.

In dem kurzen Zeitraum lag der Hauptfokus auf der Besichtigung vieler Locations, um diese einerseits auf die Leinwandtauglichkeit, andererseits auf die Eignung für die Actionszenen abzuklopfen. Es war so keine Zeit, konkrete Szenen im Detail zu planen, aber West und Wiedemann besprachen immerhin den generellen Stil des Filmes. Dann ging es erst mal darum, die Kameratechnik auszuwählen und die richtigen Optiken zu bestimmen.

Das gewisse Etwas

Kurz war überlegt worden, auf 35 mm zu drehen. Für Wiedemann stand fest, wenn digital, dann auf dem ARRI-Flaggschiff. „Ich drehe immer auf der Alexa“, so Wiedemann, „Da wir so wenig Vorlaufzeit hatten, hatte ich keine Zeit, mich in andere Systeme hineinzuarbeiten.“ Zudem hat er mit der Kamera reichlich Erfahrung und reiste mit selbst gebauten LUTs ans Set, damit Regisseur West, der zuvor erst einmal digital gedreht hatte, den gemeinsam gewählten Stil jederzeit vor Augen hatte.

Der vertraute ihm auch später komplett in Sachen Exposure und konzentrierte sich auf den Bildausschnitt. Für Anamorphoten entschieden sie sich gemeinsam. „Wir wollten auf jeden Fall das Cinemascope-Seitenverhältnis“, sagt Wiedemann. „Und da macht es Sinn, anamorphotisch zu drehen.“

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Mitten in der Londoner Canary Wharf: Der Kamera-Jetski mit ARRI Alexa auf dem Libra Head am Heck. (Bild: Liam Daniel)

Beim Test verschiedener Optiksätze stieß er auf die zu dem Zeitpunkt neuen Cooke Anamorphic/i Primes. Der DoP hatte gleich ein gutes Gefühl. „Sicher, man guckt da einerseits auf die optischen Eigenschaften und eventuelle Verzeichnungen“, beteuert Wiedemann. „Aber ich sehe mir vor allem das Bild an und horche in mich hinein, ob sich das interessant und gut anfühlt.“

Zudem können die Daten der Optiken über die i/-Technologie mit entsprechendem Equipment am Set genutzt sowie als Metadaten für die Postproduktion mit aufgezeichnet werden, was allerdings für Wiedemann nicht ausschlaggebend war. Moderne Objektive haben auch den Vorteil, dass sie sehr konsistent gearbeitet sind, was wichtig ist, wenn man bei mehreren Kameras mehrere Optiksätze im Einsatz hat. Bei den Cooke-Optiken fand Wiedemann vor allem die Kombination von neuen Optiken, die sich dennoch nicht klinisch anfühlten: „Sie haben das gewisse Etwas, das einen Kino-Look auf die digitale Kamera bringt.“

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DoP Felix Wiedemann mit guter Laune auf seinem unbequemen Remote-Sitzplatz. (Bild: Liam Daniel)

Für Wiedemann war die Wahl der Anamorphoten ein höchst sensibler Punkt. „Mir ist aufgefallen, dass bei anamorphotischen Objektiven noch mal eine andere Alchemie wirkt, wie die dreidimensionale Welt auf das Bild gebannt wird.“

Auch bei einer sphärischen Optik ist es ein Unterschied, ob ein Raum oder eine Figur auf einer 25er Brennweite oder auf einer 35er aufgenommen wird. Bei Letzterer muss die Kamera weiter zurück, um einen ähnlichen Bildausschnitt zu bekommen. Bei Anamorphoten nimmt Wiedemann eine ganz andere Räumlichkeit wahr. „Alle sagen immer: Die haben schöne Lense Flares und auch eine tolle Weichheit – stimmt auch alles“, erklärt der DoP. „Aber mich interessiert immer die Relation, wo steht die Kamera, welche Brennweite hat die und wo ist die Figur, wo spielt die Szene.“

Nahpunkt relativ weit

Bei den Dreharbeiten zu „Stratton“ stellte Felix Wiedemann wiederholt fest, dass er oft weiter von den Schauspielern entfernt war als zuvor bei Drehs mit sphärischen Optiken. „Man entwickelt ja mit der Zeit ein Gefühl dafür: ,Okay, mit einer 35-mm-Optik stehe ich jetzt hier‘“, sagt der DoP.

Der Nahpunkt des Objektivs bei Anamorphoten ist relativ weit weg, daher kam Wiedemann in einigen Szenen nicht so nah an seine Schauspieler heran, wie er es gewohnt ist. Zumindest nicht, ohne auf Makro umzusteigen oder einen Diopter zu verwenden. Zu Wiedemanns Leidwesen hatte Cooke noch nicht die 65-mm-Makrooptik aus dem Anamorphic/i-Satz herausgebracht. „Die finde ich äußerst sinnvoll und möchte die in Zukunft gerne einsetzen, um einfach noch einmal einen Schritt auf die Figur machen zu können.“

Am häufigsten schraubte er die 40 mm, die 50 mm und die 75 mm vor die ARRI Alexa, manchmal auch die 25 mm. Bei der fiel ihm sehr positiv auf, dass es seiner Erfahrung nach kaum andere 25-mm- Optiken gäbe, die nicht extrem stark verzerren. „Die ist sehr weitwinkelig und hat trotzdem wenig von diesem Verzerrungseffekt.“ Sie kam oft bei weiten Totalen von der Landschaft und von Architektur zum Einsatz.

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Felix Wiedemann beim Dreh in Italien an der ARRI Alexa mit Cooke Anamorphic/i Prime 25 mm sowie den Kollegen B-Camera-Operator Cosmo Campbell und C-Camera- Operator Emiliano Leurini. (Bild: Liam Daniel)

Neben den Cooke Anamorphic/i Primes setzte das Team ein Set Kowa Anamorphics ein. Die physischen und auch sichtbaren Unterschiede der für Flares anfälligen Kowa- Optiken nutzte der DoP bewusst, um in unterschiedlichen Szenen oder Einstellungen spezielle Wirkungen, wie Halos oder Überstrahlungen zu erzeugen. Dass dabei auch Verzerrungen oder Aberrationen sichtbar sind, ist für Wiedemann grundsätzlich okay, solange sie nicht von der Erzählung ablenken. „Wenn es Teil der Stimmung ist, finde ich das sehr schön“, sagt der DoP.

„Mark hat sehr schnell verstanden, wie ich gerne Licht setze und hat das sehr schön umgesetzt.“ Auch mit Key Grip und Namensvetter Felix Milburn-Foster arbeitet der DoP schon lange zusammen. Auch ihm kam eine besondere Rolle zu, da es bei den Actionszenen viele Rigs gab, Kameraaufhängungen an Fahrzeugen, von Auto bis Boot, und natürlich Crashboxen für Kameras. B-Cam- und Steadicam- Operator war Cosmo Campbell, an der dritten Kamera kamen in Italien Emiliano Leurini und beim Dreh in Großbritannien Pete Wignall zum Einsatz.

Hier geht es zum zweiten Teil unseres Berichts über die Dreharbeiten zu dem Action-Thriller Stratton.

 

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