Der Einsatz von Virtual Reality ermöglicht es dem Zuschauer, sich in andere Welten zu versetzen. Bei der Berlinale erhielten die Branchenbesucher des European Film Market (EFM) und die Berlinale Talents die Möglichkeit, sich VR-Kurzfilme verschiedener Genres anzuschauen und sich mit den Produktionsumständen auseinander zu setzen.
Da die 360-Grad-Videos mit bis zu acht Stereo 3DKamerapaaren aufgenommen werden, sind die Regisseure dabei gefordert in 360 Grad zu denken. „Virtual Reality eröffnet ganz neue Arten des Geschichtenerzählens“, konstatiert der Crossmedia-Experte Michel Reilhac bei einem Workshop der Berlinale Talents. Dort zu Gast waren Filmemacher wie Gabo Arora und Jessica Brillhart, die bereits Erfahrungen mit dem Dreh von Virtual Reality gesammelt haben.
„Durch den Einsatz dieser Technologie entstehen weitere Nischen, in denen Filmemacher experimentieren können“, versichert Reilhac. „Die Diversifizierung von Inhalten wird in VR weiter fortgesetzt.“
Nachdem Sundance im vergangenen Jahr als eines der ersten Festivals einen Schwerpunkt auf das immersive Storytelling gelegt hat sind viele andere Festivals nachgezogen. Jetzt warte die Branche gespannt darauf, wie Virtual Reality ankommt und welche Genres am meisten davon profitierten. Dank der fortschreitenden Entwicklung dieser Technologie erhält Virtual Reality zunehmend Einzug in die Produktion. Auch beim EFM waren zwei Startups präsent, die im Bereich Virtual Reality aktiv sind. „Es geht uns darum, den jüngsten Entwicklungen, Technologien und Medientrends zu folgen“, unterstreicht der EFM-Leiter Matthijs Wouter Knol.
Um den Kreativen auf dem Filmmarkt die Möglichkeit zu geben, sich Virtual Reality-Filme anzuschauen, wurde am Innovations-Tag ein VR-Pop-Up-Cinema im Martin- Gropius-Bau eingerichtet.
Die Besucher konnten zwischen verschiedenen Programmangeboten wählen, deren Bandbreite diverse Genres von Dokus bis hin zu Horrorfilmen umfasste. Eingerichtet worden ist das VR-Pop-Up Cinema von der Amsterdamer Firma Samhoud Media, die derzeit geeignete Räumlichkeiten in Berlin sucht, um das erste VR-Kino in Deutschland zu eröffnen, das 40 bis 50 Besuchern Platz bieten soll. „Wir produzieren auch selbst VR-Spielfilme“, berichtet die VR-Vertreterin Milou Kwee.
Gabo Arora hat für die Vereinten Nationen bereits fünf Dokumentationen als Virtual- Reality-Filme realisiert, darunter „Clouds Over Sidra“ und „My Mother’s Wing“.
Wie viel Flexibilität besitzen Sie als Filmemacher, wenn Sie eine Doku als 360-Grad-Film drehen?
Ich arbeite dabei mit einem Kameramann zusammen und versuche, das Equipment möglichst klein zu halten. Die VRSE-Kameras, die wir einsetzen, sind nicht sehr groß. Sie werden auf ein Stativ montiert. Da ich selbst aus dem Bild gehen muss, nehmen die Menschen die Kameras nach einer Weile nicht mehr wahr. Dadurch ist es möglich, mitunter sehr authentisches Material mit spontanen Szenen zu erhalten.
Wie sieht das Set-up bei einer VR-Produktion aus?
Wir versuchen, das Set drumherum einzurichten und platzieren die Kamera im Mittelpunkt des Geschehens. Wir müssen die Kamera dabei statisch halten. Es ist kompliziert, die Kamera zu bewegen, weil den Zuschauern dabei schlecht werden kann. Wenn eine Szene aufgenommen ist, gehen wir zur nächsten Einstellung über. Das ist eine ganz andere Art des Filmemachens, weil es einem das Gefühl gibt, die Umgebung viel intensiver einzufangen.
Werden durch Virtual Reality die Grenzen zwischen den Protagonisten und dem Publikum aufgehoben?
Durch die Technologie wird das Gefühl erzeugt, dass sich der Zuschauer selbst inmitten des Geschehens befindet. Entscheidend ist dabei, wie die Geschichte erzählt wird. In „Clouds Over Sidra“ zeigen wir nicht nur das Leid der Menschen im Flüchtlingslager, sondern filmen sie in Alltagssituationen beim Kochen oder Basketballspielen, so dass der Zuschauer eine emotionale Beziehung zu ihnen aufbauen kann. Wenn wir ihm nur Schmerz und Horror vor Augen führen, entsteht keine Empathie beim Zuschauer. Da er den Eindruck gewinnt, selbst Teil des Geschehens zu sein, wird eine stärkere emotionale Wirkung erzielt.
Sieht jeder Zuschauer seinen eigenen Film?
Theoretisch schon, da die Zuschauer die Wahl haben, in welche Richtung sie schauen. Jeder kann etwas anderes sehen. Wer den gleichen Film zweimal anschaut, entdeckt etwas Neues, wenn er eine dabei eine andere Perspektive wählt.
Wie ist Ihre Idee, einen VR-Film zu drehen, bei den Vereinten Nationen angekommen?
Anfangs gab es viele Widerstände, weil sich keiner vorstellen konnte, wie wir die Zuschauer damit ansprechen werden. Inzwischen sind die Vereinten Nationen davon begeistert, weil wir auf diese Weise eine viel größere Medienresonanz erzielt haben als mit den anderen Projekten. Mit „Clouds Over Sidra“, der das Leben syrischer Flüchtlinge in einem Camp in Jordanien zeigt, wurden Spenden in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar eingesammelt. Das ist doppelt so viel als erwartet.
Welches ist Ihr neustes VR-Projekt?
Wir haben Anfang März in Tel Aviv die Weltpremiere von der Doku „My Mother‘s Wing“ präsentiert, in der ich eine palästinensische Familie im Gaza-Streifen begleitet habe. Ich versuche den Israelis mit Hilfe der VR-Technik die Erfahrung zu vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn die Menschen sich nicht frei bewegen können. Nachdem wir VR erfolgreich eingesetzt haben, um Spenden zu sammeln, möchten wir mit diesem Film nun einen Beitrag zu Friedensvermittlung im Israel-Palästina-Konflikt leisten. „My Mother‘s Wing“ wird Mitte April als US-Premiere auf dem Tribeca Film Festival vorgestellt.
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