Können lichtstarke Objektive für APS-C-Sensoren mit hoher Qualität überzeugen? Hans Albrecht Lusznat hat sich in unserer Ausgabe 03/2016 das HandeVision Ibelux T09/40mm für DSLM-Kameras angeschaut.
Es ist heute ein unauslöschbarer Mythos, dass die lichtstärksten Objektive auch die besten sind, nur weil sie die Preislisten als teuerste Brennweiten anführen. 1924 war die Ermanox Kamera aus Dresden mit dem F2.0 Ernostar die lichtstärkste Kamera und begründete in der Hand des Fotografen Erich Salomon die Avaible Light Fotografie. Jahrzehnte lang waren Fotografen auf Highspeed Objektive angewiesen, wollten sie bei normaler Raumbeleuchtung und Kunstlicht auf hochempfindlichem 400 ASA Filmmaterial (meist Tri-X) brauchbare Fotos machen. Seit 1954 ist dieses Kodak-Material der Standard für Bildjournalisten und wurde erst in den 80er Jahren durch noch empfindlicheres Filmmaterial ersetzt. Deshalb fallen in die 60er und 70er Jahre viele Versuche, die Öffnung der Objektive über 1:2 hinaus zu treiben, und dabei doch gute Bilder zu bekommen. Es gibt in der Geschichte der Kleinbildfotografie viele Beispiele für Objektive mit maximaler Lichtstärke von F1.2 bis F0.95, meist für Brennweitenbereiche von 40 bis 90 mm, nah an der Normalbrennweite.
Carl Zeiss und Barry Lyndon
Hohe Lichtstärken von F1.0 und darüber hinaus erfordern einige Voraussetzungen. Das Kamerabajonett und die Öffnung für das Objektiv muss groß genug sein, und die Hinterlinse muss möglichst dicht an den Film- beziehungsweise Sensor gebracht werden. Je kleiner das Aufnahmeformat, umso leichter sind hohe Lichtstärken zu realisieren. Bei F0.5 ist theoretisch das Maximum erreicht, wenn zwischen der Objektiv-Hinterlinse und dem Film- beziehungsweise Sensor Luft als Medium ist.
Bis heute gilt bei Filmobjektiven das Carl Zeiss Planar 0.7/50mm als lichtstärkstes Objektiv. Dieses in zehn Exemplaren mit elektronischem Compurverschluss für das NASA-Apolloprogramm 1966 hergestellte Objektiv hat Stanley Kubrick für seinen Film „Barry Lyndon“ (1975) erworben und an eine Mitchell BNC Kamera anpassen lassen. Das 1,85 kg schwere Objektiv zeichnet einen Bildkreis von 27 mm aus hat einen Durchmesser von 90 mm und nur 5,3 mm Abstand zur Filmebene, gerade Platz für eine Umlaufblende. Damit entstanden ohne jedes Zusatzlicht die legendären Kerzenszenen. Heute ist Ähnliches spielend leicht mit elektronischen Kameras bei 2000 ISO Grundempfindlichkeit mit einer Optik der Anfangsöffnung F1.4 zu schaffen, weshalb sich die Frage stellt, ob der hohe Aufwand und Preis für die extrem lichtstarken Spezialobjektive noch angebracht ist. Eines der Zeiss Planar Exemplare wurde 2011 für 90.000 Euro verkauft, das aktuelle Leica Noctilux Asp. F0.95/50mm kostet 9.950 Euro und das IBELUX T0.9/40mm ist für 2.199 Euro zu haben.
Lichtstärke aus Freyung
Die Firma IBE Optics im bayerischen Freyung beansprucht für sich, das lichtstärkste Objektiv für DSLM Systemkameras (Stand Mai 2014) in Serie zu bauen, das HandeVision IBELUX 0.85/40mm. DSLM steht für „digital single lens mirrorless“, jene neuen spiegellosen elektronischen Kameras mit Objektivbajonetten geringen Auflagemaßes.
Gefertigt wird das Objektiv in China von der Shanghai Transvision Photographic Equipment Co. Ltd. Neuerdings gibt es für die Film-Anwendung eine Version mit 0.8- Modul-Zahnkränzen für Fokus und Blende und einem auf Transmission kalibrierten Blendenring von T0.9 bis T22. Entwickelt und berechnet wurde das Objektiv in Deutschland, gefertigt wird es in China und das in einer Ganzmetallausführung auf hohem Niveau für Bajonette vom Typ MicroFourThirds oder Sony-E-Mount. Da die bewegliche Hinterlinse bei Nahfokussieren das Auflagemaß des E-Mounts noch unterschreitet, wird es kaum andere als die angebotenen Fassungen geben. In der Fotoausführung des Objektivs ist eine ausziehbare Sonnenblende integriert, bei der Filmausführung fehlt diese.
Bei voller Öffnung zeichnet das IBELUX T0.9/40mm ein weiches Bild, das sich bei Abblenden auf T1.4 und T2.0 in Stufen merklich verbessert. Zieht man das Leica Noctilux F1.0/50mm (1976-2007) zum Vergleich heran, dann liefert das Noctilux bei F1.0 ein deutlich schärferes Bild als das IBELUX bei T0.9, wobei man berücksichtigen muss, dass das Leica-Objektiv das Voll-Format auszeichnet und hier mit APS-C Sensor nur die Hälfte des Bildes betrachtet wird.
Bei der Wiedergabe von Gesichtern fällt die minimale Schärfentiefe bei offener Blende nicht wirklich ins Gewicht. Mit 40-mm-Brennweite und 0.7 m Minimal-Objektabstand kommt es nicht zur sichtbaren Differenzierung von Nasenspitze und Augen, aber die allgemein weichere Wiedergabe hat beim Gesicht durchaus ihren Charme. Deutlich anders werden Lichter im Hintergrund wieder – gegeben und der Charakter der Unschärfe ändert sich grundlegend zwischen vollständiger Öffnung und Abblenden um nur eine Stufe. Aus den mehr dreidimensional wirkenden Quallen-förmigen Gebilden werden durch Abblenden helle zweidimensionale Kreise. Ähnliches kann man auch beim Noctilux zwischen F1.0 und F1.4 beobachten. Das IBELUX ist sicher ein interessanter Versuch im Bereich der lichtstarken Objektive, obwohl bei hochempfindlichen elektronischen Kameras heute nicht mehr die Notwendigkeit besteht, einen immensen Aufwand – zehn Linsen in acht Gruppen – einer Blendenstufe wegen zu betreiben.
Die volle optische Leistungsfähigkeit in Kontrastwiedergabe und Schärfe erreicht das Objektiv erst ab Blende 2.0, aber da verhalten sich Objektive gleicher Lichtstärke von anderen Herstellern ähnlich.
Objektive mit extremen Anfangsöffnungen benutzt man wegen der geringen Schärfentiefe und dem ausgeprägten besonderen Bokeh in den Unschärfen. Bisher gibt es von HandeVision IBELUX nur eine Brennweite mit 40 mm, im Vertrieb von Walser in Burgheim. Wer einen ganzen Satz lichtstarker Objektive für die Filmarbeit sucht, findet ihn bei Vantage Film mit den Vantage- One Objektiven. Der Satz umfasst neun Brennweiten von 17.5 bis 120 mm, alle mit einer T1.0-Öffnung.
Danke für die interessanten Informationen.