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Creative Commons Lizenzen und ihre Grenzen

Vom Umgang mit Content aus dem Internet

Kostenlos ist immer schön. Sei es Schlittschuhlaufen mit der Kundenkarte des Energieversorgers, der „Evening Standard“ als Lektüre in der London Underground oder ein Probierglas Stolichnaja Gold um sechs Uhr morgens auf dem Weg von der Sicherheitskontrolle zum Flugsteig. Das gilt natürlich erst recht für Content aus dem Internet, der in den gerade anstehenden Dokumentarfilm eingeschnitten werden und schließlich per öffentlich-rechtlichem Fernsehen der Allgemeinheit präsentiert werden soll.creative-commons

Beide Seiten des Zauns

Zweifellos ist es charmant, wenn für das Füllen von Sendeminuten, wofür der Sender einen immerhin mehr oder weniger gut bezahlt, auf der Kostenseite niemand Honorar oder Lizenzgebühr verlangt. Allerdings steht man gerade als Filmschaffender im nicht-fiktionalen Bereich bei diesem Thema auf beiden Seiten des Zauns. Einerseits ist Sparen nützlich, andererseits aber betreibt man als Produzent seinen Beruf nicht etwa, weil einem ansonsten langweilig wäre. Man würde sich also zu Recht beschweren, wenn sich jemand einfach so aus seinem Repertoire bedient – das ja mit schöner Regelmäßigkeit über TV-Mitschnitte in HD-Qualität auf den Videoplattformen auftaucht. Denn nicht alles, was dort hochgeladen wird, darf unbesehen weiterverwendet werden. Das ist zwar eigentlich eine Binsenweisheit, die aber trotzdem oft weder bekannt ist, noch ausreichend Beachtung findet. Gerade im Umgang mit Fernsehanstalten könnte jedoch ein etwas nonchalanter Umgang mit dieser Tatsache unangenehme Folgen haben. Denn als Hersteller eines Beitrags steht man gegenüber dem Sender dafür ein, die erforderlichen Rechte an allem Material zu besitzen, das nicht neu gedreht und in den Film eingeschnitten wird. Je nach Vertragsgestaltung können die Rechte, die man übertragen und damit erst einmal innehaben muss, ziemlich umfangreich sein, was zum Beispiel den Geltungsbereich und den Lizenz-Zeitraum betrifft. Da ist man gut beraten, die Rechte-Lage möglichst früh und genau abzuklären. Auf den Punkt gebracht benötigt man für die Verwendung eines jeden Werkes, dessen Urheber man nicht selbst ist, die Erlaubnis dessen, der eben dieses Werk erschaffen hat. Bei Videos oder Fotos aus dem Internet ist es aber oftmals schwierig, diese Genehmigung einzuholen, da die Urheber sich häufig hinter Pseudonymen verbergen und entweder nur über verschlungene Pfade oder im schlimmsten Fall gar nicht kontaktiert werden können. Ein Dokumentarfilm, zwei Beispiele.

Ein Foto vom Teppich

Für einen Dokumentarfilm über die Landung des Satelliten „Rosetta“ auf dem Kometen Tschurjomov-Gerasimenko findet im September 2014 am Strand von Nordwijk ein Interview mit dem ESA-Wissenschaftler Matt Taylor statt. Er hat sich nicht nur zur Freude des Kameramanns das ESA-Logo auf die Wade tätowieren lassen, sondern steht auch inspiriert Rede und Antwort. Unter anderem berichtet er, dass schon auf dem Wandteppich von Bayeux, der die Eroberung Englands durch die Normannen im Jahr 1066 zeigt, der Halley’sche Komet zu finden ist.

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Screenshot vom Bild des Teppichs von 1456 auf dem der Halley’sche Komet abgebildet ist. Auf Flickr.com bereitgestellt unter der CC0-Lizenz von Lucas Livingston vom Ancient Art Podcast. (Bild: Uwe Agnes)

Es wäre also schön, wenn sich ein Foto fände, das diese Szene des Teppichs zeigt, und mit dem sich das Interview unterschneiden ließe. Zurück vom Dreh führt eine Internet-Suche sehr schnell zu einem Treffer auf der Foto-Plattform flickr. Die Qualität des Fotos ist gut, die Auflösung reicht für einen HD-Schnitt aus und es zeigt nicht zuletzt die richtige Szene des Wandteppichs. Auch die Lizenzbedingungen werden genannt: das Foto wurde von seinem Urheber unter einer Lizenz mit dem zunächst etwas kryptischen Kürzel CC-BY veröffentlicht. Darf das Foto also in den Dokumentarfilm eingeschnitten werden, und falls ja, unter welchen Bedingungen?

Creative Commons

Hinter der Bezeichnung CC-BY verbirgt sich eine Creative Commons-Standardlizenz. Creative Commons, grob übersetzt mit „kreatives Allgemeingut“ ist ein Baukastensystem für Lizenzen, das den Umgang mit digitalen Medien und das damit verbundene Rechtemanagement vereinfachen soll. Die Netzinitiative wurde 2002 vom US-Verfassungsrechtler Lawrence Lessig begründet. Die veröffentlichten Lizenzen wurden seitdem mehrfach überarbeitet und vor allem vereinfacht. Derzeit gibt es fünf Module, die mit gewissen Einschränkungen frei miteinander kombiniert werden können, so dass der Urheber eines Fotos oder Videos, der diesen Content im Internet veröffentlichen will, sich eine Lizenz ganz nach seinen Wünschen zurechtschneidern kann.

Außer, wenn man die Lizenz CC0 verwenden und damit auf alle Schutzrechte verzichten will, ist bei allen weiteren Kombinationen das Modul BY, die Namensnennung des Urhebers, als Bestandteil der CC-Lizenz vorgeschrieben. Da sich andere Module gegenseitig ausschließen, stehen einschließlich CC0 insgesamt sieben verschiedene Lizenzkombinationen zur Auswahl.

Misstrauensvotum

Mit der Lizenz CC-BY für das Foto vom Wandteppich sollte es also keine Probleme geben, wenn der Name des Fotografen genannt wird – soweit die Theorie. Die Realität zeigt allerdings, dass allein die Erwähnung des Begriffs „Creative Commons“ gegenüber der Sendeanstalt beinahe blankes Entsetzen auslöst, denn über die Differenzierungen in den verschiedenen Lizenzen ist dort nicht immer allzu viel bekannt. Oft wird geargwöhnt, der fertige Film müsse nun auch unter Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht und eventuell gar zur allgemeinen Nutzung freigegeben werden – was CC-BY-SA entspräche.

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Screenshot des Youtube-Videos vom 2013er Meteoriten über dem russischen Tscheljabinsk, im Account von User Tuvix72. (Bild: Uwe Agnes)

Auch wenn sich solche Bedenken mit Geduld und bereitwilligem Teilen von Detailwissen manchmal ausräumen lassen, bleibt doch ein gewisses Misstrauen bestehen. Am liebsten sähe die Abteilung Honorare und Lizenzen doch eine schriftliche Einverständniserklärung des Urhebers. Aber um genau diesen Schritt überflüssig zu machen, gibt es schließlich die Creative-Commons-Lizenzen. Absolutes Neuland sollten sie in den Rundfunkanstalten allemal nicht sein. Einige ausgewählte Sendungen des Bayrischen und Norddeutschen Rundfunks werden immerhin schon seit fünf beziehungsweise acht Jahren unter CC-Lizenzen veröffentlicht.

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(Bild: Uwe Agnes)

Standardlizenzen: Youtube & Co

„Kometen sind wie Messer“, sagt Ulrich Walter, Ex-Astronaut und Dozent für Raumfahrt an der TU München bei einem weiteren Interview für den Film über die Rosetta- Mission. „Mit einem Messer kann man töten, das ist die schlechte Seite, aber man kann damit auch Brot schneiden. Und genau so sind Kometen und Asteroiden auch. Wir können eine Menge über sie lernen, oder sie können bei uns einschlagen und uns töten, und zwar richtig töten. Ich meine, massenhaft ausrotten.“ Prägnant formuliert – das hört sich richtig gefährlich an. Es wäre nun nicht schlecht, für diese Bedrohung aus dem All einen entsprechenden Video-Beleg zu finden.

Zum Glück ist der Einschlag eines etwa 20 Meter großen Meteoriten bei Tscheljabinsk im Februar 2013 bestens dokumentiert. Russische Automobilisten haben nämlich die Angewohnheit, auf dem Armaturenbrett ihrer Wagen so genannte Dashcams laufen zu lassen, um Beweismaterial liefern zu können, wenn sie einen Verkehrsunfall haben. In diesem Fall zeigten sie eben statt zerbeulten Blechs den Einschlag eines Himmelskörpers, und die Videos wurden in der Folge zu Dutzenden auf Youtube hochgeladen.

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(Bild: Uwe Agnes)

Videos, die dort veröffentlicht werden, unterliegen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer so genannten Standard-Lizenz, die im Vergleich mit den Creative- Commons-Modulen einer CC0 entspricht. Mit dem Vorgang des Hochladens stimmt der Urheber zu, dass sein Video den anderen Usern entgeltfrei „der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung“ zur Verfügung gestellt wird. Nicht einmal der Name muss genannt werden.

Das klingt zunächst einmal wie ein großer Selbstbedienungsladen für Video-Content. Es gibt hier aber einen Haken. Sobald nämlich der Nutzer sein Video von der Webseite entfernt, erlischt auch diese Standard-Lizenz. Die Frage, ob jemand überhaupt der Urheber eines bei Youtube hochgeladenen Stückes ist, muss dabei außen vor bleiben – das ist ein Problem, das gleichermaßen für alle Inhalte gilt, deren Herkunft man nicht persönlich kennt. Hier ist es also dringend geraten, die Einwilligung der Urhebers einzuholen. Das kann ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, denn die Kontaktaufnahme ist nur über die Webseite möglich, und wer weiß schon, wie oft die entsprechenden User dort aktiv sind, um zu prüfen, ob es Nachrichten für sie gibt?

Andere Videoplattformen gehen etwas restriktiver mit dem hochgeladenen Content um. Vimeo beispielsweise versieht die hochgeladenen Videos nicht automatisch mit einer Standard-Lizenz, sondern bietet den Nutzern die Möglichkeit, ihren Content über Creative Commons je nach Wunsch zu schützen oder freizugeben, oder eben gar keine Lizenz zu vergeben. Das ist übrigens auch bei Youtube möglich, aber eben kein Standard.

Fazit

Was zunächst einfach und unkompliziert klingt, erweist sich im Produktionsalltag oft als Minenfeld, abhängig davon, für wen man arbeitet und wie etabliert das Konzept der CC-Lizenzen in diesem Umfeld ist. Haben sie sich erst einmal als allgemein – oder zumindest weitgehend – akzeptierter Standard für das Rechtemanagement von digitalen Medien durchgesetzt, werden alle Seiten mit größerer Sicherheit handeln können. Es bleibt also zu hoffen, dass in Zukunft die Creative-Commons-Lizenzen auch in den Fernsehanstalten ohne größere Diskussionen anerkannt werden. Zeit wäre es dafür.

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