Zu seinem 10. Jubiläum trumpfte das Zurich Film Festival (25.9. bis 5.10.2014) mit geballter Starpower, einem erweiterten Filmangebot mit neuen Sektionen sowie glamourösen Gala-Premieren auf. «Wir hatten deutlich mehr Fans am grünen Teppich», sagt die Festival Co-Direktorin Nadja Schildknecht.
Vor dem knapp 900 qm großen Festivalzentrum am Zürcher Sechseläutenplatz begrüßten die Festivaldirektoren Nadja Schildknecht und Karl Spoerri hochkarätige Hollywoodstars wie John Malkovich, Cate Blanchett, Antonio Banderas, Diane Keaton, Benicio del Toro oder Rene Russo.
Insgesamt waren rund 500 Gäste nach Zürich gekommen, um dort persönlich ihre Werke vorzustellen. Auf dem Programm standen 145 Filme, die in 374 Vorstellungen gezeigt wurden. Neben den Gala-Premieren, dem internationalen Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb und dem Fokus mit deutschsprachigen Spielfilmen und Dokus ist die neue Sektion «TVision» hinzugekommen, in der Fernsehproduktionen wie die Pilot-Folge der Schweizer Serie HAND OF GOD von Marc Forster Premiere feierten.
Weiter ausgebaut worden ist auch das Kinderprogramm. Mit rund 79.000 Besuchern verzeichnete das 10. Zurich Film Festival einen Zuschauerzuwachs von elf Prozent.
Für ausverkaufte Vorstellungen sorgten Programmhöhepunkte wie die Weltpremiere des Action-Abenteuers NORTHMEN: A VIKING SAGA von dem Schweizer Regisseur Claudio Fäh sowie die Europa-Premiere von Dan Gilroys dunklen Drama NIGHTCRAWLER in dem ein Amerikaner mit seiner Videokamera skandalöse Bilder für das Fernsehen aufnimmt, mit denen sich die Quoten steigern lassen. In die Rolle der abgebrühten Fernsehproduzentin, die von diesen schrecklichen Aufnahmen begeistert ist, ist Rene Russo zu sehen.
Ein Blick in die Pressekonferenz zu NIGHTCRAWLER mit Dan Gilroy und Rene Russo:
Mit einem «Golden Icon Award» geehrt wurde Diane Keaton, die Rob Reiners romantische Komödie AND SO IT GOES (DAS GRENZT AN LIEBE) persönlich vorstellte. «In diesem Film durfte ich singen und das erste Mal mit Michael Douglas zusammen spielen, mit dem ich noch nie gemeinsam vor der Kamera gestanden habe», berichtete Keaton, «mir gefiel auch das Skript. Ich verkörpere in diesem Film eine Frau, die sich selbst aufgegeben hat. Erst als ihr jemand einen kleinen Tritt versetzt, fängt sie an, zurückzuschlagen.»
Nicht nur Schauspielgrößen wie Cate Blanchett, Liam Neeson oder Peter Fonda standen in Zürich im Rampenlicht. Publikumswirksame Auftritte hatten auch Kameramann Michael Ballhaus, ASC, der Filmkomponist Hans Zimmer sowie Regisseure wie Susanne Bier, Frederick Wisemann und Ulrich Seidl, die dem Publikum in Werkstattgesprächen Einblick in ihr Filmschaffen gaben.
ZFF Master: Filmkomponist Hans Zimmer:
Während Ulrich Seidl mit seinem neuen Spielfilm IM KELLER eine Fahrt durch das Souterrain der österreichischen Seele präsentierte, hatte die dänische Regisseurin Susanne Bier den Vorsitz der Internationalen Spielfilmjury, die dem minimalistischen Melodram UNA NOCHE SIN LUNA von dem aus Uruguay stammenden Filmemacher Germán Tejeira das «Goldene Auge» für den besten Film verlieh. Im Zentrum der Geschichte, in der es um Themen wie verpasste Gelegenheiten und das Vergehen der Zeit geht, stehen drei einsame Menschen in einer Silvesternacht. Mit dieser Auszeichnung ist eine Prämie von 25.000 Schweizer Franken sowie ein Zuschuss von 10.000 Schweizer Franken für die Promotion des Films im Schweizer Kino verbunden.
Ein Preisgeld in der gleichen Höhe erhielt der rumänische Dokumentarfilm TOTO SI SURORILE LUI (TOTO AND HIS SISTERS), in dem Alexander Nanau das armselige Leben von drei Roma-Kindern am Rande von Bukarest zeigt, deren Mutter wegen Drogenhandel ins Gefängnis gesteckt wird. Erst im Waisenhaus erhalten sie die Chance, zu lernen und sich weiter zu entwickeln.
Die Probleme eines Heranwachsenden stehen auch im Mittelpunkt des tragikomischen Coming-of-Age-Films BOUBOULE, den der Autor, Regisseur und Kameramann Bruno Deville in Co-Produktion mit Belgien und der Schweiz realisiert hat. In seinem Spielfilmdebüt erweckt er mit treffender Situationskomik, pointierten Dialogen und überraschenden Wendungen die Nöte und Vorlieben eines übergewichtigen Jungen auf der Leinwand zum Leben. Trotz miesem Mobbing, Drohungen und Diätprogrammen vermag der junge Außenseiter sich durchaus zu behaupten. BOUBOULE gewann den neugeschaffenen Förderpreis für den Schweizer Film.
Noch einmal das Leben in vollen Zügen genießen möchte ein 51jähriger Schweizer, der eine schockierende Diagnose erhält: Er hat einen extrem bösartigen Gehirntumor, der nicht heilbar ist. In der bewegenden Doku ZU ENDE LEBEN begleitet die Schweizer Filmstudentin Rebecca Panian ihn mit der Kamera in Seinem Alltag, bei der Untersuchung im Krankenhaus, aber auch bei der Fahrt mit einem Motorschlitten während seiner Finnland-Reise. Dieses einfühlsame Portrait, in dem eine schonungslose Auseinandersetzung mit dem Tod erfolgt, gewann in Zürich den Publikumspreis.
Ob Spielfilm, Doku oder große Hollywoodproduktionen; in Filmen aus der ganzen Welt müssen die Protagonisten für ein besseres Leben gegen Widerstände kämpfen und machen damit anderen Menschen Mut. Zu ihnen gehört Andreas Johnsens Porträt AI WEIWEI – THE FAKE CASE über den regimekritischen chinesischen Künstler, das in der Reihe «Border Lines» als Schweizer Premiere lief. In Partnerschaft mit der Organisation «Ärzte ohne Grenzen» wurden dort Filme vorgestellt, die sich mit aktuellen Themen des Weltgeschehens, humanitären Projekten oder territorialen und sozialen Spannungen auseinandersetzen.
Dank seines großen Glamour-Faktors gelingt es dem Zurich Film Festival, jedes Jahr ein größeres Publikum zu begeistern und bei den Besuchern eine Neugierde für Filme aus aller Welt zu wecken. Kräftig trägt dazu auch die Einbindung lokaler Werbepartner bei, denn das Festival-Label mit dem Goldene Auge prangt auf hunderten von Flaggen, Postern und in den Schaufenstern der ganzen Stadt. Die beiden Festivalleiter Nadja Schildknecht und Karl Spoerri entwickeln immer neue Ideen und Projekte, um ihr Festival auf breitere Beine zu stellen.
Neu hinzu gekommen ist in diesem Jahr der Nachwuchswettbewerb «72 Talent Contest», bei dem das Publikum gefordert war, zu einem vorgegebenen Thema innerhalb von 72 Stunden einen maximal 72sekündigen Film zu drehen. «Dabei geht es darum, ein junges Publikum dazu animieren, kreativ zu sein und einen Film zu drehen», erklärte Karl Spoerri, «die Sehgewohnheiten und der Umgang mit den Medien sind bei den Jugendlichen ganz anders. Für ein Festival zahlt es sich mittelfristig aus, dieses Publikum mit guten Filmen spielerisch abzuholen und sie animieren mitzumachen, um Film als etwas Lebendiges zu erfahren.»