Weiter Geht es mit dem Zweiten Teil unseres Artikels aus dem Film und TV Kameramann Ausgabe 03/16. Tobias Meik (BVK) ist 2. Kameramann und Steadicam-Operator. Wir haben ihm über die Schulter geschaut und zeigen, wo sein Gestaltungsspielraum liegt.
Wellenlänge
Der Tag beginnt für Tobias Meik, wie für alle anderen auch mit dem Blick auf die Dispo am Vorabend. Hier klärt sich oft schon, ob es ein B-Kamera- oder Steadicam-Tag ist. Entweder, weil es eh explizit disponiert ist oder weil der Kameramann Meik darauf anspricht, was er sich wünscht. Oft wird schon in der Beschreibung der Szene für Meik klar, ob es Potential für eine feste Einstellung der B-Kamera oder einen Steadicam- Einsatz gibt.
Gerade bei einem Projekt wie dem „Bergdoktor“ mit vielen Festmotiven, die in jeder Folge feststehen, gibt es hier wenig Überraschungen. Sitzen sich zwei Figuren am Schreibtisch gegenüber ist das selten ein Steadicam- Schuss. Dann geht es weiter, Tobias Meik kümmert sich um seine Technik und orientiert sich zur ersten Probe hin zum Regisseur und Kameramann. „Für mich ist es hilfreich, dabei zu sein, wenn die beiden sich besprechen“, sagt Tobias Meik. „Dann spürst auch, wann reden die über das Gleiche, wann gibt es Klärungsbedarf für mich.“
Bei dieser ersten Besprechung wird meist schon klar, wie die B-Kamera eingesetzt werden soll. „Entweder ich bekomme von DoP oder Regisseur direkt einen Input oder ich mache selbst einen Vorschlag“, sagt Tobias Meik. „Das hat viel damit zu tun, wie sehr man auf einer Wellenlänge ist.“ Hier hilft es, dass Meik eine Ahnung davon hat, was der Regisseur für den Schnitt braucht. Die ZDF-Reihe ist klassisch aufgelöst. Daher ist eine Option, wenn die A-Kamera eine weite Einstellung aufnimmt, mit der B-Kamera eine Nahe der Personen zu drehen. Meik beschränkt sich hier nicht auf das Empfangen von Weisungen, sondern macht sich schon Gedanken über den Aufbau der Szene.
Einerseits hilft das beim Verstehen der Entscheidung des kreativen Teams, andererseits kann er so ohne große Rückfragen angemessene Vorschläge machen. Das kann auch heißen, vorzuschlagen, die B-Kamera weg zu lassen. Das ist dann das Gebot der Stunde, wenn der Bildaufbau eine weitere Einstellung nicht benötigt. Aber das kann auch einfach angesagt sein, wenn sich in einem kleinen Motiv ohnehin schon alle auf die Füße treten. „Klar ist natürlich, die beiden haben immer das letzte Wort“, betont Tobias Meik.
Kommunikation
Die aktuellen Drehpläne sehen beim „Bergdoktor“ für einen 90-Minüter 16 Drehtage vor. Die Folgen werden Back-to-Back oder mit Überlappungen gedreht. Da stehen schonmal sechs bis sieben Minuten Spielzeit am Tag auf der Dispo. „Es gibt allerdings viele Festmotive, da weiß dann jeder Bescheid“, erklärt Meik. „Bestimmte Einstellungen zum Beispiel in der Intensivstation werden immer sehr ähnlich gedreht.“ Dennoch ein ordentliches Pensum.
Umso wichtiger ist für Tobias Meik die Kommunikation mit Regie und Kameramann. Wenn hier etwas schiefläuft, fällt das letztlich auf ihn zurück. Was dabei passieren kann, erlebte Meik im letzten Jahr am Set eines anderen Projekts. Hier entschieden Regisseur und Kameramann während der Vorbereitung der Szene, die Steadicam einzusetzen, teilten das aber dem Steadicam-Operator nicht mit.
Nur zufällig hörte Tobias Meik durch andere Crewmitglieder davon und beeilte sich, das Rig einsatzbereit zu bekommen. Als er zum kreativen Team stieß, hatten die ihre Besprechung bereits abgeschlossen. Also klapperte der Steadicam-Operator beide ab und ließ sich kurz das Geplante erklären. Nichts Wildes: Verfolgung, Over Shoulder, Achswechsel, fertig.
Dennoch waren beide natürlich alles andere als erfreut, das zweimal erzählen zu dürfen. Tobias Meik also machte sich einsatzbereit, schaute, wo seine Spiegelungen sind – da stand der Kameramann plötzlich neben ihm und sagte: „Du darfst hier auf keinen Fall zu weit nach links schwenken, sonst hast Du den Butterfly in der Spiegelung!“ Meik stutzte. „Und was ist dann mit dem Achswechsel?“ – „Was für ein Achswechsel?“, sagte der Kameramann und ging. Und schon legte der Regisseur mit den Dreh-Kommandos los. „Da konnte ich mir dann aussuchen, wen ich verprelle.“ Meik entschied sich für den Regisseur, der auch prompt abbrach, weil sein Achswechsel fehlte. Im anschließenden Gespräch löste sich das Missverständnis auf, denn auch der Kameramann musste eingestehen, dass ihm der in der Besprechung entgangen war. „Sowas kommt am Set halt vor“, ist sich Tobias Meik sicher, „Aber ich sehe das als meine Aufgabe, dem vorher schon vorzubeugen.“
Gestaltung
Seit 2014 ist der Operator Teil des „Bergdoktor“-Teams. Bei der malerischen Kulisse gibt es klare Vorgaben, um diese auch immer schön im Bild zu haben. „Es ist wichtig, dass der Berg zu erkennen ist, in seiner ganzen Pracht“, sagt Meik. „Wenn ich eine Totale drehe und einen Gipfel im Hintergrund habe, darf Bergspitze oder Bergkamm nicht angeschnitten sein.“ Das gilt natürlich für A- und B-Kamera gleichermaßen.
Zwar ist es überwiegend so, dass die B-Kamera bei der Haupt-Dreh-Unit dabei ist. Dennoch gehört zu Meiks Aufgaben auch das Anfertigen von klassischem 2nd-Unit-Material, wie Totalen der Bergwelt, Zeitraffer-Aufnahmen und Establisher der Außenmotive, gerade zu den unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. Dramatische Aufnahmen sind ebenfalls darunter, wie besonders steile Winkel, tiefe Schluchten, auch eine Drohne kam dabei 2015 zum Einsatz. Eine weitere Wichtige Komponente der Kameraarbeit Meiks sind die medizinischen Details.
Die A-Kamera fängt das Drama ein, die B-Kamera „schwenkt Details“, zeigt also die Blutabnahme im Close- Up, den medizinischen Monitor, Inserts von Röntgenaufnahmen. Das klingt manchmal ein bisschen nach Abarbeiten. Hat Tobias Meik Gestaltungsspielraum? Er bejaht das. So kommt zum Beispiel von Regisseur und Kameramann die grundsätzlich Ansage, dass hier noch eine Zweier-Einstellung gewünscht ist, die näher ist, als die A-Kamera.
„Dann kann ich entscheiden, wieviel nehme ich vom Hintergrund rein? Aus welcher Richtung? Was macht Sinn im Schnitt? Will ich eine gleichberechtigte Zweier oder spüre ich bei den Proben schon, dass die Szene einer Person stärker gehört?“ Besonders, wenn es auf die Steadicam geht, hat er viel Spielraum. Das hat mit der besonderen Handhabung des diffizilen Schwebesystems zu tun. „Das ist ein sehr sensibles Instrument“, sagt Meik. „Du als Operator bist letztlich der Experte, der sagen kann, was in der Konstellation deines Körpers mit dem Gerät funktioniert.“
Tobias Meik versucht die Wünsche der kreativen Abteilung umzusetzen. Falls das nicht 1:1 klappt, bietet er etwas an, welchen Blickwinkel er einnehmen kann und wo er mit dem Gerät hinkommt. Natürlich kommt auch viel auf den Geschmack des Regisseurs an. „Die einen mögen vielleicht eine Steadicamfahrt etwas unruhiger, dann kann ich schauen, wie ich das erreiche“, sagt der Operator.
„Der Bergdoktor“ entsteht auf RED-Kameras im REDRAW- Codec. Die A-Kamera ist eine Epic Dragon mit dem 5,5K-Sensor, die B-Kamera eine Scarlett mit 4K-Chip. Um für zukünftige Veröffentlichungen in UHD sicher zu sein, wird auf 4K produziert. „Bei der A-Kamera gehen wir für Krantotalen in den Bergen auch schonmal auf 5K, wenn hohe Auflösung interessant ist“, sagt Meik.
Profitiert er bei der Arbeit hinter der 2. Kamera von seiner Erfahrung, selbst schon bei Projekten Drehbuch und Regie verantwortet zu haben? Tobias Meik schüttelt den Kopf: „Ich glaube, der Moment, an dem ich jetzt bin, ist eher die Summe der Erfahrungen.“ Er drehte Studentenfilme, Low- Budget-Indies, Fernsehfilme, Krimis, Drama, Herzkino und war Material-Assistent bei James McTeigues Hollywood- Produktion von „Ninja Assassin“ in den Babelsberg Studios. Letztlich aber ist vor allem eines wichtig: „Wenn ich durch die Gegend gegangen bin, habe ich die Welt schon immer durch das Kameraauge betrachtet. Wie könnte das im Film gestaltet sein?“
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