Zusammenarbeit und Old School: Dreharbeiten auf der Nordost-Passage (2/2)
von Redaktion,
Tim B. Frank drehte eine Dokumentation auf der Nordost-Passage. Dabei arbeitete er mit BBC Regisseur Stewart Binns zusammen. Wie das Arbeiten unter britischer Regie lief und welche Schwierigkeiten sich während der Dreharbeiten ergaben, erzählt er im Interview aus dem Film & TV Kameramann Ausgabe 3/2016.
Täglich etwa 45 Minuten Material für den Regisseur: Tom B. Frank beim Vorschnitt der Clips für den Upload.
Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Stewart Binns?
Die Dreharbeiten während der Nordostpassage habe ich weitgehend selbstständig gemacht. Ich habe ihm aber mein Material gezeigt und ihn ab und zu per E-Mail über Satellit gefragt, ob er noch etwas braucht, oder ob der Stil in Ordnung ist, und er hat mir dann Rückmeldung gegeben. Als ich in China angekommen bin, da war er schon vor Ort und ab da haben wir gemeinsam gedreht, er als Redakteur und Regisseur und ich als Kameramann.
Sie haben ihm also von unterwegs Material hochgeladen.
Es war ja ein Teil der Auswertung dieser Reise, dass alle zwei Tage von Stewart ein kurzer Film geschnitten wurde, der online zu sehen war. Die Serie nennt sich „Chuan‘s Ocean“. Dafür hab ich jeden Tag zwischen vier und sechs Minuten Footage per Satellit auf den Server geladen, von dem er das wieder heruntergezogen und geschnitten hat.
Die Verwertung des Materials war ziemlich gemischt. Zum einen gab es wie erwähnt die Online-Berichterstattung. Das Material wurde aber auch den chinesischen Medien zur Verfügung gestellt, und die Sponsoren hatten ebenfalls Zugriff darauf.
Wie werten Sie die Zusammenarbeit von Regie und Kamera vor dem Hintergrund Ihrer bisherigen Erfahrungen?
Das war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte – völlig anders als alles, was ich vorher gemacht habe. Auf der Hochschule habe ich zwar gelernt, wie man klassische Dokumentationen macht, wie man Bilder einrichtet und so etwas auf die gute alte Art und Weise macht.
Als ich dann ins „echte Leben“ gekommen bin, in die Arbeitswelt, musste ich eigentlich einen komplett neuen Stil lernen. Modern, schnell, um die Ecke denken, das ist, was heute bei den meisten Projekten gewünscht wird. Stewart hingegen ist absolut „old school“. Was kann man sich schon klassischeres vorstellen als eine Auslandsdokumentation in der BBC? Und genau das hat er dann auch von mir gefordert.
Ich habe ihm im Gegenzug ein paar Ideen geschildert, die ich mir vorstellen könnte – die fand er nicht gut. Ich habe mich darauf eingelassen und wieder komplett klassisch konservativ Dokumentation gemacht, starre Bilder aufgebaut, es gab keinerlei Bewegung in der Kamera.
Das hat aber dann auch richtig Spaß gemacht, sich vollständig auf so einen Stil einzustellen. Das war auch das Schöne an der Zusammenarbeit: wir hatten wirklich Zeit. Wir waren zwölf Tage gemeinsam in China unterwegs, und haben pro Tag mindestens 30 bis 90 Minuten Footage produziert. Es gab genügend Zeit, dass ich mich auf seine Bildsprache und Denkweise einstellen konnte.
Man weiß sehr bald, was der Regisseur will und was er braucht. Bei vielen anderen Projekten hat man mit Glück ein paar Drehtage, vielleicht aber auch nur einen oder zwei, und dann folgt das nächste Projekt. Diesmal hatte ich aber wochenlang Zeit, mich vorzubereiten.
Es gab das Feedback über Satellit, und in der persönlichen Zusammenarbeit mit Stewart konnte ich alles noch weiter verfeinern. Das war ein schöner Lernprozess für mich. Ich habe viel mitgenommen und werde bestimmt einiges in meine tägliche Arbeit einfließen lassen können.
Die erwähnte „klassische BBC Auslandsdokumentation“ zielt ja in ihrer Bildsprache und Erzählweise deutlich auf den europäischen Markt. Muss man nicht, wenn man gerade konkret für das chinesischen Fernsehen dreht, anderen Regeln folgen?
Das habe ich Stewart Binns auch gefragt. Er ist ja ausdrücklich für den asiatischen Bereich spezialisiert. Er hat nicht ausschließlich für die BBC gearbeitet, sondern mit seiner Frau auch eine eigene Produktionsfirma gegründet, frei gearbeitet und dabei viel auf dem asiatischen Markt platziert. Viele seiner Dokumentationen wurden für das chinesische Fernsehen produziert und sind dann auch dort ausgestrahlt worden.
Jedenfalls haben wir keine andere Bildsprache verwendet. Es gibt zwar Untersuchungen darüber, dass Menschen in Asien und Europa eine andere Wahrnehmung haben. Man achtet in Asien zum Beispiel viel mehr darauf, was im Hintergrund eines Bildes geschieht, während wir uns in Europa eher auf den Vordergrund und die Charaktere konzentrieren.
Aber das hat auf unsere Arbeit keinen Einfluss gehabt. Stewart und ich hatten jedoch ein anderes großes Problem, und das war die Organisation. Wir wissen beide nicht, ob das eine typisch chinesische Vorgehensweise ist oder ob es vielleicht an der Produktionsleitung lag, aber wir hatten überhaupt keine Information darüber, was wir zu welchem Zeitpunkt drehen sollten.
Wir kannten nur unseren Zeitplan, in dem alle Stationen standen und an welchem Tag wir dort sein würden. Aber wir hatten keinerlei Ahnung, warum wir dort hinfahren und was wir dort drehen würden. Das hat uns wirklich überrascht. Die Agentur hatte alles herausgesucht, was sie in dem Film haben wollte, hat das aber interessanterweise nicht mit Stewart – der immerhin der Regisseur war – abgesprochen.
Wir waren immer mit der Produktionsleiterin Lingling unterwegs, und trotzdem haben wir erst in letzter Sekunde erfahren, was wir drehen würden – und das, obwohl wir ständig nachgefragt haben. Das hat natürlich oft dazu geführt, dass wir an einem Drehort ankamen und der Regisseur der Meinung war, dass wir das Motiv für den Film keinesfalls verwenden können. Wir haben es dann trotzdem abgefilmt, weil wir nun schon einmal da waren, waren uns aber gleich einig, dass dieses Material in die Tonne kommt.
Andere Sachen, die wir gerne filmen wollten, konnten nicht gedreht werden, weil gerade niemand da war, oder es war ein Feiertag – oder es gab keine Genehmigung. Das hätte man vermeiden können, wenn es vorher besser geplant worden wäre. Stewart und mir hat es nicht besonders gut gefallen, dass wir oft vollständig im Dunkeln tappten, was wir denn jetzt eigentlich produzieren sollen.