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„Junge Frauen dürfen nicht aus dem Beruf gedrängt werden“

Material und Nachwuchs: Interview mit Ursula Höf (2/2)

Hier der Zweite Teil unseres Interviews mit der Ehrenpreisträgerin des Filmplus 2016 Ursula Höf aus dem Film & TV Kameramann 5/2016

Ursula Höf
Ursula Höf (Bild: Foto: Filmplus/Wolfgang Busch)

Macht es einen Unterschied, wie die Studenten mit dem Material umgehen, wenn sie nicht mehr am Schneidetisch lernen, sondern nur digital?

Unbedingt. Der Schneidetisch zwingt einen ja dazu, sich das Material in der Realgeschwindigkeit anzuschauen. Der Computer gibt einem die Möglichkeit, mal eben schnell durchzuscrollen. Jetzt, wo wir nicht mehr am Schneidetisch arbeiten können, versuche ich, es den Studenten klarzumachen, dass es das Erste und Wichtigste ist, sich das Material von A bis Z einmal oder mehrmals in der realen Geschwindigkeit anzugucken.

Unser Lernziel besteht ja auch darin, das optische Gedächtnis zu trainieren. Es nützt nichts, wenn man nur rumklickt und denkt: Ach, da habe ich doch was gesehen, und dann wird ewig gescrollt, aber man findet im Schnelldurchlauf nichts. Es geht auch um die Geschwindigkeit des Materials, darum, wie die Bewegungen zusammenpassen. Da muss ich sie manchmal zwingen, in Ruhe draufzugucken und nicht einfach nur rumzuklicken.

Die Studenten, die noch die Chance hatten, am Tisch zu arbeiten, haben tatsächlich ein anderes Verhältnis zum Material bekommen als am Computer. Es macht schon was aus, wenn man das Material anfassen kann. Man merkt: Wenn ich jetzt einen Schnitt mache, dann hat das eine Bedeutung. Am Computer muss man jetzt versuchen, ihnen das anders zu vermitteln.

Zudem ist ja mit dem digitalen Film auch die Fülle an Material, die es zu sichten gilt, deutlich gestiegen.

Wir drehen zum Glück noch auf Film und können daher die Materialbeschränkung einhalten. Aber es ist eine Unart geworden, dass einfach draufgehalten wird. Gesichtet werden muss es ja trotzdem. Und die Schnittzeiten verlängern sich durch so viel Material enorm, aber das wird häufig nicht einbezogen, sowohl bei den Studenten als auch bei den Auftraggebern nicht.

Wir versuchen den Studenten schon vor dem Dreh klarzumachen, dass sie eine exzellente Vorbereitung brauchen, um das Richtige auszusuchen und zu finden. Wenn wir irgendwann mal komplett digital drehen werden, wird das ein Riesenproblem.

Ist die Montage in gewisser Hinsicht bedroht, weil immer weniger Zeit dafür eingeplant wird und immer mehr Druck da ist?

Ich denke, es trennt sich noch mehr. Nicht umsonst werden ja die Dokumentarfilme, die Zeit brauchen, immer häufiger mithilfe von Filmförderungen gemacht. Das sind keine reinen Fernsehproduktionen. Und dann kann man auch die Zeit anders kalkulieren.

Für meine langen Dokumentarfilme hatten wir zwischen 15 und 19 Wochen Zeit, und die haben wir auch gebraucht. Aber das Fernsehen holt sich jetzt immer mehr das Geld von den Förderungen, und auch die Filmemacher sagen, wir brauchen Geld von anderen Seiten als nur dem Fernsehen, weil wir sonst nicht ausführlich arbeiten können. Ich denke, dass die Sender künftig immer weniger Eigenproduktion machen werden oder sich noch mehr auf die kurze Reportage oder auf Magazine beschränken werden. Und das finde ich auch für die Editoren traurig.

Weil gerade die Chancen für die Jungen immer geringer werden, landen sie dann komplett beim Fernsehen oder bei Imagefilmproduzenten, es fehlt ihnen das „Dazwischen“, was unsere Generation hatte. Und die Jüngeren haben es oft schwerer, in den Beruf reinzukommen. Das finde ich unheimlich schade.

Wie sieht es eigentlich beim Nachwuchs mit der Geschlechterverteilung aus? Ist das Verhältnis von Editorinnen und Editoren heutzutage ausgewogen?

Ich habe die Beobachtung gemacht, dass mit der Einführung der digitalen Schnittsysteme die Männer wieder vermehrt in den Beruf reingekommen sind, das sehe ich an meinen Studenten. Manchmal bewerben sich viel zu wenig junge Frauen auf die Ausbildungsplätze. Deswegen ist es mir sehr wichtig, dass die jungen Frauen nicht aus dem Beruf gedrängt werden.

Generell es ist mir auch wichtig, dass es nicht nur mehr Regisseurinnen gibt, sondern auch bei den anderen Gewerken ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern herrscht. Wir müssen möglichst beide Geschlechter in der Ausbildung und im Beruf haben, damit der weibliche Blick nicht verloren geht. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Männer jetzt mehr Aufmerksamkeit kriegen, denn wenn man sich anguckt, wer die Preise kriegt, sind das öfter Männer, obwohl mehr Frauen in unserem Beruf tätig sind.

Natürlich sind die Frauen nicht schlechter, das ist mehr eine Frage der Aufmerksamkeit, also: Wem hört man leichter zu? Ich weiß noch, in meiner Anfangszeit gab es ein paar ganz tolle Kolleginnen, die waren offen und experimentierfreudig, die hatten ein irrsinniges Kunstverständnis und haben unglaubliche Sachen gemacht, aber der einzige Filmcutter, über den damals geredet wurde, war Peter Przygodda. Die Montage ist eh meist unsichtbar und dann guckt man doch wieder eher auf die Männer als auf die Frauen. Dieses Phänomen stört mich.

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