„Dead Man Working“ erhält Grimme-Preis in Kategorie Fiktion
Nicht jede Bewegung planen – Schnelles Arbeiten (2/2)
von Redaktion,
Mit der Dokumentation „Master of the Universe“ tauchten DoP Börres Weiffenbach und Regisseur Marc Bauder in die Abgründe des Finanzsystems ein. Jetzt erzählt ihr TV-Film “Dead Man Working” das Thema Bankenkrise mit fiktionalen Mitteln weiter. Weiffenbach erzählt, wie er die ruhigen Bilder komponierte. Am 31. März 2017 wird der Film mit dem Adolph-Grimme-Preis ausgezeichnet. Der Film wurde im November 2016 zum ersten Mal von der ARD ausgestrahlt. In unserer Ausgabe 03/2016 berichteten wir bereits über die Dreharbeiten zu “Dead Man Working”. Hier der zweite Teil des Artikels!
Alle weiteren Szenen im Innern wurden maßgeblich mit Practicals beleuchtet, die Weiffenbach auswählte und zusammen mit Döring strategisch im Raum verteilte. Dabei setzte er eher auf Realismus und hatte Mut zur Lücke. Konkret hieß das, er ließ lieber mal einen Bereich des Raumes im Dunkeln verschwinden, als eine übliche 360-Grad- Ausleuchtung herzustellen. Die Lichtempfindlichkeit der Kameras spielte den Filmemachern hier in die Hände, da sie kein großes Arsenal auffahren mussten, sondern sehr dezent leuchten konnten. In einem Motiv mussten sie aufgrund dreier das Set umgebenden Glasflächen die Filmleuchten, kleine 100-Watt-Stufenlinsen, in vorhandenen Lampenschirmen verbergen. „Jede Filmlampe, die wir dahingestellt haben, hat sich immer in drei bis vier Scheiben gespiegelt“, erinnert sich der Kameramann. „Das hätte unsere Bewegungsfreiheit komplett eingeschränkt.“ Und hätte so das Kamerakonzept über den Haufen geworfen. So war die Freiheit Weiffenbachs sichergestellt, auch mal einen ungeplanten Schwenker auf die Fensterfläche machen zu können.
Klassische Auflösung
Das System aus DJI Ronin und dem Action Products Runner eignet sich laut Weiffenbach sehr gut für geführte Gänge und dem Verfolgen einer Figur, die sich im Bild bewegt. „Wenn die Kamera steht, braucht es ein wenig Übung, sie so still zu halten, dass das Bild ganz ruhig wirkt“, erklärt Weiffenbach. Schwierig wird es nur, wenn etwas im Bild sehr nah im Vordergrund ist. „Dann sieht man deutlich die Unruhe im Bild.“ Häufig nutzte Weiffenbach einen Trick, der auch gerne bei dem Einsatz von Handkamera oder Steadicam angewendet wird. Er setzte sich auf einen Dolly und ließ sich fahren. Der Vorteil dabei ist, dass er mit längeren Brennweiten arbeiten konnte, als er es von Steadicam gewohnt ist. „Ich habe manche Sachen mit einem 100-mm-Objektiv gemacht, das ist durchaus machbar.“
Trotz der Freiheit des Ronin ließ sich Weiffenbach nicht dazu verleiten, „Dead Man Working“ nur in Master-Einstellungen zu planen. Der TV-Film ist klassisch aufgelöst, um dem Schnitt viele Möglichkeiten zu bieten. Doch die Einstellungen selbst sind nicht in typische Cover-Einheiten von Schuss und Gegenschuss zerpflückt, sondern wurden als durchgängige Plansequenzen gefilmt. Das hat auch für die Schauspieler Vorteile. Zum einen müssen sie nicht stets nach kleinen Versatzstücken der Szene wieder abbrechen und können die Szenen stets durchspielen. Zum anderen müssen sie durch die flexible Kamera nicht immer hundertprozentig auf Marce spielen. Weiffenbach konnte so sehr spontan reagieren, ohne gleich das ganze Kamerakonzept umzuwerfen oder den Regisseur in seiner Auflösungsplanung zu düpieren.
Rund 80 Prozent der Einstellungen schoss der Kameramann vom Ronin mit dem Runner-Exoskelett. Nicht für alle Konstellationen war es jedoch die beste Wahl. Es gibt mehrere Gesprächssituationen, in denen der Kameramann klassische Mittel wählte. „Eine Szene habe ich als Kreisfahrt vom Dolly gedreht“, so Weiffenbach. „Bei einer anderen, sitzen vier Leute am Tisch. Die haben wir extrem detailliert aufgelöst, in ganz verschiedenen Blickrichtungen, weil die Blickbeziehungen zwischen den Schauspielern ständig über die Achsen hin und her wechselten.“ So eröffnet er dem Schnitt die Möglichkeit, die Blickbeziehungen neu zu finden und so die Szenen spannend zu gestalten. „Mir gefallen die sanften Bewegungen des Ronins sehr gut im Film“, sagt Börres Weiffenbach im Rückblick. Die Szenen, die mit einem herkömmlichen Dolly gedreht wurden, erscheinen ihm viel wackeliger. „Das ist natürlich ungerecht, wir hatten entweder mit sehr langen Brennweiten gearbeitet oder sind ohne Schienen gefahren. Dennoch, die Ronin-Fahrten haben etwas Sanftes, etwas ganz Eigenes.“
Schnelles Arbeiten
Selten kam dabei die B-Kamera, die ARRI Amira, parallel zu Ronin und Alexa Mini zum Einsatz. Warum nicht, erläutert der Kameramann: „Ich finde das immer schwierig, weil doch immer eine Kamera das bessere Licht hat.“ Daher kam der Kamera unter Führung von Second Unit Kameramann Johannes Monteux die Aufgabe zu, Bilderwelten des Finanzplatzes Frankfurt zu schaffen. Weiffenbach erläutert: „Ähnlich wie beim ,Master‘ gibt es immer wieder Szenen, mit denen wir zeigen wollen, die Geschichte, die wir jetzt erzählen, ist eine von Vielen!“ So erstellte Monteux in enger Absprache mit Weiffenbach viele Einstellungen auf die Fenster der Hochhäuser, hinter denen diese Geschichten erahnt werden können. „Es geht ja in der Geschichte darum zu zeigen, dass es diese Märkte, von denen immer die Rede ist, nicht gibt. Es sind Menschen, die die Entscheidungen treffen.“
Die Arbeit mit dem Runner beurteilt Weiffenbach als positiv. Für die Bilder, die er im Kopf hatte, war die Technik genau richtig. Auch wenn viele Gewerke dem zuarbeiten mussten. Das hatte auch den Vorteil, dass schneller gearbeitet werden konnte. Einerseits, weil der Kameramann viel schneller den Standort der Kamera ändern konnte, andererseits, weil aufgrund der Practicals nicht komplett neu eingeleuchtet werden musste. „Ich musste manchmal nur zur anderen Seite des Raumes rübergehen und wir konnten drehen“, sagt Börres Weiffenbach. Dafür sind jedoch einige Dinge Grundvoraussetzung. So drehte der Kameramann oft mit Blende 2 oder 2.8. Also brauchte er einen extrem guten Schärfeassistenten. In diesem Fall war das Helge Haack, mit dem Börres Weiffenbach schon häufig zusammengearbeitet hat. Haack arbeitete oft ohne Schärfemessen, eine Fähigkeit, die bei den Dreharbeiten zu „Dead Man Working“ aufgrund der schnellen Arbeitsweise enormen Wert hatte. „Wir haben manchmal sehr wenig geprobt und sind sehr schnell ins Drehen gegangen. An vielen Stellen wusste Helge nicht, was auf ihn zukam.“ Das System aus Alexa Mini, Ronin und Runner war dafür gut geeignet. „Aber die anderen Gewerke müssen sehr gut mitarbeiten“, betont Weiffenbach.
Zwei Seiten der Medaille
Einschränkungen hat das System jedoch auch. So hängt ja die Kamera im DJI Ronin. Der Gimbal hängt knapp unter Brusthöhe des Operators. Damit liegt sie unter der Augenhöhe und ist relativ niedrig, wenn man nicht ständig untersichtig sein will. Weiffenbach also musste immer wieder dafür sorgen, dass er eine erhöhte Position einnehmen konnte. Entweder er trug Schuhe mit dicken Sohlen, stieg auf Bühnenkisten oder streckte sich in die Höhe. „Das war bei uns gar nicht einfach, da wir große Schauspieler hatten“, erinnert sich der Kameramann. Auch beim Gerät selbst erlebte das Team einige Macken. Weiffenbach betont, dass der Ronin letztlich ein Computer ist, und kein mechanisches Gerät, wie die Steadicam.
So schwenkte der Ronin in zwei, drei Szenen plötzlich mitten in der Einstellung nach unten. Materialassistent Marcel Renz, hatte sich zuvor intensiv mit dem Gerät auseinandergesetzt und justierte es dann jeweils neu – was das akute Problem stets behob. Auch verlor der Ronin immer wieder den Horizont. Das hielt das Team für einen Software-Bug, da es vergleichsweise häufig, nach dem Ablauf einer gewissen Zeitspanne, erfolgte. „Da mussten wir immer ein bisschen darauf achten“, sagt Weiffenbach. Nur ein einziges Mal schmierte die gesamte Elektronik ab und war nur durch ein komplettes Herunterfahren und komplett neu Einstellen wieder herstellbar. Das geschah bei großer Kälte, während der Ronin dem kalten Wind ausgesetzt war.
Ein Update der Firmware brachte für einige der Macken eine Verbesserung. Auch hier betont der Kameramann, dass die Technologie allein nicht der Heilsbringer ist. Das Team muss sich darauf einstellen und gut mit allen Komponenten auskennen. Marcel Renz justierte nach jedem Optikwechsel den Ronin neu, eine Zeitspanne, die er während der Dreharbeiten auf fünf, sechs Minuten verkürzte. Auch Helge Haack war für Weiffenbach essenziell, um seine Freiheit in den Ronin/Runner-Szenen beizubehalten. Alle drei mussten sich zudem auf die Computersteuerung des Ronins einstellen. Es bedarf laut Weiffenbach einiger Übung und Erfahrung, die Bewegung des Ronin zu berechnen: „Ich muss früher stehen bleiben, da der Ronin noch nachschwenkt. Diese Bewegung zu kalkulieren erfordert ein konzentriertes Training.“ Marcel Renz passte für unterschiedliche Erfordernisse auch die internen Einstellungen des Ronin von Latenz und Reaktion an.
„Wenn ich schnelle Bewegungen machte, musste der Computer so eingestellt sein, dass er möglichst schnell auf meine Bewegungen reagiert.“ Hier bedurfte es der Erfahrung des Kameradepartments, die internen Werte auszuprobieren, bei denen der Ronin das machte, was er sollte.
Schnittmeister Stefan Blau vom Hessischen Rundfunk schickte schon während des Drehs immer wieder vorgeschnittene Szenen ans Set. Weiffenbachs Meinung nach fällt nicht auf, dass der Film zum Großteil auf einem DJI Ronin gedreht wurde. „Man bemerkt die Bewegungen nicht, es entsteht aber ein Gefühl, eine Emotion der Bilder. Das freut mich sehr!“ Während des letzten Drehabschnitts im Januar 2016 gab es für den Kameramann noch eine höchst erfreuliche Nachricht. Der von ihm fotografierte Dokumentarfilm „La Buena Vida“, unter der Regie von Jens Schanze, gewann den Bayerischen Filmpreis. Zudem lief in der Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale der Dokumentarfilm „Die Prüfung“ von Till Harms, bei dem Weiffenbach auch für die Kamera verantwortlich war.