Einer der am heißest gehandelten, europäischen Kameramänner ist aktuell ohne Zweifel der Norweger Sturla Brandth Grøvlen. Für Sebastian Schipper schoß er 138 Minuten am Stück dessen “Victoria”, wurde gelobt und mit Preisen geehrt. Sein aktueller Film “Sture Böcke” läuft am 31. Dezember 2015 in den deutschen Kinos an. Darin geht es um zwei isländische Brüder, die seit 40 Jahren nicht miteinander gesprochen haben.
Als die Schafe ihres Tals aufgrund einer Infektion getötet werden sollen, müssen sie sich zusammen raufen. “Sture Böcke” war kürzlich für den European Film Award als Bester Film nominiert. Wir sprachen vorab mit DoP Grøvlen über die Dreharbeiten.
Was begeisterte Sie für das Projekt “Sture Böcke”?
Ich mochte die Geschichte wirklich sehr! Sie hat Humor aber gleichzeitig eine gewisse Dunkelheit. Ich tendiere eher zu Projekten, die eine Art Düsternis in sich haben. Außerdem schoß ich zuvor “Victoria” mit Sebastian (Schipper) in Berlin, am Puls der Großstadt, und freute mich darauf, zurück in die Natur zu kommen. Ich drehte beide Filme direkt nacheinander. Diese Isolation übte eine Anziehung auf mich aus. Genauso, wie die Landschaft Islands. Ich war oft in Island und kenne die Landschaft sehr gut. Ich habe mir außerdem die Kurzfilme des Regisseurs Grímur Hákonarson angesehen. Seine visuelle Sprache gefiel mir. Ich wusste, er hat eine starke Stimme. Das ist wichtig für mich, dass ein Regisseur einen Hintergrund hat, eine visuelle Sprache, die er erkunden will.
Ihr Lichtkonzept sieht sehr nach „Available Light“ aus, aber das war es nicht, richtig?
Nein, Ich wollte auf jeden Fall, dass es natürlich wirkt und sich wie natürliches LIcht anfühlt. Das Wetter in Island wechselt stetig, mit sehr viel Wind. Es war eine Herausforderung, diesen speziellen Look dauerhaft zu erreichen. Wir haben viel mit Soft Lights und Reflektoren gearbeitet, weil wir nicht die stärksten Lampen hatten. Die Größte war eine 6K HMI, dann hatten wir noch zwei 4Ks. Aber ich hatte einen wirklich erfahrenen und super talentierten, kreativen Oberbeleuchter, Aslak Lytthans. Seine Unterstützung und Hilfe war großartig!
Sie drehten auf der Alexa XT. Haben Sie den Eindruck, die technologische Entwicklung der letzten Jahre hat Kameraleuten mehr kreative Freiheit gebracht?
Ich denke, das ist eine andere Art der Kreativität, die das hervorgebracht hat. Ich weiß nicht, ob das wirklich mehr Freiheit bedeutet, aber auf jeden Fall ist es ein weiteres kreatives Werkzeug. Ich habe das Gefühl, ältere Generationen von Kameraleuten haben ein bisschen Angst vor dieser Technologie. Wir haben immer höhere ISO-Werte, Canon hat eine Kamera mit einer ISO von vier Millionen – die ohne Rauschen aufnimmt. Die Befürchtung ist, dass es keinen Kameramann mehr braucht, wenn letztlich jeder eine Kamera halten kann und etwas drehen kann – unabhängig von der Lichtsituation. Meine Sicht darauf ist Folgende: Es ist eine andere Weise, mit dem Vorgang umzugehen.
Du musst ja immer noch beleuchten! Auch, wenn ich nur eine kleine Lampe brauche, die ich von einer Wand reflektieren lasse: Das ist immer noch Kamerakunst für mich. Ich muss immer noch meine Augen benutzen, muss die Einstellung zum Leben erwecken, muss die visuelle Kraft hinter ihr sein. Daher glaube ich, die Art kreativ zu sein hat sich verändert. Das ängstigt mich nicht, es ist aufregend.
Das komplette Interview lesen Sie in der kommenden Ausgabe des Film & TV Kameramann ab dem 20. Dezember 2015.