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Wir stellen die Preisträger des 34. Deutschen Kamerapreises vor (9)

Realität in der Fiktion

In unserer Reihe mit den Gewinnern beim 34. Deutschen Kamerapreis sprechen wir mit den Preisträgern: Noah Böhm erhielt den Preis in der Kategorie Kamera Kurzfilm.

Filmstill
„Sensibelchen“ (Foto: Noah Böhm)

Noah Böhm wurde 1995 in Gräfelfing bei München geboren. Während der Schulzeit waren Filme und eigene kleine ,Projekte schon fundamentale Bestandteile seines Lebens. Das stetig wachsende Interesse mündete nach dem Abitur in seinem ersten Studium im Bereich Film und VFX. Nach demAbschluss arbeitete er zwei Jahre lang als selbst­ ständiger Kameramann und DoP und bewarb sich schließlich erneut für ein künstlerisches Studium. Seit Oktober 2019 studiert Noah Böhm Bildgestaltung an der HFF München.

Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis! Was bedeutet der Preis für dich und wie hast du dich gefühlt, als du wusstest, du wirst den Preis bekommen?
Vielen Dank für die Glückwünsche! Ich habe mich tatsächlich sehr gefreut, als der Anruf kam, dass ich gewonnen habe. Ich bin ja auch immer noch mit viel Feuer am Reinstarten und arbeite viel. Da kommt bei mir natürlich oft die Frage auf: Wer schaut das und für wen macht man das? Sicherlich drehe ich auch für mich selbst, aber ich möchte auch, dass die Filme gesehen werden. Jetzt hat dann die Jury meinen Film gesehen und sie fand das gut. Ich habe mich wirklich gefreut und war zunächst sehr überrascht. Meine Partnerin, die auch Kamerafrau ist, war zurzeit des Anrufs bei mir und hat sich noch viel mehr gefreut als ich, weil ich das einfach nicht ganz fassen konnte.

Wahrscheinlich dann für dich noch überwältigender, diesen Preis dann in einem TV-Studio entgegennehmen zu dürfen?
Auf jeden Fall. Das war für mich das erste Mal bei einer solchen Show. Gerade wenn dann ein Slot für dich eingeplant ist und du nach vorne kommen darfst, dann ist schon auch viel Aufregung im Spiel. Ich war zudem sehr gerührt, dass mein Kameraprofessor, Chris Rein, noch die Laudatio gehalten hat. Ich glaube, für mich war das schon „once in a lifetime“. Vielleicht bin ich ja noch einmal zu Gast bei der Veranstaltung, aber ich fand das schon sehr schön.

DoP Noah Böhm (foto: privat)

Gehen wir nun zu deinem Gewinnerstück „Sensibelchen“. Wie bist du zu diesem Projekt gekommen?
Das Projekt ist so zu mir gekommen, dass der Regisseur Berthold Wahjudi – den ich auch vorher schon kannte und der tolle Filme macht – mich kontaktierte und meinte, er wolle noch einmal etwas anderes machen, bevor er seinen Abschlussfilm dreht. Zuvor waren seine Filme immer eher in warmem Mood – Sommer, Coming of Age, junge Menschen – und „Sensibelchen“ ist ja dann doch in eine andere Richtung gegangen. Er ist viel kälter und hat generell eine unangenehmere Stimmung. Aber ich hatte Lust, dass wir das machen und zwei tolle Producer:innen, die ich auch schon kannte, waren auch dabei. Im HFF-Kontext war es für mich der Film mit dem größten Vorproduktionsaufwand. Wir hatten auch ein wunderbares Team und alle haben angepackt. Berthold und ich standen zusammen in der Location und haben gestrichen und Sachen eingerichtet. Ich habe nicht nur die Kamera gemacht, sondern konnte den Film ausgiebig mitgestalten. Im Berufsleben gibt es das so nicht. So nah dran zu sein an Szenenbild und Kostüm hat mir schon viel bedeutet.

Wie gehst du denn generell vor? Wie erarbeitest du dir dein visuelles Konzept?

Meine Arbeit beim visuellen Konzept startet schon früh mit Zuhören und mit vielen Gesprächen. Zusammen mit Berthold habe ich viele Filme angeschaut. Ich frage viel nach und versuche immer ein guter Freund im Film-Sinne zu sein. Für mich ist es auch wichtig, neben den Filmbeispielen auch Inspiration aus anderen Kunstformen zu holen, wie etwa der Fotografie und der Malerei. Oft frage ich mich auch, was gibt mir weniger visuelle Inspiration als vielmehr eine Orientierung im Sinne des Gefühls. Manchmal hole ich mir auch Inspiration aus der Musik. Das tolle an Filmen ist für mich, dass sie in dem Moment des Anschauens Gefühle vermitteln und auch im Nachgang noch mit einem mitgehen und in einem arbeiten können. Manchmal muss man für einen Film konkrete Bilder hinter sich lassen und wirklich überlegen, wie man ein Gefühl erzählen kann. Viele Dinge entstehen so bei mir aus dem Bauch heraus und ich ver- suche dann, mit den anderen Personen am Set die Bilder zu malen.

Wie waren denn deine konkreten Ideen bei „Sensibelchen“ und wie hast du diese umgesetzt?

Wir hatten viele Gedanken und Beispiele. Zuerst sollte viel vom Stativ und mit Zooms gearbeitet werden. Damit sollte dieses Gefangensein in den engen Räumen dargestellt werden, vielleicht sogar auf 16 mm. Wir waren uns dann einig, dass wir die Geschichte mehr aus der Perspektive des Kindes erzählen wollten und haben uns deshalb dazu entschlossen, mehr aus der Hand zu drehen, nah dran zu sein und wollten den Protagonisten durch eine geringe Schärfentiefe weiter herausheben. Beim Casting haben wir das dann schon ausprobiert und auch beim Kameratest, den ich dann bei ARRI hatte. Wir haben dann zum Beispiel auch mit einem Ballon-Licht gearbeitet, so dass die Darstellerinnen und Darsteller sich in alle Richtungen bewegen und wir das zeigen konnten. Besonders drinnen konnte ich viel über Practicals und über Licht, das ich unter die Decke geworfen habe, lösen. Ich wollte es bewusst nicht zu schön machen, so dass das Kunstlicht-Rot auch mal zu viel ist und auch Gesichter manchmal zu dunkel sind. Trotzdem sollte man der Story und ihrem Spiel folgen können.

Was hast du vonseiten der Technik gemacht, um deinen Look so hinzubekommen?
Wir haben auf der ALEXA Mini LF gedreht und hatten als Optiken die Moviecam Primes zur Verfügung. Ich ­ konnte auch die DNA Primes austesten, aber die Moviecams wirkten noch einmal verspielter und passten auch von den Hauttönen besser zu dem, was ich erzählen wollte. Abgesehen davon habe ich viel mit Akkugürtel gearbeitet, damit ich ein sehr kompaktes Handheld-Set hatte. So konnte ich auch als groß gewachsener Mann einfach auf Augenhöhe des Protagonisten kommen. Wir haben viel mit 50 mm und 35 mm gedreht. Die Lichtaufbauten für die Innenräume ­ waren immer recht niederkomplex. Wir haben bei den Einstellungen drinnen immer practical-basiert gearbeitet und hatten ein kleines Panel zur Verfügung. Alle Practicals haben wir dann auch immer über das iPad gesteuert. Bei den Außen-Einstellungen haben wir auch mit Balloon-Lights, einer Dino und auch mit Kunstlicht gearbeitet. Es war eine gute Mischung aus super wenig, das dann aber auch stetig größer geworden ist, je größer dann die Drehorte und die Szenen skaliert sein mussten. Mein Dankeschön geht an der Stelle an ARRI Rental München, Sparks Filmtechnik, K9 Kameraverleih München und ZASAlights.

Außenaufnahmen bei Nacht
Die Außenaufnahmen bei Nacht leuchtete Noah Böhm unter anderem mit einem Ballon-Licht. (Foto: privat)

Was bedeutet es für dich dokumentarisch unterwegs zu sein?
Manche Projekte wollen eher gestaltet sein, aber oftmals ist in der Realität, in der ich durch die Kamera schaue, der Film schon echt. Deshalb bin ich der Meinung, dass man auch bei fiktionalen Filmen dokumentarisch arbeiten kann. Ich versuche also immer, eine andere Realität zu dokumentieren. Auch im Fiktionalen stehe ich immer in Wechselwirkung mit den Schauspielerinnen und Schauspielern. Da hat meine Anwesenheit und die Anwesenheit jeder Person am Set eine gewisse Wirkung. Ich denke auch viel über meine Wirkung auf andere Personen nach und stelle mir die Frage, wie ich besonders gut meine Atmosphäre schaffen kann, in der sich mir Personen öffnen. Die Kamera nimmt zwar in erster Linie, aber sie gibt auch.

Man könnte ja denken, dass du schon über 50 bist, wenn man sich deine Vita durchliest. Wohin geht für dich die Reise und was sind deine nächsten Schritte?
Auf privater Seite werde ich noch viel in München sein, aber auch viel öfter in Berlin bei meiner Partnerin sein. So versuche ich, mich einem neuen Ort zu öffnen und eine zweite Base aufzubauen. Ich möchte schon gerne in Deutschland Filme drehen, auch wenn ich gerne an anderen spannenden Orten im Ausland Filme machen möchte. Ich mache gerne Werbung, ich drehe gerne szenisch und ich freue mich schon sehr mein erstes langes Projekt zu drehen. Das ist mein größtes Anliegen. Trotzdem möchte ich auch weiterhin viel dokumentarisch machen, um das eigentliche Handwerk nicht zu vernachlässigen. Ich möchte lang werden.

Was sind deine nächsten Projekte?
Ich bin gerade dabei, mit einer guten Freundin eine lange Doku zu schaffen und da sind wir schon in den Vorbereitungen und den ersten Tests. Sie hat auch neben der Hochschule schon eine eigene Filmproduktion und ich denke, dass wir uns nächstes Jahr an die Doku heranwagen können. Es ist auch ein sehr persönlicher Stoff, der mir sehr wichtig ist, genauso wie die Person, mit der ich das drehe, so dass ich sie dabei unterstützen möchte.

Mit Berthold mache ich dann noch sein Abschlussprojekt an der HFF im nächsten Jahr. Es wird eine Dramedy, die zum Teil in Deutschland und zum Teil in Indonesien spielen wird. Dieser Film ist mir auch sehr wichtig. Das nächste Projekt steht noch etwas in den Sternen. Das ist ein Projekt von einer guten Freundin, mit der ich letztes Jahr in London gedreht habe. Der Film soll in Ghana entstehen. Zu den anderen Projekten kommen noch einige Kurzfilme dazu. [15518]

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