Creature-Effekte bei Asthma-Awareness-Kurzfilm „Suspirium“
Atemberaubend
von Timo Landsiedel,
DoP Rick Kleeßen und das Regie-Duo Maximilian Carus und Christoph Rüdiger drehten im Sommer einen Kurzfilm zum Thema Asthma. Die Idee dahinter ist gewagt: Die Krankheit wird als lebensgroßes Monster dargestellt, gegen das sich der Protagonist zur Wehr setzen muss. DoP Kleeßen erweckte dafür die Bildästhetik der 1980er-Jahre-Creature-Horrorfilme zum Leben und hat uns für die Ausgabe 11.2023 berichtet, mit welchen Hilfsmitteln ihm das gelang.
In Deutschland leiden rund 5 Millionen Menschen an Asthma, zehn Prozent von ihnen sogar unter einer schweren, unkontrollierbaren Form. Diese Erkrankung der Atemwege kann viele Ursachen haben. Viel ist darüber in der Gesellschaft aber nicht bekannt. Zwar könnte man Infoflyer drucken lassen und Webseiten mit Fakten programmieren, doch die würden wohl schnell so trocken werden wie ein Reizhusten.
Die Österreichische Lungenunion hatte eine andere Idee. Sie startete eine Kooperation zusammen mit der Pneumologischen VersorgungsForschung e.V. (PVF) und dem Pharmaunternehmen AstraZeneca. Gemeinsam riefen die drei einen Filmwettbewerb ins Leben. Filmskripte sollten das Thema Asthma auf ungewöhnliche Weise angehen und am Ende zu einem Film führen, der die Aufmerksamkeit für die Krankheit erhöht. Insgesamt drei Projekte wurden am Ende gefördert.
Asthma als Monster
In Berlin hörte das Regie-Duo Maximilian Carus und Christoph Rüdiger von dem Projekt. Zusammen mit ihrer Kollegin Mara Munzinger betreiben sie die Berliner Produktionsfirma Innotale Productions. DoP Rick Kleeßen gehört zum festen Pool an Kameraleuten. Er kommt aus Berlin und machte nach der Schule Anfang der 2010er Jahre beim Mitteldeutschen Rundfunk in Leipzig eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton. Im Anschluss an die Ausbildung half Kleeßen als VJ beim Aufbau einer Videojournalismus-Abteilung im Hause des MDR. „Das war mir aber zu fernsehlastig, ich wollte noch mal studieren“, sagt Kleeßen. So ging er nach Berlin und bewarb sich an der Hochschule für Technik, damals Beuth Hochschule, für den Studiengang Screen Based Media. Er spezialisierte sich schnell auf die Kamera, die ihn schon als VJ begeistert hatte. Für das sechsmonatige Pflichtpraktikum im Bachelorstudium kam er zum Berliner Verleiher SeeYouRent. Dort blieb er am Ende drei Jahre, arbeitete dort erst neben dem Studium, dann neben der Arbeit als Kameraassistent und freier Kameramann.
Im Februar 2023 traten Carus, Munzinger und Rüdiger an Kleeßen mit dem Konzept für das Asthma-Projekt heran. Ihre Idee war, das Thema als Horrorfilm anzugehen. Der Plot sollte sich um Bürokaufmann James drehen. Geplagt von seiner Atemwegserkrankung muss er sich gegen eine Kreatur zur Wehr setzen, die scheinbar nur er sieht. Im Mai 2023 sagte Kleeßen zu und bereitete von Anfang Juni bis zum Drehstart Anfang Juli das Projekt vor. Die Herausforderung war nicht eben klein: Das Drehbuch hatte keinen Dialog, sondern die Filmemacher setzten auf die visuelle Vermittlung und das Spiel von Hauptdarsteller Malte Haas. Kleeßen sprach mit den Regisseuren über viele technische Details, aber auch über Vorbilder für den Look. So fielen aktuelle Namen wie „Stranger Things“ oder „Euphoria“ – schon das waren sehr unterschiedliche visuelle Ansätze. Aber auch Klassiker wie „Blade Runner“ oder „Terminator“ waren als Vorbilder dabei.
DoP Kleeßen sah für sich als Vorbild für den Umgang mit Szenenbild und Ausstattung „White Noise“ von Noah Baumbach. „Vom Licht hat mir das auch sehr gefallen“, so Kleeßen. „Da gibt es abendliche Indoorszenen, die sehr simpel aussehen, sehr basic – aber einfach perfekt.“ Ende Juni startete das Team ein Startnext-Funding, um verbleibende Kosten zu finanzieren, die vom Filmwettbewerb nicht übernommen wurden.
Anamorphotische Ästhetik
Besonders bei der Kreatur hatten die Regisseure Carus und Rüdiger konkrete Vorstellungen. Diese sollte als Full-Body-Kostüm dargestellt werden, um in der Inszenierung alle Möglichkeiten zu haben. Auch den Einsatz von Anamorphoten trugen sie als Wunsch an Kleeßen heran. Der war zunächst skeptisch, was diese Idee anging, und schaute sich vorab intensiv Beispiel auf Shotdeck an, um zu prüfen, ob das machbar sei. „Du schränkst dich natürlich dadurch auch ein“, sagt der DoP. „Da gibt es ein paar technische Nachteile.“
Er stimmte schließlich zu, weil die Wahl von anamorphotischen Objektiven für ihn zum angestrebten Look passte, denn das Team wollte die Bildästhetik der 1980er-Jahre-Creature-Features zum Leben erwecken. Das hieß aber auch eine Abkehr von Handkamera und viel Arbeit über Stativ und Dolly. Kleeßen wollte Ruhe im Bild, ein paar Fahrten und Schwenks, welche die Räume erzählen und Bilder zum Entdecken auch gerne stehen lassen. „Das hat auch den Vorteil, dass wir so mehr vom tollen Setdesign sehen“, sagt DoP Kleeßen. „Wenn ich da immer nur auf Blende 1.2 im Gesicht hänge und man sieht vom Hintergrund nichts, wäre das schade.“
Zunächst waren Atlas-Orion-Objektive im Gespräch. „Die sind relativ neu, relativ clean, aber auch vergleichsweise schwer“, so Kleeßen. „Ich habe Max und Chris dann von den KOWAs erzählt, hatte auch schon einmal mit denen gedreht und sagte: Es ist zwar alles krumm und schief, aber es hat eine eigene Ästhetik und passt da sehr gut rein!“ Es war allerdings eine Herausforderung, dass die KOWAs nur in den vier Brennweiten 40, 50, 75 und 100 mm vor- liegen. Zwar nutzte die Crew die P+S-Rehousings, konnte aber aus Kostengründen nicht auf deren Weiterentwicklungen aus der P+S-Evolution-Reihe zurückgreifen.
Durch das Fehlen einer längeren Brennweite wie beispielsweise der P+S Evolution 135-mm-Optik hatte Kleeßen in einigen Situationen Schwierigkeiten. „Du bist immer damit beschäftigt, Diopter nach und nach reinzustacken, weil wir viele Nahaufnahmen seines Gesichts hatten. Denn wir wollten ja sehen, was in seinem Gesicht passiert, wenn er einen Asthmaanfall hat.“ Der DoP nutzte zeitweise alle drei Bühnen seines Kompendiums nur für die Diopter. „Der Dreier-Diopter nutzte zwei Bühnen plus noch einen 2er, also +5.“ Die kamen vor allem dann zum Tragen, wenn in den engen Motiven Close-Ups benötigt wurden. Kleeßen passte sich so seine Naheinstellgrenze an. [15380]