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Schule und Praxis

Canon XF705 im Ausbildungseinsatz

Bernd Siering schickte für unsere Ausgabe 7-8/2019 seine Kamera-Klasse am Staatlichen Berufskolleg Rheinbach mit Canons aktuellem Handheld-Flaggschiff los. Aus Schülersicht ordnen sie die Fähigkeiten der XF705 für uns ein – mit überraschenden Erkenntnissen.

Foto: Bernd Siering

Zu schwer. Zu groß. Dass jemand so etwas über die XF705, Canons aktuelles Top-Produkt im Bereich der Broadcast-Handheld-Camcorder, sagen könnte, hätte ich mir nie träumen lassen. Aber so kann das Feedback eben ausfallen, wenn komplett unerfahrene Kameraschüler mit einer aktuellen Kamera losziehen, um eben genau die noch fehlenden Erfahrungen zu machen. Für meine Kamera-Klasse in der Ausbildung zum medientechnischen Assistenten am Staatlichen Berufskolleg Rheinbach hatte Canon für einige Wochen eine XF705 zur Verfügung gestellt. Zur Erinnerung und zur objektiven Einordnung: der Camcorder wiegt knapp über 2,5 Kilogramm und ist inklusive Streulichtblende etwas über 43 Zentimeter lang. Aber viele der Schüler haben zum allerersten Mal einen broadcast-tauglichen Camcorder in der Hand – und sie wissen eben nicht, was „schwerer Camcorder“ wirklich bedeuten kann. Wären sie nur beim Dreh vor einigen Jahren dabei gewesen, als wir für ein neues Reportage-Format für den WDR jeweils eine 30-Minuten-Folge an einem Tag drehten, und zwar mit den seinerzeit üblichen Beta-Text und Foto: Bernd Siering cam-SP-Camcordern. Das hieß konkret einen ganzen Tag von der Schulter zu drehen, wobei die Kamera fast immer lief. Besonders ungern erinnere ich mich an ein schier endloses Interview auf der Insel Nonnenwerth, bei dem Reporter und Gesprächspartner entspannt plaudernd über das Gelände schlenderten und ich dabei gefühlte Meilen rückwärts lief und drehte, bis die Kassette voll war. Aber davon können meine Schüler natürlich nichts wissen. Damals die XF705, und ich hätte gejubelt!

IM LICHT DER ERFAHRUNG
Es scheint, als sei ein klein wenig mehr Erfahrung sinnvoll, um zu einem etwas differenzierterem Urteil zu gelangen. Einige Schülerinnen und Schüler mit etwas mehr Kamera-Background kommen dann auch mit anderen und ausführlicheren Erkenntnissen vom Dreh zurück. Zunächst einmal ordnen sie die XF705 als das neue Flaggschiff der XF-Camcorder von Canon ein. Besonders herausragend finden sie dabei die Dual-Pixel-CMOS-Autofokus-Funktion und die Tatsache, dass der Camcorder intern 4K mit 4:2:2 und 10 bit im H.265-Codec aufzeichnen kann, der auch unter dem Label HEVC für High Efficiency Video Coding geführt wird. Auch der 1-Zoll-CMOS-Sensor mit DIGIC- DV6-Bildprozessor, der das gesamte UHD-Material der Kamera verarbeitet, findet ihr Lob. Das kommt nicht von ungefähr, denn auch die Canon EOS C200 verfügt über den gleichen Bildprozessor. Dass die maximale Öffnung des fest eingebauten optischen 15-fach-Zooms je nach Brennweite von 1:2,8 bis 1:4,5 reicht, nehmen sie als bauartbedingte Einschränkung hin, die sie beim täglichen Dreh wenig gestört hat. Die drei manuellen Kontrollringe mit Endanschlägen für Blende, Fokus und Zoom werden jedoch positiv vermerkt. Trotz des harschen „Zu-schwer-zu-groß“-Verdikts der anderen Kamera-Auszubildenden finden sie die Ergonomie und das generelle Handling mit der Kamera mit eigenen Worten „fabelhaft“. Trotz des etwas höheren Gewichts habe die Kamera außerordentlich gut in der Hand gelegen und alle Bedienelemente seien in fast schon gewohnter Canon-Manier an den Orten zu finden gewesen, wo man sie erwartet habe. Deshalb war es kein Problem, auch ohne lange Einarbeitung mit dem Camcorder umzugehen. Auch der komplett unter den Handgriff wegfaltbare Sucher und die integrierten verstellbaren ND-Filter wurden positiv vermerkt.

CODEC-FRAGEN
Beeindruckt war meine Kamera-Klasse auch davon, was der Prozessor der XF705 bei der Aufnahme von 4K H.265 zu leisten vermag. Mit einer Farbtiefe von 4:2:2 sind grundsätzlich auch in der Postproduktion aufwändigere Farbbearbeitungen möglich, vor allem in Verbindung mit dem Canon LOG 3 Profil. „Eine Sache hat mich jedoch von einem reibungslosen Workflow gestört“, bemerkte dazu ein Schüler. „Aktuell gibt es keine vernünftige Lösung für den H.265-Codec, so dass sich Aufnahmen nicht in Adobe Premiere importieren lassen. Der HVEC-Codec ist nun aber inzwischen nicht mehr neu auf dem Markt! Deshalb ist für mein Verständnis die Nichtunterstützung seitens Adobe für HEVC nicht nachvollziehbar!“ Die Gründe hierfür dürften auf der wirtschaftlichen Seite liegen. Denn die technischen Vorteile von HEVC liegen ja auf der Hand. Der Codec ist angetreten, um mit besserer Kompression bei besseren Bildergebnissen den in die Jahre gekommenen H.264-Codec obsolet zu machen. H.264, auch bekannt unter AVC für Advanced Video Coding hat jedoch einen bedeutenden, ausdrücklich nichttechnologischen Vorteil: die wesentlich unkompliziertere und preiswertere Lizenzstruktur. H.265 ist für Unternehmen, die es einsetzen wollen, bis zu siebenfach teurer als H.264, weswegen mancher Player auch Jahre nach dem Erscheinen von HEVC zögern dürfte, auf den H.265-Zug auszuspringen. Die Kamera-Klasse stürzte sich jedoch begeistert auf die Fähigkeit der XF705, 4K-UHD mit 50p, 4:2:2 und 10 bit direkt auf gängige SD-Karten aufzuzeichnen. „Das ist eine große Sache“, urteilt ein Schüler. „Eines der Hauptprobleme bei der Erfassung von 4K-Material ist ja die Menge der aufgenommenen Daten und der Preis des Aufnahmemediums. Die Verwendung der HEVC-Codierungstechnologie und deren Einbau in einen Camcorder finde ich sehr sinnvoll. Trotz des Problems der mangelnden Unterstützung von HEVC, das hoffentlich in naher Zukunft behoben wird, ist die XF705 meiner Meinung nach eine ernsthafte Konkurrenz in diesem Marktsegment.“

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