Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (8)
Das Verlangen nach Film
von Uwe Agnes,
Die Preisträgerinnen und Preisträgern beim 33. Deutschen Kamerapreis: Nico Schrenk bekam den Preis in der Kategorie Kamera Kurzfilm für „Everybody Leaves in the End“.
Geboren 1995 in Österreich, studiert Nico Schrenk seit 2018 Bildgestaltung/Kamera an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Sein Werbespot für Ecosia gewann Gold beim 1.4 Festival, zweimal Gold beim Spotlight Festival und Silber beim Young Director Award und wurde weltweit veröffentlicht. Der Awareness-Spot gegen psychische Gewalt „Holy Happy Family“ gewann Gold beim One-Point-Four-Festival in London und beim Spotlight Film Festival. Sein Kurzfilm „Boryza“ stand auf der Shortlist für die Student Academy Awards 2022. Nico Schrenk lebt in Wien und Ludwigsburg.
Wir haben unser Gespräch verschoben, weil du plötzlich nach Brüssel fahren musstest, um da im Kopierwerk Filmrollen abzuliefern. Wie kam es zu dieser spontanen Reise? Ich drehe gerade mit dem Regisseur Simon Schneckenburger, mit dem ich auch bei „Everybody Leaves in the End“ zusammengearbeitet habe, unseren Diplomfilm an der Filmakademie Ludwigsburg. Da haben wir gerade den ersten Drehblock abgeschlossen, auf 16-mm-Film gedreht, und weil alle Bahnen ausgefallen sind, mussten wir spontan mit dem Auto nach Brüssel fahren. Das war schon eine lange Fahrt und zwei Tage nacheinander sechs Stunden Auto fahren hätten wir nach den Dreharbeiten auch nicht unbedingt haben müssen. Direkt davor hatten wir auch noch einen Nachtdreh, wo wir erst um fünf Uhr ins Bett gekommen sind!
War „Everybody Leaves in the End“, für den du den Deutschen Kamerapreis bekommen hast, auch eine Studienarbeit?
Ja, genau. Ich habe Simon im ersten Jahr hier in der Filmakademie kennengelernt und wir haben ziemlich schnell geklickt. Wir haben einen ähnlichen Geschmack, haben ein ähnliches Gefühl dafür, was wir mögen und haben dann bis jetzt alle Filme gemeinsam gemacht, so jetzt eben auch den Diplomfilm. Unser Ziel war eigentlich immer, auf 16 Millimeter zu drehen, aber das ging nie. Auch „Everybody Leaves in the End“ wollten wir ursprünglich auf Film drehen, haben aber dann schnell gemerkt, dass das bei den vielen Nachtdrehs, die wir hatten, gar keinen Sinn gemacht hätte. Aber jetzt beim Diplomfilm haben wir uns das einfach gegönnt.
Gab es abgesehen davon noch Gründe, nicht auf 16-mm-Film zu drehen?
Das Geld! Wir wollten auch schon den Zweitjahresfilm auf 16 Millimeter drehen, aber natürlich hatten wir auch nicht die Mittel. Jetzt haben wir deutlich mehr Budget für den Diplomfilm, aber trotzdem reicht das Geld eigentlich nicht. Wir haben zusätzlich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die erfolgreich war, und haben auch viele Sponsoren gewinnen können. Trotzdem mussten wir das Budget für den Film und die Entwicklung privat stellen und wollen das im nächsten Jahr durch Jobs refinanzieren.
Mit welcher Kamera habt ihr gedreht? Wir hatten die Sony VENICE 1, weil wir in Ludwigsburg eine zur Verfügung haben, und auch, weil wir die Dual Base ISO bei den vielen Nachtaufnahmen auf den Rast- höfen und Tankstellen natürlich gut gebrauchen konnten. Für diese Locations haben wir unglaublich viel gescoutet. Das ist bei Simon und mir immer so – gefühlt einen Monat sind wir auf der Straße unterwegs und fahren durch die Gegend, recherchieren auf Google Maps. Wenn man studiert, hat man eben keine Location- Scouts und bis man eine gute Location findet, dann dauert das halt Wochen! Das waren nicht unbedingt die spaßigsten Zeiten, in Eiseskälte mitten in der Nacht die Autobahn abzufahren und sich Hunderte Tankstellen anzusehen. Irgendwann wird das wirklich deprimierend, deshalb hoffe ich, dass Simon in sein nächstes Buch auch mal schöne Locations hineinschreibt, dass wir beim Scouten mehr Spaß haben, vielleicht eine griechische Insel oder irgendwo in der Karibik! Die großen Industriestandorte in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen kennen wir ja nun schon.
Wie lief bei euch der Prozess, den Look des Films zu entwickeln?
Das ist bei Simon und mir ganz cool, weil wir beide sehr visuell denken. Er wollte eigentlich Kameramann werden, aber hat sich einfach nicht genug für die Technik interessieren können, und ich wollte früher Regisseur werden, bis ich gemerkt hab, dass das auch seine Schattenseiten hat und ziemlich anstrengend sein kann! Bei der Lookentwicklung arbeiten wir sehr stark inhaltlich und versuchen, daraus die Darstellung zu motivieren und eine Bildsprache zu wählen, die den Inhalt verstärkt, bei „Everybody Leaves in the End“ vor allem die innere Welt unserer Protagonistin. Wir wollten zum Beispiel von Anfang an die Außenwelt so kalt wie irgendwie möglich zeigen, so, wie sie die Welt wahrnimmt, und wollten das Gefühl auf- bauen, als würde selbst tagsüber die Sonne nie aufgehen, was ja im Winter sowieso beinahe so ist. Wir wollten erreichen, dass man immer das Gefühl hat, es wäre die ganze Zeit späte Dämmerung.
Dadurch kommt dann auch die extreme Dunkelheit im Film. Ich kann mich gut erinnern, dass ich vom Deutschen Kamerapreis einen Anruf bekam, wo sie gefragt haben, ob bei dem Film alles in Ordnung ist, der wäre so verrauscht und dunkel und würde nicht den Fernsehnormen entsprechen, und sie wollten nur noch einmal abchecken, ob es da nicht einen technischen Fehler gibt! Aber das war gewollt und kein Fehler! Ich habe den Film selbst gegradet und dabei wirklich versucht, die Bilder so dunkel wie irgendwie möglich herunterzudrücken. Wir haben auch bei der Wahl der Locations geschaut, dass sie immer eine gewisse Tristesse mit sich bringen.
Was hat dich als DoP bei diesem Projekt am meisten beschäftigt?
Für mich ist es eigentlich immer die Auflösung, die mich am meisten beschäftigt, weil es ja unendlich viele Arten gibt, eine Szene aufzulösen oder stilistisch an sie heranzugehen. Ich finde es so schwierig, sich zu entscheiden: Warum genau so, warum nicht anders? Warum entscheidet man sich für genau diese Art der Auflösung? Das hat mich bei dem Projekt am heftigsten beschäftigt, das hatte ich so auch noch nie.
Simon und ich machen vorher immer Testdrehs, wo wir den ganzen Film mit dem Handy oder einer kleinen Kamera drehen. Das ist immer richtig de- primierend, weil alles erst einmal komplett nach nichts ausschaut! Da ist kein Licht, keine Darsteller – meist spielt Simon alle Rollen – keine Komparsen, die falsche Tageszeit, und da gab es einen Tag, da war ich wirklich fertig und habe mir echt gedacht: „Was zur Hölle mache ich da, das wird überhaupt nicht funktionieren!“ Solche Momente hat man wahrscheinlich immer, aber bei diesem Dreh war es wirklich einschneidend. Deswegen fand ich es dann halt wirklich komplett verrückt, dass dann ausgerechnet dieses Projekt den deutschen Kamerapreis für die beste Kamera bei einem Kurzfilm geholt hat. Super, wirklich verrückt! [15408]