„Bis zum nächsten Putsch!“ So verabschiedete sich mein Großvater von Freunden und Verwandten. Für jemanden, dessen Jugend in die Zeit der Weimarer Republik fiel, waren häufige, wenn auch nicht immer gewaltsame Regierungswechsel offenbar eine prägende Erfahrung. Mittlerweile geht es zumindest in Mitteleuropa ein wenig stabiler zu. Trotzdem werden noch Regierungen gestürzt, meist durch politisches Ränkeschmieden, manchmal aber auch durch politische Dummheit und journalistische Recherche in Kombination.
Etwa so: Ein lauer Abend auf Ibiza, die Stimmung ist entspannt, die Zungen gelöst. Der österreichische Vizekanzler Strache und der geschäftsführende Fraktionsvorsitzende im Nationalrat Johann Gudenus, beide FPÖ, treffen sich mit der Nichte eines russischen Oligarchen. Dabei zeigen sich die beiden Politiker im Lauf des Abends durchaus korruptionsbereit, willens, die Gesetze zur Parteienfinanzierung zu umgehen, und schmieden Pläne zur verdeckten Übernahme unabhängiger Medien.
Blöd nur, dass die angebliche Nichte als klassischer Lockvogel gar keinen Oligarchen-Onkel hat, der gesamte Abend heimlich auf Video aufgezeichnet wird und obendrein Auszüge daraus an die Öffentlichkeit gelangen. Die Regierung des ÖVP-Kanzlers Kurz zerbricht über dem Skandal, das politische Nachbeben hält mit dem Rückzug von Kurz aus der Politik bis in die Gegenwart an.
Das ist ebenso Stoff für eine Komödie wie für einen Dokumentar-Thriller – und beides decken wir mit einem kleinen Schwerpunkt in unserem Heft ab. Wir sprechen mit DoP Thomas W. Kiennast, der für die Bildgestaltung der Sky-Miniserie „Die Ibiza-Affäre“ verantwortlich war und erfahren von ihm, wie es ihm gelungen ist, sein visuelles Konzept trotz knapper Drehzeit umzusetzen. Außerdem berichtet der Digital Imaging Technician Christian Saure ab Seite 38, wie er bei dem Projekt DoP Kiennast unterstützte und warum Performance so wichtig für ihn ist.
Der nonfiktionalen Seite widmet sich der Dokumentarfilm „Hinter den Schlagzeilen“, in dem es unter anderem um das „Ibiza-Video“geht. Im Interview schildern Regisseur Daniel Sager und Editor Hannes Bruun, wie sie mit den Herausforderungen des Drehs umgegangen sind und wie es gelang, aus hunderten Stunden Material einen dichten Film zu schneiden.
Und es ist Drehschluss für 2021 bei Film & TV Kamera: Über die Feiertage und zwischen den Jahren ruht nicht nur unser Newsletter, sondern auch wir. Viel Spaß beim Lesen, Ihnen allen ein schönes Weihnachten und gutes neues Jahr 2022 – bis zum nächsten Putsch!