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22. Marburger Kamerapreis für Benedict Neuenfels

Ideen provozieren

In diesem Jahr ging der Marburger Kamerapreis an Benedict Neuenfels. Seine Kameraarbeit besticht durch Originalität und den Mut zu Neuem. Kay Hoffmann sprach mit ihm für unsere Ausgabe 7–8.2023 über das Selbstverständnis des DoP, die Bedeutung der Vorbereitung und seine Arbeit mit Handkameras.

Logo des Marburger Kamerapreises

Anfang Mai wurde der 22. Marburger Kamerapreis von der Philipps-Universität und der Stadt Marburg an Benedict Neuenfels verliehen. Sein Oeuvre umfasst über 60 Produktionen für Kino und Fernsehen. Dabei arbeitet er schon sehr lange eng mit einem Team zusammen, das aus seinem 1. Assistenten Andreas Erben, Keygrip Markus Pluta, Oberbeleuchter Rainer Stonus und 2. Kameraassistenten / DIT Phillip Wölke besteht.

Sie haben schon zahlreiche Preise erhalten für Ihre kreative Arbeit. Wie wichtig sind solche Preise für Sie und Ihr Team?
Der Marburger Kamerapreis ist eine Art von Image-Session über drei Tage, die sich um die Wahrnehmung des laufenden Bildes kümmert. Von daher ist er einmalig in der Welt, weil er unsere Arbeit vorstellt, würdigt und gleichzeitig untersucht und mit dem Publikum bespricht.

Sie sind seit Ende der 1980er Jahre als DoP aktiv, haben also die technischen Umbrüche selbst erlebt. Was waren für Sie die einschneidensten Veränderungen?
Ich denke, dass den DoPs so etwas wie ihre primäre „Zauberkiste“ genommen wurde – der chemische Prozess der Filmentwicklung. Das Ergebnis sah man oft erst ein bis zwei Tage später. Heute bin ich in der Lage, am Set das Bild so zu bearbeiten, wie es final aussehen könnte. Darüber hinaus hat durch die Digitalisierung das Bild einen enormen, weltweiten Stellenwert als Kommunikationsform erlangt. Das wäre mit analogem Material nie denkbar gewesen.

Ihnen ist es wichtig, Ihre Arbeit nicht auf Bedienung der Kamera zu reduzieren, sondern die Bewegungsdramaturgie und die Gestaltung mit Licht und Farbe zu berücksichtigen. Wird dies heute stärker anerkannt?
Wenn wir über Deutschland sprechen, ist es sicher besser geworden. Doch viele gehen davon aus, dass die Regie für das Aussehen des Bildes verantwortlich zeichnet – sicher ein Relikt des Autorenkinos. Die DoPs sind die Bildregisseur:innen, die sich um die Aneinanderreihung von mehreren hundert Bildern und deren Wirkung kümmern. Dank des Einsatzes von Kinematografen-Legende Jost Vacano und dem Berufsverband Kinematografie ist es gelungen, diese Mitautorenschaft im deutschen und europäischen Recht zu verankern.

Wie gehen Sie an neue Projekte heran und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Regie?
Ich suche nicht nach der Innovation. Jeder Film ist ein Solitär und ich fordere von mir und meiner Umgebung, ein Projekt intensiv vorzubereiten, was man in Deutschland häufig gar nicht kann oder will. Diese gemeinsame Schreibtischtäterschaft ist einer der preiswertesten und zugleich ungenutztesten Produktionsvorgänge. Bei vielen Projekten bin ich glücklicherweise früh beteiligt und lese schon das Treatment, bevor ein Drehbuch überhaupt existiert. Es dauert oft ewig mit der Finanzierung. In dieser Phase versuche ich vorab Zeit mit der Regie und den anderen Gewerken in die denkbare, filmische Umsetzung des Buches zu stecken. Ideen müssen erarbeitet und provoziert werden, die fallen nicht vom Himmel. Das tun wir dann meistens ohne Bezah- lung, weil die Produktionen noch nicht finanziert sind.

Haben Sie den Eindruck, dass dies in der Ausbildung von Bildgestalter:innen berücksichtigt wird?
Nein. Ich glaube, dass du als Bildgestalter:in eine Ausbildung als Filmemacher:in anstreben solltest, wenn du es gut und lange machen willst – ohne uns zu wiederholen oder uns selbst zu langweilen. Immer wichtiger werden hierbei die visuellen Effekte, aber DoPs sollten sich ein profundes Wissen über Schnitt, Produktion, Szenenbild und alle anderen Abteilungen anlegen. Beim Dreh müssen wir bewerten können, ob alles, was von den Gewerken vorbereitet wurde, zusammen im Bild seine beabsichtigte Wirkung entwickelt. Schauspieler:innen sind unser höchstes Gut und wir müssen alles dafür tun, dass wir ihnen einen geschützten Raum vor unseren Kameras und Blicken bieten können. Es gibt so viele Bereiche, bei denen wir uns um die Menschen am Set kümmern müssen. Menschenführung und ein gesundes psychologisches Verständnis sind hierbei sehr förderlich, die es in der Ausbildung zu vermitteln gilt.

Haben Sie in vielen Filmen mit Handkamera gearbeitet?
Ja, in sehr vielen. Für mich ist die Handkamera ein Tentakel, ein szenischer Schreibstift, mit dem ich in der Lage bin, den Schauspielern einen enormen Freiraum geben zu können. Schwenks können Schnitte ersetzen, die Mobilität provoziert möglicherweise ungeahnte Bilderwelten. Ich nenne das „Bilder tauchen“. Darüber hinaus nimmt sich die Handkamera in der Kadrierung des Bildes nicht so ernst, wirkt weniger „gestaltet“. Im Spiel- und Dokumentarfilm ist es seit tragbare Kameras existieren, ein gängiges Mittel – heutzutage protestiert kein Zuschauer mehr wegen „wackelnder Köpfe“.

Hat Ihnen da die Kameraentwicklung in den vergangenen 30 Jahren geholfen?
Vor allem in den letzten Jahren geht die Entwicklung durch die Entkoppelung der Steuer- und Stromversorgungseinheiten des Mainbodies von der Objektiv- und Sensoreinheit zu leichteren Kamera-Setups. Die letzte Generation der 35-mm-Kameras war jedoch angenehmer, ergonomischer zu tragen als die digitalen Kameras wie Sony, Red oder ALEXA, die durch die ganze Peripherie wie Videosender, Blenden- und Schärfemotoren sehr kastig wurden.

Sie arbeiten seit vielen Jahren mit einem festen Team zusammen. Erleichtert diese enge Zusammenarbeit die Umsetzung neuer Projekte?
Wir sind sehr unterschiedliche Typen, lieben das Filmemachen und lernen gerne gemeinsam. Ich kann frühzeitig Um- setzungsanforderungen für ein zukünftiges Projekt problematisieren, recherchieren, testen und spezielles Equipment anfertigen lassen, ohne auf irgendeine Finanzierung warten zu müssen. Das halte ich für meinen Lottogewinn!  [15350]

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