Interview mit Szenenbildnerin Juliane Friedrich zu „Nur ein Augenblick“
von Redaktion,
Szenenbildnerin Juliane Friedrich hat schon so unterschiedliche Filme wie „Oh Boy“ und „Der Mann aus dem Eis“ realisiert. Das Interview findet in ihrer Mittagspause bei einem Workshop für „After Effects“ statt.
Warum interessieren Sie sich als Szenenbildnerin für eine VfX-Software?
Sicherlich Neugierde und dann ist das Wissen um die Möglichkeiten der digitalen Technik für meinen Beruf ein immer wichtiger werdendes Handwerkszeug. Am Beginn eines jeden Projektes muss ich die Kosten zwischen den verschiedenen Varianten abwägen – bestimmte Orte zu bauen oder sie mithilfe von VFX umzusetzen. Die Kollegen des VFX-Departments sagen sehr abstrakt: „Die Farben müssen unterschiedlich sein, damit man keyen kann.“ Wenn man dann schon einmal in der Situation gewesen ist, selber Material digital bearbeiten zu müssen, kann man die Arbeit der Kollegen der Postproduktion deutlich erleichtern, ohne auf jede Klippe oder jedes Erfordernis aufmerksam gemacht werden zu müssen.
Als Sie zu dem Projekt kamen, stand da schon fest, dass in Deutschland gedreht werden wird?
Die Entscheidung, dass man nicht in Syrien oder einem anderen Land der Region drehen kann, war lange gefallen. Ich empfinde es nach wie vor als große Aufgabe, für Syrien vor dem Krieg und währenddessen eine in sich glaubhafte Welt zu erschaffen. Es ging uns nicht um das „syrische Licht“, sondern vielmehr darum, eine Abstraktion für den Krieg, die Zerstörung und den Zerfall dieses Landes zu finden.
Wie haben Sie diese syrische Welt gebaut?
Natürlich habe ich viel recherchiert und wir hatten Menschen aus Syrien in unserem Team, die sich sehr mit Bildmaterial und Gesprächen engagiert haben. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass auch das Szenenbild in erster Linie die Dramaturgie einer Geschichte unterstützen muss – da ist der Charakter, der „Geruch“ der Orte wichtiger, als dass die Steckdose, die Türklinke oder die Gardinenstange „original“ sind. Wir konnten ohnehin keine syrischen Requisiten und Dekorationsgegenstände importieren. Ich empfinde es als spannend, den Naturalismus zu verlassen und einen für die Geschichte eigenen Kosmos zu erschaffen, zumal sich in unserer globalisierten Welt ohnehin sehr vieles vermischt und der Krieg verworrene Wege schafft, wie Dinge, auch Waffen, dort landen. Das Hauptquartier der Rebellen soll sich in einer ehemaligen Schule befinden und die Schulbänke zum Beispiel kommen aus einem tschechischen Fundus.
War dies dann auch die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Die Herausforderung stellt sich ja immer auf verschiedenen Ebenen. Es mag absurd klingen, aber mitunter und auch in diesem Falle ist es logistisch sehr schwierig, eine Wohnung – hier die von Karim und seiner Freundin – für eine längere Zeit zum Umbauen, Einrichten und etliche Drehtage zu finden. Inhaltlich war es natürlich aufregend, eine Welt zu beschreiben, die man gar nicht durch eigenes Erleben kennt. Wenn man einen Ort erfindet, wo man nicht zuhause ist. Da habe ich sehr viel Respekt und Sorge, dass die Betroffenen sich gut wiederfinden können. Bei historischen Stoffen ist das letztendlich ähnlich. Der Ruhrpott in den 1980ern wäre für mich als zu dieser Zeit in der DDR Aufgewachsene auch nicht so einfach nachzubilden – und genau das ist ja das immer wieder Faszinierende an meinem Beruf.