Wir stellen die Preisträgerinnen des 34. Deutschen Kamerapreises vor (2)
Jedes Frame zählt
von Uwe Agnes,
Unsere Reihe mit den Gewinnerinnen und Gewinnern beim 34. Deutschen Kamerapreis geht weiter mit Yana Höhnerbach, die für den besten Schnitt Doku Screen ausgezeichnet wurde.
Seit ihrem Bachelor-Abschluss 2014 im Bereich Editing Bild und Ton an der internationalen filmschule köln (ifs) ist Yana Höhnerbach als freiberufliche Editorin tätig. Zu ihren aktuellen Arbeiten gehört der Film „Drei Frauen – Ein Krieg“, der 2024 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Schnittarbeit an „Searching Eva“, einem Film von Pia Hellenthal, der 2019 auf der Berlinale uraufgeführt und auf weiteren renommierten Festivals gezeigt wurde, brachte ihr 2020 den „Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm“ beim Festival Edimotion ein. Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Editorin unterrichtet Yana Höhnerbach regelmäßig als Dozentin und Tutorin im Bereich Schnitt.
Beginnen wir das Gespräch doch mit einem ganz herzlichen Glückwunsch zum deutschen Kamerapreis! Vielen Dank!
Hattest du in irgendeiner Form damit gerechnet? Und was hat er für dich bedeutet? Es ist ja nicht deine erste Auszeichnung. Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet und war total überrascht. Es hat mich unglaublich gefreut, vor allem bei diesem Film, weil die Schnittzeit so wahnsinnig intensiv war. Ich konnte den Film nirgendwo anders einreichen, da wir keine Kinoauswertung hatten. Meine Produzentin hat ihn dann kurz vor der Einreichungsfrist noch eingeschickt, ohne dass ich wirklich davon wusste. Und plötzlich kam der Anruf, und ich dachte nur: Okay, wow, toll! Es war eine großartige Wertschätzung für die intensive Arbeit im Schnitt.
Was genau war aus deiner Sicht so intensiv am Schnitt? Der Film besteht komplett aus Archivmaterial und erzählt die Geschichte von drei tollen Frauen ausschließlich durch dieses Material und deren Stimmen. Es gibt keinen Kommentar, was man bei langen formatierten Dokumentarfilm oft hat, und keine Interviews. Stattdessen nutzen wir nur Textstellen und eine Unmengen an Archivmaterial, das wir passend zusammenstellen mussten, damit die Geschichte richtig zum Leben erwacht. Man kann sich zwar vorher viele Gedanken darüber machen, wie der Film werden soll, aber hier ist der Film eigentlich komplett im Schnitt entstanden. Das ließ sich auch nicht viel im Voraus planen, weil alles davon abhing, welches Archivmaterial wir zur Verfügung hatten, wie es sich einfügt und wie überhaupt die Form funktioniert.
Wie hast du das Material gefunden? Hast du das allein gesucht oder hattest du eine Schnittassistenz? Nein, zum Glück musste ich das nicht selbst suchen, auch nicht meine Assistenz, ohne die ich auch verloren gewesen wäre. Aber wir hatten eine Archiv-Producerin, die das Material gesucht und uns zur Verfügung gestellt hat.
Und Rechte geklärt? Genau, das ist alles vonseiten der Produktion passiert. Nach dem Picturelock gab es noch einige Anrufe, dass ein paar Sachen doch noch ausgetauscht werden müssen. Wir mussten zum Teil neue Lösungen finden, weil wir die Rechte für bestimmte Inhalte nicht bekommen konnten. Während des Schnitts hatte ich ja diesen riesigen Berg an Material und habe einen Monat lang gesichtet. Zwischendurch bin ich dann immer wieder online gegangen, um nach zusätzlichen Fotos zu suchen, vor allem von den Frauen. Viele dieser Fotos landeten in meinem „Giftschrank“ – ich wusste, dass ich sie haben wollte, aber ich war mir nicht sicher, ob ich sie tatsächlich verwenden durfte.
„Drei Frauen – Ein Krieg“ ist ja auch deswegen ein reiner O-Ton-Film, weil die drei Berichterstatterinnen aus dem Krieg nur durch ihre Tagebucheinträge oder Briefe zu Wort kommen. Wie habt ihr das im Schnitt gelöst? Das war ja sicher auch ein Timing-Problem. Wir hatten drei Layout-Sprecherinnen, jeweils eine für jede Frau. Das waren Leute aus unserem Bekanntenkreis, um wirklich drei unterschiedliche Stimmen zu haben. Die haben die ersten Aufnahmen gemacht. Später, als sich einige Details geändert haben, hat die Regisseurin Luzia Schmid die Layout-Stimmen selbst eingesprochen, einfach um Zeit zu sparen, und damit haben wir die Timings neu festgelegt. Danach mussten wir ein Casting machen, um die passenden Stimmen für die endgültigen Aufnahmen zu finden. Es ist gar nicht so einfach, Stimmen zu unterscheiden, und man muss darauf achten, dass sie gut zueinander passen. Eine der Layout-Sprecherinnen war dann so gut, dass wir sie für die finalen Aufnahmen behalten haben!
Die Passagen habt ihr dann nach dem Picturelock dann so einsprechen lassen, dass das Timing dann auch gestimmt hat? Sie haben ungefähr gepasst. Aber der Sounddesigner Holger Buff, mit dem ich viel zusammenarbeite, ist auch schon früh in das Projekt eingestiegen. Er hat zwar nicht die Aufnahmen selbst gemacht, aber er hat sie dann bekommen und angelegt. Dabei hat er darauf geachtet, dass das Timing genau stimmt. Ab und zu musste er vielleicht ein wenig anpassen, aber wir hatten die Passagen schon so geplant, dass alles stimmte. Ich bin dann noch einmal dazugekommen, habe mir das Ganze angehört und gesagt: „Nein, ich möchte wirklich diese Passage drei Frames weiter vorne haben.“ Es war eine enge Zusammenarbeit. Es gab nicht viel Spielraum, und wir hatten das Layout bereits so gestaltet, dass klar war, es würde funktionieren.
Framegenaues Arbeiten. Bei den Tönen kommt es eigentlich nicht so darauf an. Da merkt der Zuschauer nicht so extrem, wenn ein einzelner Frame nicht ganz stimmt. Manchmal ist es einfach so, dass eine Pause nicht genau passt und man denkt, es müsste noch bisschen angepasst werden. Bei den Bildern ist das schon auffälliger. Technisch gesehen kann ein Schnitt schlecht wirken, nur weil eine kleine Irritation im letzten Bild ist. Wenn sich da noch etwas bewegt, kann schon ein einziger Frame Unruhe bringen. Auch der Rhythmus kann dadurch beeinflusst werden.
Im Dokumentarfilm ist es oft so, dass ich mir denke, hier hätte ich gern noch zwei Frames mehr. Wenn ich die nicht habe, versuche ich, das mit Verlangsamung auszugleichen. Ich habe oft ein bisschen Slowmotion am Ende verwendet, damit das Bild noch etwas länger steht. Solche kleinen Tricks helfen dabei, den Rhythmus zu verbessern. Aber es gibt natürlich auch Grenzen. Manchmal muss man einfach akzeptieren, dass man das letzte Frame nicht mehr rausholen kann, besonders bei Archivmaterial, wo man einfach nicht noch mehr Material hat.
Dieser Film lebt ganz besonders vom Sound, denn das gesamte Archivmaterial wurde stumm gedreht. Wir hatten wirklich nur etwa 30 Sekunden an Originaltonmaterial, der Rest wurde später von uns aufgenommen. Ohne das aufwendige Sounddesign wäre der Film unglaublich leblos gewesen. Es war entscheidend, dass das Sounddesign bereits im Schnitt integriert wurde. Meine Schnittarbeit mag auf den ersten Blick sichtbar sein, aber viele vergessen, dass jedes Geräusch im Film gemacht und schon im Schnitt angelegt wurde. Ohne diese sorgfältige Arbeit würde der Film nicht so funktionieren. [15488]