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Wir stellen die Preisträger des 32. Deutschen Kamerapreises vor (7)

Sorgfältiger Rhythmus

In unserer Reihe mit den Gewinnern beim 32. Deutschen Kamerapreis stellen wir heute Nicolai Zeitler vor, der für seine Schnittarbeit bei „Alles Übel dieser Welt“ den Preis in der Kategorie Schnitt Nachwuchs bekam.

Filmstill aus "Alles Übel dieser Welt"
„Alles Übel dieser Welt“ (Foto: Rebecca Meining)

Nicolai Zeitler, Jahrgang 1985 studierte Medienkunst an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und Spielfilm- regie an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München und war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Seine Kurzfilme gewannen diverse Preise, darunter den 2018 ADC Directors Award in Gold. Gemeinsam mit seiner Partnerin Marlene Bischof schreibt und inszeniert er seine Filmprojekte. Sie haben zwei Kinder und leben in München.

Lieber Nicolai, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis! Was bedeutet der Preis für dich?
Vielen Dank! Der Nachwuchspreis ist natürlich schon eine wahnsinnige Ehre und eine sehr große Motivation und ein Ansporn für mich. Es war toll, dass die Schnittleistung gewürdigt wurde, weil ich da nie drüber nachgedacht habe, dass so etwas mit einem solchen Preis gewürdigt werden könnte. Für mich war der Schnitt organisch und so, wie ich mir den Film vorgestellt habe. Ein Kamerapreis, den man vor Ort auf einer Bühne erhält, an einem Galaabend mit toller Moderation ist etwas sehr sehr schönes und besonders schön, dass es wieder in Person stattfinden kann und konnte.

Wie kommt man auf die Idee des Films „Alles Übel dieser Welt?
Meine Partnerin Marlene Bischof und ich wollten eigentlich schon längere Zeit einen Film über Tagträume machen. Wir schreiben und inszenieren grundsätzlich alle Filme zusammen. Im ersten Corona-Jahr kam es dann dazu: Wir haben den Film an einem Wochenende geschrieben. Es war eigentlich nur eine Kurzschlussreaktion – wir haben schon drei Wochen später mit den Dreharbeiten begonnen. Viele Freunde und Bekannte haben uns dabei geholfen. Es ging uns darum, zu zeigen, wie schnell es geht, wenn wir uns in unseren Gedanken und Bubbles bewegen, dass andere Menschen zu Feinden werden und wir etwas auf unsere Mitmenschen projizieren. Diese Themen fanden wir zur damaligen Zeit sehr wichtig. Deshalb haben wir das auch so schnell geschrieben und gedreht.

Porträtfoto von Nicolai Zeitler
Nicolai Zeitler (Foto: Rebecca Meining)

Bei dem Projekt hast du am Drehbuch geschrieben, Regie geführt und geschnitten. Geht dabei nicht einiges verloren beziehungsweise ist es nicht besonders schwierig, so viel in Personalunion zu machen?
Also ich mag es total gerne, weiß aber auch, dass es viele andere Herangehensweisen gibt. Mir gibt das die Möglich- keit, etwas sehr Persönliches zu machen. Es wäre für mich bei diesem Projekt nahezu unmöglich gewesen, das jemand Drittem zu erklären, der oder die das dann für mich macht. Allein das zu artikulieren, wie ich es mir vorstelle, wäre dabei sehr kompliziert gewesen. Das ist für mich ein gro- ßer Vorteil, dass ich mir beim Schreiben schon Gedanken machen kann, wie ich es am Ende schneiden möchte. Das ist sehr intuitiv für mich. Ein Nachteil ist für mich schon, dass ich länger brauche, weil ich gewisse Aufgaben nicht delegieren kann oder möchte.

Sitzt ihr denn zu zweit im Schnitt?
Das Inszenieren machen wir wirklich komplett zusammen und den Schnitt habe ich zum Großteil allein übernommen.

Den Kamerapreis hast du für den Schnitt bekommen und hast schon gesagt, dass das einfach so passiert ist. Hattest du das finale Stück immer so im Kopf oder kam irgendwo der Punkt, wo du gemerkt hast, dass es tatsächlich so funktioniert?
Der Moment kam auf jeden Fall, an dem ich dachte: „Krass, das funktioniert wirklich!“. Bevor man es nicht gesehen hat, weiß man nie, ob es klappt oder nicht. Es war auch beim Schnitt viel Arbeit, das so hinzubekommen. Wir hatten sehr viel Material, das an den drei Drehtagen zusammengekommen ist. Ursprünglich sollte der Film sieben Minuten lang sein und dann wurde er auf vier Minuten gekürzt. Beim Schnitt ging es dann darum, welches Schnitt-Tempo das zuschauende Auge noch verkraften kann, denn der Rhythmus sollte sehr hoch sein. Wie die Darstellung von Gedankenströmen erfolgen sollte, war uns beim Schreiben recht klar, aber bis es gedreht und geschnitten ist, weiß man nicht, ob es so passt.

Das hört sich alles so leicht an. War das nicht alles sehr viel Arbeit, alles so perfekt zu machen?
Doch, auf jeden Fall. Den Ton und das Sounddesign habe ich zwar abgegeben, habe aber vorher viel mit den Tönen herumprobiert, weil sich Ton und Bild immer bedingen. Allein des Rhythmus wegen. Die Postproduktion hat insgesamt einen Monat gedauert – für einen vierminütigen Film.

Womit hast du das Projekt geschnitten?
Früher habe ich viel auf Avid geschnitten und dieses Projekt habe ich komplett mit Premiere bearbeitet. Das lief auf meinem iMac, auf dem ich das zuhause machen konnte. Wir haben das Projekt in 4K gedreht und wir haben viel mit Speed-Ramps und nachträglichen Zooms gearbeitet, um den Fluss des Films so hinzubekommen. Hardwareseitig war das gar kein Problem.

Dreharbeiten zu "Alles Übel dieser Welt"
Mit kleiner Kamera und kleinem Team wurde der Film in kürzester Zeit realisiert. (Foto: privat)

Fluss kreieren und einen Rhythmus erzeugen – welche handwerklichen Mittel hast du benutzt, um das so hinzubekommen?
Speed-Ramps und Zoom-ins waren natürlich die Mittel der Wahl, um Übergänge zu schaffen. Wir haben uns bereits beim Drehen die Vorgabe gesetzt, dass das Motiv nach Möglichkeit immer im Zentrum des Bildes ist. Wir wussten, dass wir sehr schnell schneiden wollten. Damit sich dabei das Auge nicht ständig neu orientieren und ausrichten muss, haben wir vieles in der Bildmitte stattfinden lassen.

Du bist Filmemacher und nicht nur Editor. Den Kamerapreis hast du aber für die Schnittleistung bekommen. War der Schnitt das Aufwendigste an diesem Projekt?
Das Aufwendigste nicht unbedingt, aber es war sehr schön, den Film zu schneiden. Bei allen meinen Projekten war ich immer zumindest am Schnitt beteiligt. Das bedeutet, mir ist der Schnitt immer super wichtig. Da kommen für mich die ganzen Stücke zusammen und da entsteht das Werk mit all seiner Kraft, die es dann haben kann. Bei diesem Dreh waren die Dreharbeiten schon sehr intensiv, weil wir innerhalb von drei Tagen alles abgedreht haben. Die Kamerafrau Rebecca Meining ist auch eine Art dritte Regisseurin bei uns im Bund. Sie war von Anfang bis Ende tief ins Projekt in- volviert. Die meiste Zeit hat der Schnitt in Anspruch genom- men, weil es immer auch um einzelne Frames ging.

Hattet ihr Budget, gab es Komparsen und habt ihr den Drehort absperren müssen?
Wir haben das Projekt komplett ohne Budget gemacht. Wir haben alle zusammengelegt – Rebecca Meining, mein Bruder und wir. Insgesamt hatten wir 1.000 Euro für den Film. Das ging aber nur, weil alle Beteiligten unentgeltlich am Projekt mitgewirkt haben. Dem entsprechend gab es keine Straßensperre und dergleichen. Wir hatten eine kleine, unscheinbare RED-Kamera und waren mit einem sehr kleinen Team unterwegs, das im Kern aus der Kamerafrau, Kameraassistenz, Ton und Regie bestand. Wir waren also meistens zu viert oder zu fünft. Wir haben uns dann eine Stelle gesucht, die recht voll ist. Das war für uns einfacher, weil alle schnell weiter gehen wollten und wir unbeobachtet blieben.

Ich bin auch davon überzeugt, dass das einen Teil des Films ausmacht, dass keine Komparsen dabei waren. Beim Dreh der Prügel-Szene haben teilweise Passanten eingegriffen, weil sie dachten, es gäbe eine Schlägerei. Wir konnten das zum Glück recht schnell klarstellen. Es gab also überraschenderweise viel Zivilcourage. [15292]

 

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