Auf immer mehr Anwender kommt sie zu: die Arbeit mit HDR im Alltag. Worauf muss man achten und welche Standards werden einem über den Weg laufen? Wir fragten in unserem HDR-Schwerpunkt in der Ausgabe 3/2019 von Film & TV Kamera Dario Möller vom Münchner Unternehmen Screencraft.
Aktuell gibt es mehrere HDR-Standards. Welche sind die gängigsten und was sind die groben Unterschiede?
Die PQ-Transferfunktion oder auch SMPTE ST-2084 ist aktuell am gebräuchlichsten und wird bei HDR10/HDR10+ und Dolby Vision verwendet. Sie erlaubt es, dass die zusätzlichen Details, die der höhere Dynamikumfang mit sich bringt, möglichst platzsparend untergebracht werden und 10 Bit (bzw. 12 Bit bei Dolby Vision) ausreichend sind. Es werden dem Bildmaterial Metadaten hinzugefügt, die zum Beispiel Informationen über das beim Colorgrading verwendete Display oder die maximale Helligkeit des Programms enthalten. Da die verschiedenen Anzeigegeräte jeweils unterschiedliche Fähigkeiten in puncto maximale Leuchtdichte und Abdeckung von Farbräumen haben, ist es durch die Metadaten möglich, auf möglichst vielen Geräten ein angemessenes Tone Mapping hinzubekommen. Hybrid Log Gamma (HLG) ist ein ganz anderer Ansatz und wurde speziell im Hinblick auf den Broadcast-Betrieb entwickelt. Der unterer Teil des Signals bekommt hier eine übliche Gammakurve, der obere eine logarithmische. Somit entfällt die Notwendigkeit, dasselbe Programm zweimal auszustrahlen, da sowohl SDR- als auch HDR- Geräte das Signal korrekt darstellen können.
Im Heimkino wird HDR immer interessanter. Ihr setzt auch Consumer-TVs beim Monitoring ein. Was müssen die mitbringen, um Profiansprüche zu erfüllen? Wofür eignen sie sich, wofür nicht?
Consumer-TVs eignen sich aufgrund ihrer Größe vor allem, um bei UHD-Material Bildschärfe und -rauschen zu beurteilen – Details, die man mit einem 30-Zöller nur mit einem sehr geringen Betrachtungsabstand wahrnehmen kann. Um die unterschiedlichen Charakteristika von LED und OLED nebeneinander im Blick zu haben, verwenden wir unsere Profi-Monitore in Kombination mit Consumer-OLEDs. Zum einen können wir so abschätzen, wie beim Zuschauer das Schwarz aussehen wird. Weiterhin kann es bei LED-Panels vorkommen, dass durch Local Dimming, also das partielle Abdunkeln der LED-Hintergrundbeleuchtung, an den Kanten solcher Areale Blooming entsteht, also ein Lichthof um ein helles Objekt herum. Das kann mit dem OLED gegengecheckt werden. Problematisch sind bei Consumer-Geräten die „Bildverschlimmbesserer“ wie Rauschreduktion oder Zwischenbildinterpolation, die man zunächst erst mal finden muss, denn die Hersteller sind sehr kreativ und jeder gibt diesen Features unterschiedliche Namen. Und die man dann unbedingt deaktivieren sollte. Manche allerdings, wie zum Beispiel „dynamischer Kontrast“ lassen sich nicht deaktivieren, hier lernt man dann, mit den Schwächen des jeweiligen Gerätes umzugehen. Weiterhin muss die Infrastruktur für die Signaltechnik angepasst werden. HDMI ist anders zu handhaben als eine SDI-Verbindung. Hierfür gibt es aber Wandler oder Umsetzer, die längere Leitungswege erlauben. Der Consumer-TV sollte auch genau wie die professionellen Monitore kalibriert werden.
Was ist in deiner Erfahrung nach das Wichtigste beim Handling von Bildfiles?
Zuallererst die Nomenklatur. Eine Datei, die präzise und trotzdem nicht zu lang benannt worden ist, sagt schon einiges aus und ist die beste Visitenkarte, die man dem Nächsten in der Produktionskette mitgeben kann. Nicht umsonst nehmen die meisten Sender und Studios diesen Punkt in ihre Anlieferungsspezifikationen auf. Darüber hinaus sind in jedem Fall die Metadaten zu überprüfen. Bei HDR-Material sind diese besonders wichtig, damit das Material am Monitor oder dem nächsten Transcoding korrekt interpretiert wird. Hierzu eignet sich beispielsweise das Open-Source-Tool MediaInfo sehr gut. Zu guter Letzt können Datentransfers oder Datensicherungen mit Hashes überprüft werden. Hierbei wird eine Prüfsumme der zu übertragenden Datei errechnet und mitgeschickt. Der Empfänger errechnet aus seiner Lieferung ebenfalls eine Prüfsumme und vergleicht diese mit der ersten. Wenn beide übereinstimmen, ist der Transfer ohne Fehler vonstatten gegangen.
Welche Parameter sollte man besonders im Blick haben und aus welchen Gründen?
Wenn ich im Schnittsystem oder beim Colorgrading mein Material richtig darstellen will, muss das Display unbedingt auf den entsprechenden Farbraum und Transferfunktion (EOTF) eingestellt sein. Andernfalls hat das Bild zu viel oder zu wenig Kontrast oder Farbsättigung. Bei den Profigeräten kann man das im Menü einstellen. Bei den Consumer-TVs geht das nicht so einfach, diese werden erst über die Metadaten, die sie über die HDMI-Schnittstelle bekommen, getriggert. Daher muss die Video-I/O der Workstation die Metadaten in das HDMI-Signal einbetten. Alternativ gibt es entweder SDI-HDMI-Wandler, die das erledigen, oder Geräte, die das HDMI-Signal durchschleifen und nach Userwunsch die Metadaten per Software manipulieren. Damit das bei HLG funktioniert, sollte der Monitor wenigstens HDMI 2.0b unterstützen.
Zwei häufige Distributionswege heutzutage sind Netflix und YouTube. Was ist das Wichtigste, das ich wissen muss, wenn ich Bilddateien ausliefere?
Um mit verschiedenen Mastering-Monitoren vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, verwendet Netflix den P3-D65- Farbraum statt Rec. 2020. Dieser würde zwar mehr Farben umfassen, aber eine Wandlung erforderlich machen und die fällt je nach Monitor unterschiedlich aus. Außerdem kann heute noch kein Monitor den vollen Rec. 2020-Farbraum darstellen. Bei YouTube hingegen hat man die Wahl zwischen PQ und HLG – in beiden Fällen wird der Farbraum Rec. 2020 verwendet.
Welche Technik wird in deinem Bereich eingesetzt, um HDR zum Funktionieren zu bringen?
Beim Baselight setzen wir einen Dolby PRM 4200 ein, der auch für den HDR-Einsatz kalibriert worden ist. Daneben ist zum Vergleich ein LG OLED 55C8LLA. Darüber hinaus haben wir gerade eine neue Suite fertiggestellt, in der wir hauptsächlich Dokumentationen, Serien und Industriefilme onlinen. Sie dient aber auch als zweite Grading-Suite, um Spitzenlasten abzufedern. Hier ist ein EIZO ColorEdge CG319X der primäre Kontrollmonitor, der noch von einem 65-Zoll-OLED Gesellschaft bekommen wird – wahrscheinlich wieder von LG. Dieser wird dann über HDMI mittels eines HD Fury Integral getriggert werden, je nachdem in welchem HDR-Modus er laufen soll. Zum Messen der Durchschnitts- und Maximalhelligkeitswerte sowie zum Manipulieren von Metadaten verwenden wir die Software HDRmaster 2. [7945]