Mit großem Aufwand inszenierte der Volkswagen-Konzern den Produktionsstart des Elektro-Autos ID.3. Bernhard Herrmann war für unsere Ausgabe 4.2020 dabei und hat sich angesehen, wie die Video-Seite des Events produziert wurde.
Volkswagen hatte geladen und alle waren gekommen: Prominenz, Medien und sogar die Bundeskanzlerin. Anfang November 2019 sollten im VW-Werk Zwickau nach der miserablen öffentlichen Wahrnehmung des Unternehmens durch den Diesel-Skandal endlich wieder positive Nachrichten im Vordergrund stehen und mit dem Start der Serienproduktion des Elektroautos ID.3 eine neue Ära beginnen.
Zwei Jahre zuvor hatte man begonnen, während der laufenden Produktion die Bereiche Karosseriebau und Lackiererei sowie die Infrastruktur umfangreich zu modernisieren und zu erneuern. Fahrerlose Transportsystemeund vollautomatisierte Fertigungsprozesse mit 1.700 Robotern unterstützen nun die 340 Werksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter dabei, das VW-Elektrofahrzeug ID.3 in Serie zu produzieren. Diese Transformation sollte für die Gäste im zukünftig größten E-Auto-Werk Europas per Festakt und Show zum Erlebnis werden. Außer ihnen sahen auch um die 180 Journalisten, Kameraleute und Fotografen aus der ganzen Welt die technisch aufwändige, virtuelle und reale Eventproduktion, die weltweit live übertragen wurde.
270-Grad-Projektion
In der Halle 26 an der Nordstraße des Werkes, in der sonst Fahrzeugteile zwischengelagert werden, wurden in einem Bereich von 143 Meter Länge, 26 Meter Breite und über fünf Metern Höhe vier Event-Bereiche aufgebaut. Eine Leinwand erstreckte sich in einem 270-Grad-Bogen von den Tribünenenden auf vier Meter Höhe zwischen Hallenboden und Decke. Damit wurde der gesamte Publikums- und Bühnenbereich umspielt. „Das Leinwandtuch „Gamma Lux“ wurde bei der Firma Gerriets mit einem Lichtdichtfaktor von 0,97 produziert“, erläutert Projektmanager Phillip Meier von CT Creative Technology. „Hinter dem Rednerpult ist die Leinwand als Roll-Leinwand mit einer Breite von 14,4 Metern ausgeführt, die aufgezogen werden kann.“ Das sollte aber erst später als Überraschungseffekt in der Show erfolgen.
Für die Projektion wurden 11 Barco UDX-4k32 Laser Projektoren eingesetzt, die mit einer Auflösung von 3.840 × 2.160 Pixel sowie einer Helligkeit von 32.000 ANSI-Lumen betrieben wurde. An allen Projektoren wurden spiegelumgelenkte Optiken verwendet, die an der Barco TLD Lens einen Faktor von 0.68-0.87:1 hat. „Diese spezielle Optik wurde verwendet, um möglichst keine Personen, die in der Nähe der Leinwand stehen könnten, ins Bild zu bekommen“, erklärt Phillip Meier.
Die Mischung des projizierten Video-Contents über den Barco e2 4K Event Master Processor und EC-50 Event- Controller lag in den Händen von Video-Eventoperator Andreas Grunewald. Die Steuerung des Video-Contents und die Ansteuerung der Lichttechnik erfolgte dabei über ein PlanValley-Medienserver-System. „Zugespielt wurde mit sechs von PlanValley eigenentwickelten Medienservern drei als Main und drei als Backup sowie zwei Steuerrechner, einem Main und Backup vom Typ PVProV2“, erläutert Tobias Arndt, Geschäftsführer von PlanValley. Als Software war Christie Pandoras Box Version 6.1.4 im Einsatz. Die gesamte Datenmenge des Contents betrug acht Terabyte. Die Zuspielung erfolgte in TIFF-Einzelbild-Sequenzen. „Zur Ansteuerung des Lichtes via DMX und Timecode wurde unter anderem noch ein Widget mit dem Christie Widget Designer Pro programmiert“, erklärt Tobias Arndt.
Videoproduktion
Bei der Show waren zwei Kameras auf Pumpenstativen, eine Steadicam sowie eine Cubecam eingesetzt. Eine Kamera, ebenfalls auf Pumpenstativ, und ein weiterer Steadicam-Operator agierten als EB-Team. Dabei kamen Grass Valley LDX86 und auf den beiden beide Steadicams jeweils eine Grass Valley LDX Compact Kamera zum Einsatz. Als Objektive wurden Canon HJ14ex4.3, HJ40ex10B, HJ22ex7.6B und HJ24ex7.5B benutzt. Die Signalübertragung von den beiden Steadicam-Kameras erfolgte mit drahtlosen Funkstrecken.
Gespräch mit Video-Eventoperator Andreas Grunewald
Was ist Ihre Aufgabe bei dieser Eventproduktion?
Auf dem Multiviewer des genutzten Image Processing System von Barco kontrolliere ich permanent im Livebetrieb die Verfügbarkeit und Qualität sämtlicher Videozuspieler. Treten Abweichungen von dem erwarteten Content oder der Qualität auf, halte ich Rücksprache mit den Operatoren
des jeweiligen Systems, um die Gründe dafür zu analysieren und eine schnelle Lösung zu finden. Liegen alle Quellen fehlerfrei an meinem System an, schalte ich sie auf Anforderung durch den Ablaufregisseur, live auf die mit 11 Projektoren bespielten Präsentationsflächen.
Wie funktionierte dieSteuerung des Bewegtbild-Contents?
Man muss sich das wie eine große Schaltzentrale vorstellen. Bei mir laufen sämtliche Zuspielungen der etwa 8 Terabyte Daten aus den 6 Medienservern
der Pandoras Box für die großflächige Leinwand-Bespielung, die Programmfeeds der Livebildregie und weitere Videoquellen zusammen. Bis zu 64 FHD Inputsignale können seamless auf bis zu 24 FHD Outputs geroutet werden. Um in der Grafikregie all dies technisch zu verwalten, wurden neben zwei untereinander gelinkten Barco e2 Eventmastern eine
32 × 32 HDMI 2.0 Matrix eingesetzt. Veranstaltungssicherheit spielt dabei auch noch eine große Rolle. Daher existierten fast alle Systeme doppelt und werden mit unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV) gepuffert.
Was sind die besonderen Herausforderungen?
Trotz genau ausgearbeiteter Ablaufpläne, programmierter Showabläufe und Proben kann es immer zu unerwarteten Situationen kommen. Dazu zählen
technische Probleme bei der Zuspieltechnik. Hierbei ist es erforderlich, ständig alles im Auge zu haben und gegebenenfalls auf die vorhandenen Backup-Systeme zu switchen, bevor es überhaupt jemand im Publikum merkt. Man muss bei unerwarteten und situationsbedingten Abweichungen vom Ablaufplan schnell reagieren, wenn sich beispielsweise eine Rede auf der Bühne verlängert
oder verkürzt. Bei bestimmten Showabläufen herrscht oftmals große Anspannung. Diese verstärkt sich, je wichtiger die Personen auf der Bühne sind. Dann gilt es, auch in hektischen Situationen die Ruhe zu bewahren und schnellstmöglich die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sehr nützlich dabei ist, dass ich auf Grund meiner fast 20-jährigen Tätigkeit im Eventbereich auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Unerlässlich für die Bedienung des genutzten Image Processing System von Barco ist, meinen Wissensstand durch den regelmäßigen Besuch von Schulungen und den damit verbundenen Prüfungen und Zertifizierungen nach Herstellerrichtlinien auf dem aktuellen Stand zu halten.
Als Bildmischer wurden je nach Einsatzgebiet zwei unterschiedliche Systeme eingesetzt: für das Weltbild der Bildmischer 2ME Grass Valley Korona V-Serie und für das projizierte Livebild der Bildmischer 2ME Ross Carbonite. Dabei standen die Bilder vom Live-Mischer auch dem Weltbild-Mischer zur Verfügung, dessen Ausgangssignal als Stream im Internet veröffentlicht wurde. Für die 16 d:fine Kopfbügelmikrofone von DPA der Protagonisten wurden Shure ADX1 Bodypack Sender und Shure AXD Empfänger in der Tontechnik verwendet. Die interne Kommunikation mit den EB-Teams erfolgte über digitale Shure Axient Funkstrecken. Um die O-Töne in der Regie zentral zu erhalten, wurden mehrere Antennen-Combiner verwendet. Somit war eine Funkabdeckung in der gesamten Halle gewährleistet. Für eine reibungslose Kommunikation der Gewerke untereinander wurde die Firma CS Com Solution beauftragt. Die Kommunikation in der Regie wurde mit der drahtgebundenen RTS Intercom Matrix realisiert. Die Matrix wurde mit einem Bolero-System von Riedel Communications verknüpft, das die drahtlose Kommunikation zwischen Bühne, Fahrzeug-Koordinator und Regisseur sicherstellte. [12183]